Sächsische Justizministerin Katja Meier: Punk und Politik
Die Grüne Katja Meier spielte in ihrer Jugend in einer Punkband. Deren Texte waren nicht subtil, aber das waren die 1990er ja insgesamt nicht.
K atja Meier hat wirklich Pech. Als Teenager spielte die neue sächsische Justizministerin von den Grünen in einer Punkband namens Harlekins. Von den 15 Songs der Band, die jahrelang weitestgehend ungeklickt auf YouTube standen, hat nur einer eine verständliche Textzeile. Und in der heißt es ausgerechnet: „Advent, Advent, ein Bulle brennt.“ Nachdem in dieser Woche ein User über die Songs stolperte und den Link teilte, hat die 40-Jährige – die erste Grüne mit Radikalo-Vergangenheit seit Joschka Fischer – jetzt den rechten Twitter-Flügel und die Springer-Presse am Hals.
Selber schuld, einerseits, schließlich gab es selbst für Schrammelpunkbands der neunziger Jahre die Möglichkeit zu subtileren Formen der Polizeikritik. Erinnert sei hier nur an die zweite Strophe des Untergangskommando-Klassikers „Punk und Polizei“ („Du sperrst mich dann mal wieder für ein paar Stunden ein. Ich kotze dir die Hütte voll und kacke wie ein Schwein“).
Andererseits verbrachte Meier ihre Jugend in Zwickau, im Osten der Nachwendezeit also, über den in den vergangenen Jahren so viele Romane, Essays und Sachbücher erschienen sind, dass mittlerweile selbst westdeutsche Nachgeborene relativ genau wissen, welche drei Optionen viele junge Menschen dort hatten: entweder Teil der Naziszene werden und zu Klassikern des Rechtsrocks („Hurra, Hurra, ein N**** brennt“) abfeiern oder den Kopf einziehen und hoffen, dieser Naziszene in keiner Form negativ aufzufallen. Oder eben eine Punkband gründen und an den eigenen Sprintfähigkeiten arbeiten. So gesehen hat Meier im Jahr 1995 zumindest nicht die schlechteste aller Möglichkeiten gewählt.
Das kann man mit manchen Abstrichen übrigens auch von Peter Tauber behaupten. Der CDU-Politiker und Staatssekretär im Verteidigungsministerium wuchs zwar nicht in der NSU-Metropole Zwickau auf, sondern in der beschaulichen hessischen Provinz. In seiner Jugend spielte er aber ebenfalls in einer Punkband (Papst hört Punk) und leistete aus dem Kinderzimmer heraus der politischen Gewalt Vorschub – mit dem Songtitel „Nazischnitzel, Rübe ab“. Als das bekannt wurde, gab es anders als bei Fischer keinen Shitstorm. Nur die Bild am Sonntag fragte Tauber im Interview, ob er denn den Text noch könne. Konnte er leider nicht. Steht auch nicht auf YouTube.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Aufregung um Star des FC Liverpool
Ene, mene, Ökumene