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Schadensbilanz von E-Scootern3.850 Euro Kosten pro Unfall

In einer Liga mit Mofas und Mopeds: Strombetriebene Roller verursachen Unfälle – und Kosten. Die Verletzungen sind vergleichsweise schwer.

Umstrittene Stadtflitzer: E-Scooter in Berlin-Mitte Foto: Fabian Sommer/picture alliance/dpa

Berlin taz | Über sogenannte E-Scooter stolpert man in der Großstadt mittlerweile an jeder Ecke. Stehend oder liegend warten sie auf ihre nächste Fahrer:in, denn in der Regel handelt es sich bei den strombetriebenen Tretrollern um Leihfahrzeuge, die man in einem bestimmten Radius nach Belieben in Beschlag nehmen und wieder abstellen kann.

Jetzt melden sich allerdings die Versicherer zu Wort: „2020 wurden mit rund 180.000 versicherten Fahrzeugen 1.150 Unfälle verursacht, bei denen Dritte zu Schaden kamen“, sagte Jörg Asmussen, Chef des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). „Die Kfz-Haftpflichtversicherer zahlten für jeden dieser Unfälle im Schnitt rund 3.850 Euro.“ Damit würden E-Scooter eine ähnliche Schadenbilanz aufweisen wie Mofas und Mopeds.

Anders als bei diesen Fahrzeugen braucht man bisher keinen Führerschein, um E-Scooter zu fahren. Man muss nur mindestens 14 Jahre alt sein. Die Roller, die auf bis zu 20 Kilometer pro Stunde kommen, sind noch ein recht neues Verkehrsmittel. Erst seit 2019 sind sie in Deutschland für den Straßenverkehr zugelassen.

Einen Helm zu tragen ist nicht verpflichtend, erscheint aber empfehlenswert. Eine Studie der Uniklinik Essen kam kürzlich zu dem Schluss, dass Unfälle sogar noch häufiger sein dürften als offiziell bekannt. Eine Umfrage unter nach Verkehrsunfällen verletzten Pa­ti­en­t:in­nen hatte ergeben, dass viele E-Scooter-Fahrer:innen der Polizei gar nicht Bescheid gesagt hatten.

Bisher sind die Scooter auch nicht klimafreundlich

Die gesundheitlichen Folgen waren indes vergleichsweise schwer. Die Ärz­t:in­nen registrierten mehr lebensgefährliche Verletzungen als in der Vergleichsgruppe der verunglückten Fahr­rad­fah­re­r:in­nen und außerdem eine durchschnittlich längere Zeit im Krankenhaus.

Der erhoffte positive Effekt der E-Scooter auf die Umwelt lässt auch auf sich warten: Als Leihfahrzeug in Innenstädten „bringen die Roller eher Nachteile für die Umwelt“, heißt es beim Umweltbundesamt. Die Roller sind zwar viel umwelt- und klimafreundlicher als Autos. Erste Erhebungen haben aber gezeigt, dass sie eher für Wege genutzt werden, die sonst zu Fuß, mit dem Rad oder gar nicht zurückgelegt worden wären.

Verkehrsforscherin Anke Borcherding von der Freien Universität Berlin will das fahrspaßbietende Verkehrsmittel nicht zu schnell verteufeln. „Wir sollten uns über Alternativen zum privaten Pkw freuen und sie unterstützen“, sagt sie. Die Probleme seien regelbar und – im Vergleich zu den Herausforderungen im Verkehrswesen insgesamt – eher klein. Für Borcherding greift die Faustformel: „Wir wollen Autos radikal reduzieren und die Alternativen fördern.“

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13 Kommentare

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  • E-Scooter Bashing ist doch nix anderes als Klassismus.



    Allein schon die Vergleiche sind ne Frechheit.



    Nicht jeder kann sich ein Auto leisten oder will das überhaupt. Es geht weniger darum mit nem Scooter das Auto zu ersetzen als überhaupt mal ne Form von Mobilität zu haben.



    Und in einer Pandemie lieber an der frischen Luft zu fahren, ist nicht verständlich?



    Schonmal überlegt das viele die Dinger haben weil sie oft günstiger sind als öffentlicher Nahverkehr?

    Und was ist wenn man einen eigenen hat?

    Die ganze Diskussion erinnert mich an das Internet, das hätte sich ja auch niemals durchgesetzt.

  • Ich hätte mir von einer Verkehrsforscherin Wissenschaft, und nicht Ideologie gewünscht.

    Wo ist denn ihre Studie, dass Roller wirklich Autos ersetzen?

    Das Umweltbundesamt hat mehrere Studien verlinkt.

