Sanktionen gegen Geflüchtete: Hannover Bezahlkarte ist zu sozial
Vor einem Jahr stellte die Stadt Hannover eine Karte vor, mit der Flüchtlinge ganz normal bezahlen konnten. Damit ist nun Schluss.
D ie meisten haben es wahrscheinlich längst wieder vergessen: die endlose und oft hässliche Debatte um die Bezahlkarte für Asylbewerber. Anfang dieses Jahres drehte sich alles darum, wie man verhindern kann, dass Geflüchtete von ihren mickrigen Asylbewerberleistungen etwas in die Heimat oder an Schlepper überweisen. Und ob sie sich auf ihrer Suche nach Sicherheit und so etwas wie einer Zukunft wohl davon abschrecken lassen, dass man ihnen möglichst wenig Bargeld und Selbstbestimmung zugesteht. Am Ende einigte sich die Mehrheit der Bundesländer auf ein gemeinsames Modell: eine einheitliche Plastik-Bezahlkarte, maximal 50 Euro in bar pro Monat.
Die Umsetzung verzögerte sich allerdings. Ein unterlegenes Unternehmen hatte die Ausschreibung angefochten. In der Zwischenzeit fielen außerdem ein paar Sozialgerichtsurteile, die klarmachten, dass die pauschale 50-Euro-Grenze so nicht zu halten sein dürfte. Es müssen nämlich individuelle Mehrbedarfe und die Lebenssituation berücksichtigt werden.
Aber jetzt kommt sie, verkündete das Innenministerium in Niedersachsen in der vergangenen Woche. Ab Dezember werden die Bezahlkarten in den Landesaufnahmestellen ausgegeben, ab Januar sollen die Kommunen schrittweise folgen. Kommunen, die schon eigene Modelle aufgelegt hatten, müssen die Verträge nun kündigen und eine Umstellung in die Wege leiten. Was sie vermutlich gar nicht so ungern tun: denn immerhin bedeutet die Anweisung von oben auch, dass das Land die Einführungskosten übernimmt.
Schwieriger wird es allerdings für das Modell, das eigentlich beweisen wollte, dass es auch anders geht. In Hannover hatte der grüne Oberbürgermeister Belit Onay schon im Dezember 2023 eine „SocialCard“ eingeführt. Die sollte Integration und Teilhabe ausdrücklich fördern und nicht behindern. Und die Erfahrungen, sagt die Stadt, waren ziemlich gut, und zwar auf beiden Seiten des Schreibtisches.
Endlose Warteschlangen
Sechs bis sieben Mitarbeiter waren vorher damit beschäftigt, jeden Monat die sogenannten Verpflichtungsscheine auszugeben, mit denen sich die Leistungsberechtigten ihr Geld bei der Sparkasse holen konnten. Was für die meisten bedeutete, sich jeden Monat gleich zweimal in endlose Warteschlangen einzureihen. Diesen unsinnigen Aufwand hat man sich gespart, die Mitarbeiter konnten dort eingesetzt werden, wo sie dringender gebraucht werden, die Leistungsberechtigten ganz normal mit der Karte bezahlen oder Geld aus dem Automaten ziehen wie jeder andere auch.
Dieses Win-win hat sich nun wohl erledigt, fürchtet die Stadt. Sie wird künftig zwei Kartensysteme bedienen müssen, weil die SocialCard auch an Sozialleistungsempfänger ausgegeben wurde, die über kein eigenes Konto verfügen. Außerdem müssen künftig die Anträge auf eine Erhöhung der Bargeldgrenze individuell geprüft werden, wobei noch völlig unklar ist, welche Spielregeln für diese Ermessensentscheidung gelten. Das wiederum zerstört die eigentlich gewünschte Einheitlichkeit. Zwar bekommen alle Empfänger die gleiche Plastikkarte, die aussehen soll wie eine normale Visa-Karte. Aber sobald es um Mehrbedarfe geht, hängt dann eben doch viel davon ab, in welcher Gemeinde man gelandet ist und wie restriktiv Ermessensspielräume gehandhabt werden.
Immerhin haben die Grünen in Niedersachsen darauf gepocht, dass man von ein paar der sonstigen Schikanen abgesehen hat, die mit der Karte möglich wären: Es gibt keine geografischen Einschränkungen, keinen Ausschluss bestimmter Waren und Dienstleistungen, auch online einkaufen ist möglich.
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