Sanktionen gegen Russland: Im Baltikum nicht mehr willkommen
Estland und Lettland haben die Visavergabe an Russ*innen eingeschränkt. Polen arbeitet an einem Vorschlag. Die Regelungen zeigen erste Wirkung.
Zugleich wies er darauf hin, dass die Diskussion über Visabeschränkungen für Inhaber*innen russischer Pässe in Europa immer weitere Kreise ziehe. Und in der Tat: Mittlerweile ist die Debatte über Einreise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Russ*innen in der EU voll entbrannt.
So will Polen jetzt eine Regelung erarbeiten, um Russ*innen Schengen-Visa verweigern zu können. Warschau setze sich für die Ausweitung von EU-Sanktionen gegen Russland ein. Dazu gehöre auch die Aussetzung des Abkommens zur Visaerleichterung für Bürger*innen der Russischen Föderation, zitiert das oppositionelle russische Nachrichtenportal Meduza den Staatssekretär des polnischen Außenministeriums, Piotr Wawrzyk.
Laut Wawrzyk stelle Polen bereits seit einigen Monaten keine Touristenvisa mehr für Russ*innen aus. Ausgenommen davon seien lediglich Personen wie Diplomat*innen, die aus beruflichen Gründen einreisen müssten, Menschen mit einem polnischen Ausweis sowie Familienangehörige von Bürger*innen Polens und anderer EU-Staaten.
Auch die drei baltischen Staaten Lettland und Estland haben bereits entsprechende Maßnahmen ergriffen oder sind im Begriff, dies zu tun. So kündigte Lettlands Präsident Egils Levits an, dass die Behörden auch bereits ausgestellte Aufenthaltstitel und Visa überprüfen werden. Bei Russ:innen, die den Krieg gegen die Ukraine unterstützen, solle der Aufenthaltstitel oder das Visum annulliert beziehungsweise nicht verlängert werden.
Für Lettland ist Russland ein terroristischer Staat
In der vergangenen Woche verabschiedete das lettische Parlament mit 100 gegen 67 Stimmen zudem einen Beschluss, mit dem Russland als terroristischer Staat eingestuft wird. Die Abgeordneten forderten die EU dazu auf, die Vergabe von Touristenvisa an Russ*innen und Belaruss*innen einzustellen.
Auch Estland zog die Notbremse und beschloss, seine Grenzen für russische Staatsbürger*innen, die ein Schengen-Visum besitzen, zu schließen. Ausnahmen sind für dieselben Personengruppen vorgesehen, die auch in Polens noch zu erarbeitendem Vorschlag genannt werden. Zur Begründung für diesen Schritt hatte Estlands Regierungschefin Kaja Kallas Anfang vergangener Woche gesagt, ein Besuch in Europa sei ein Privileg, aber kein Menschenrecht.
Die neuen Regelungen werden bereits angewandt. Das bekam der russische Journalist Jaroslaw Warenik am vergangenen Wochenende zu spüren. Laut einem Bericht des Nachrichtenportals Meduza wurde Warenik, der ein estnisches Touristenvisum hatte, die Einreise verweigert. Angeblich seien die Bedingungen und der Zweck seines Aufenthalts unbegründet gewesen. Zudem sei eine Hotelbuchung für zwei Nächte in Estland kurzerhand storniert worden.
Warenik lebt in Archangelsk und arbeitet für das Medium 29.ru. Im Rahmen von Ermittlungen zu dem Antikorruptionsfonds (FBK) des Kreml-Kritikers Alexei Nawalny wurden bei Warenik im Jahr 2019 eine Hausdurchsuchung durchgeführt und sein Konto beschlagnahmt. Im gleichen Jahr wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er über einen Mann in Archangelsk berichtet hatte, der wegen „Extremismus“ verurteilt worden war. In den Folgejahren wurde er noch mehrmals zu Verhören in Sachen Nawalny vorgeladen.
Russische Journalist*innen festgenommen
Ebenfalls am vergangenen Wochenende wurden zwei Journalist*innen der russischen Zeitung Iswestija aus dem Zug von Narwa nach Tallinn geholt und vorübergehend festgenommen, wie Meduza berichtet. Sie hätten über die Beschränkungen der Visavergabe an Russ*innen sowie zu einem sowjetischen Denkmal – ein Panzer vom Typ T-34 – recherchiert. Beide Medienvertreter*innen waren mit einem estnischen Touristenvisum eingereist.
Laut der Agentur Interfax ist die Entscheidung darüber, ob das Denkmal abgebaut und in ein Museum gebracht wird, an diesem Montag Gegenstand einer Sitzung der Stadtverordnetenversammlung in Narwa.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Sensationsfund Säbelzahntiger-Baby
Tiefkühlkatze aufgetaut