    Seltsam, wenn eine Behörde wissenschaftlicher arbeitet als eine Wissenschaftlerin.

    Noch seltsamer ist es, wenn die Dame dann trotzdem in Zeitungsartikeln auftaucht.

  • Drecksdinger. X mal die Firmen angeschrieben weil quer auf Fußweg oder Radweg geparkt. Auch Vorschläge gemacht, was man dagegen machen kann. Foto zum Beispiel ob man richtig geparkt hat führt zu Rabatt. Egal. Nur dumme Standardantwort, sonst nichts.



    Dann: junge Leute, die sonst zu Fuß gehen würden, fahren einhändig ohne Helm mit Handy in der Hand mitten auf der Straße, oder zu zweit auf so einem Ding. Da wird nichts an Emission gespart.

  • Beim Statement der Verkehrsforscherin kommen doch einige Fragezeichen auf.

    Wenn e-Scooter als Alternative zu Fahrrahd, Zufußgehen oder garnicht unterwegs sein genutzt werden, wo sind sie dann eine Alternative zum PKW?

  • Das war politisch gewollt denn unsere lieben Volksverträter dachten, da käme man sehr modern, um nicht zu sagen "hype" daher.



    Und Erstwählerstimmen sind wertvoll !

    Gewarnt haben genug Fachleute - gehört hat's in Berlin niemand.

    Ok, eine Versicherungspflicht hat man sich grade noch aus dem Darm geleiert - mit dem Ergebnis dass es kaum privat zugelassene E-Scooter gibt.

    Und was die Versicherer den Massenanbietern an Rabatten einräumen ist ein gut gehütetes Geheimnis.

  • RS
    Ria Sauter

    Diese Dinger sind lebensgefährlich. Nicht nur für die Benutzer/innen sondern auch für diejenigen, die auf dem Gehweg unterwegs sind.



    Einige fahren abends, bei Dunkelheit, mitten auf der Straße. Sind sehr schlecht zu erkennen und oft noch zu zweit auf dem Ding unterwegs.



    Dann steigt man ab und läßt das Gefährt gerade dort stehen, wo man abgestiegen ist.



    Wie naiv muss man sein, dies zuzulassen!

  • Alternative zum privaten PKW?

    Eine Studie der Universität Dresden im Auftrag der Unfallforschung der Versicherer hatte E-Scooter-Fahrer in Berlin und Dresden befragt und beobachtet.

    75 Prozent von ihnen gaben an, E-Roller in ihrer Freizeit zu nutzen.

    Zwölf Prozent wollten die Gefährte einfach mal ausprobieren.

    Bei annähernd 30 Prozent sei durch die Scooter-Fahrt sogar ein zusätzlicher Weg entstanden.

    Lediglich 3 Prozent der Befragten gaben an, den E-Roller für den Weg zur Arbeit zu nutzen.

    Die Hälfte wäre sonst zu Fuß gegangen, ein knappes Drittel hätte den öffentlichen Nahverkehr benutzt.

    Tatsächlich ließen laut Studie nur 4 Prozent der Befragten für den Scooter das eigene Auto stehen.

    Eine Studie der Deutschen Energie-Agentur Dena, die die Umweltbilanz von E-Scooter-Diensten in Berlin untersucht hat, stellt den Gefährten ein schlechtes Zeugnis aus. So wiesen die E-Scooter mit 197 Gramm CO2-Äquivalent je gefahrenen Personenkilometer ein sehr hohes Treibhauspotential auf und schnitten sogar schlechter ab als ein herkömmliches Auto.

    Und - last but not least - nachts sind dann die "Juicer" mit ihren alten Diesel-Transportern unterwegs um die quer über die Stadt und Umland verstreuten Scooter wieder einzusammeln, aufzuladen und neu zu verteilen.

    Nicht umsonst verbannen skandinavische Länder die Roller wieder aus ihren Städten. Die Amis haben das längst getan. Nur Deutschland hängt wieder hinterher.

    Und nicht umsonst versehen manche Scooter-Anbieter ihre Roller mit dem Aufkleber "Bitte nicht "doof" parken!".

    Die Firmen kennen ihre Zielgruppe.

