Sachsens Ministerpräsident Tillich: Biegsamer Landesvater
Wenn die heile sächsische Wunschwelt in Gefahr ist, wirkt Stanislaw Tillich oft schockiert. Geht es um Fehler seiner CDU-Regierung, bleibt er vage.
Am besten ist der 1959 geborene Sorbe, wenn er lächeln und seinen Charme spielen lassen kann. Oder wenn er in Hintergrundgesprächen mit Journalisten Detailkenntnis und Überblick über die politischen Entwicklungen gleichermaßen erkennen lässt. Oder eben, wenn er wegen brachialer Eingriffe in die heile sächsische Wunschwelt unmittelbar unter Schock zu stehen scheint.
Nach seinem Heidenau-Besuch Ende August 2015 zeigte er sich geradezu sprachlos, hielt den Dialog mit dieser Sorte „besorgter Bürger“ für aussichtslos. Oder jetzt, wenn in Bautzen, unweit seines Heimatdorfs, „das Volk“ den Brand eines Flüchtlingsquartiers feiert. Doch für Tillich sind das nur „einige wenige Personen, die sich außerhalb unseres Rechtsstaates stellen“.
Geradezu flehentlich beschwört er eine Mehrheit von Demokratieverteidigern. Ob die sächsische Union und er selbst die heraufziehende Gefahr von rechts nicht ignoriert hätten? Er habe doch vor einem Jahr den Bürgerdialog angestoßen, rechtfertigt sich der dienstälteste Ministerpräsident. Und will nun den starken Staat.
Manches klingt im formelhaften Duktus nach der Zeit, als Tillich noch stellvertretender Ratsvorsitzender im DDR-Kreis Kamenz war. Immerhin gelang es dem Korruptionsermittler Karl Nolle nicht, nach Kurt Biedenkopf und Georg Milbradt auch den seit 2008 amtierenden Stanislaw Tillich mit Tiefenbohrungen in dessen Ost-Biografie aus dem Amt zu werfen.
Auch die verbleibenden dreieinhalb Amtsjahre bis 2019 dürfte Tillich mangels Alternative überstehen. Seine Biegsamkeit wird ihm dabei helfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?