  • Wir (ver-)brauchen immer mehr Energie. Statt Energie zu sparen und deren Gewinnung möglichst umweltfreundlich zu gestalten werden immer mehr elektrische Gerätschaften auf den Markt gebracht. Notebook, Mobiltelefon, Tablet, E-Book-Reader, Smart-Watch, Elektrofahrrad, E-Scooter. Die Gewinnung seltener Erden und der Abbau von Kupfererz und die energieaufwändige Gewinnung von Kupfer schreitet weiter voran. Die Energiewende läßt deshalb auf sich warten, weil kein anderes Gebrauchsgerät, welches vielleicht mit fossiler Energie betrieben wird, nicht im gleichen Maße eingespart oder gar abgeschafft wird. Es entstehen Serverfarmen die eigentlich schon Serverstädte genannt werden müssten, um unseren Kauf- und Konsumkomfort zu bewerkstelligen. Heute bestellt, morgen geliefert, mal schnell im Internet geschaut was wann wo los ist, was es wo gibt, wo was ist etc. braucht enorm viel Strom, viel Speicher, viel Kupfer, viel Strom und da haben wir den Kreislauf. Wir sind und bleiben verwöhnt, die einen mehr, die anderen weniger. Alles neue, hippe wird kritiklos angenommen. Der Umweltgedanke zählt nur oberflächlich und vordergründig geht es gegen Autos etc., die aber nur einen Teil des Desasters ausmachen. Einen ganz anderen Teil, nämlich die umweltschonende Energiegewinnung für all den Strom den wir jetzt und in Zukunft brauchen hinkt mehr als nur hinterher. Und da kommen diese Dinger und unterm Strich werden sie genauso umweltbelastend sein wie viele andere Dinge auch und verursachen auch noch Kosten, die die Allgemeinheit auch finanziell zu tragen hat. Irgendetwas läuft hier gewaltig schief.

    • @Lars B.:

      Diese Dinger sind nur ein weiterer Ausdruck des Irrglaubens, dass Technik alles regeln wird, auch die Umwelt- & Klimakatastrophe. Hier werden Wohlfühlangebote unterbreitet, welche den Städtern suggerieren sollen, dass sie durch den Verzicht von Autos zwecks Fortbewegung über Kurzstrecken kaum etwas an Wohlfühlverlust erfahren müssen. Anstatt dass Städte massiv die Verkehrskonzepte umbauen, und mehr auf ÖPNV setzen, welcher für jedermann verfügbar ist, werden halbgare, profitorientierte Lösungen erlaubt, die nur ein weiterer Teil des Problems sind.



      Naja, man wird eines Tages erkennen, dass an De-Growth kein Weg mehr vorbeiführt. Bleibt nur abzuwarten ob freiwillig oder erzwungenermaßen.

      • @Shasu:

        Ganz subjektiv habe ich auch immer öfter den Eindruck, daß man in D-Land alles elektrische erst einmal mit offenen Armen willkommenheißt, ohne auch nur im Ansatz mal kritisch darüber nachzudenken, ob das denn zur Lösung beiträgt oder doch eher abträglich ist.



        Ich habe die Dinger mal in Stockholm ausprobiert, für ca. 2km statt zu laufen. War ganz witzig aber auch teuer und mich störte schon damals (drei Jahre her), daß die Dinger überall in der Gegend herumstanden und eine aktive Stolpergefahr auf Gehwegen und sonstwo darstellten. Von den Dingern, die auf Wiesen, neben Bäumen und am Fahrbahnrand rumlagen mal ganz abgesehen. Und in den deutschen Städten sieht es nicht anders aus.

  • Ich mag die Dinger ja auch nicht. Aber das Scooter-Bashing ist doch auch Folge der ungerechten Bevorzugung der Autofahrys. Die Roller sind mit Sicherheit x-mal weniger umweltschädlich als PKW. Jeder 5 Parkplatz als Stellfläche für Fahrräder und Scooter, Tempo 30 in den Städten und alle gemeinsam auf die Straße, schon wären die meisten Probleme gelöst. Und selbst die (verbleibenden) Blechpilotys kämen besser durch, wenn ein paar von ihnen umsteigen würden, denn die sind sich in erster Linie selbst im Weg.

    • @guzman:

      Die Dinger sind eben nicht ökologischer als das Auto. Die simulieren nur Umweltfreundlichkeit. Gerade für Oneway, der eine Autofahrt ersetzt, wird ein Transporter zum Rückholen eingesetzt. Die Fahrt mit Auto findet dann noch zusätzlich statt.

  • 6G
    68514 (Profil gelöscht)

    Naja, brenzlige Situationen in Zusammenhang mit diesen Dingern habe ich auch schon ein paar erlebt. Da waren sie fast ausnahmslos auf Fußwegen unterwegs, wo sie ja nichts zu suchen haben. Spielt hier Ignoranz oder Gleichgültigkeit der Fahrzeuglenker eine Rolle? Womöglich. Manchmal sind auch keine Radwege vorhanden, was aber keine Ausrede ist mit voller Geschwindigkeit Fußgänger zu umkurven.