Russische Besetzung Tschernobyls: Sorglos verstrahlt
Wochen nach der Besetzung des ukrainischen AKWs Tschernobyl durch russische Truppen wird das Ausmaß der Schäden sichtbar.
698 Computer, 344 Fahrzeuge, 1.500 Strahlungsdosimeter, wichtige Software und fast die gesamte Feuerwehrausrüstung, so die Washington Post vom Donnerstag, seien von den russischen Truppen in diesen fünf Wochen entwendet oder zerstört worden. Besonders schwer getroffen davon seien die Labors von Tschernobyl. Da einige der fehlenden Geräte mit GPS – Trackern ausgestattet seien, sei erkennbar, dass sich ein Teil dieser Ausrüstung derzeit in Belarus befinde, so Yevhen Kramarenko, Chef der Tschernobyl-Sperrzone.
Einst emsig arbeitende Labors, so Kramarenko, seien nun durch Brandspuren und Schutt vorerst nicht mehr zu gebrauchen, mehrere Gebäude seien gar vollständig zerstört.
Dabei hätte die fünfwöchige Besetzung der Sperrzone von Tschernobyl durch russische Truppen noch viel schlimmere Folgen haben können. Womöglich sind die Ukraine und mit ihr ganz Europa nur ganz knapp an einer viel größeren Katastrophe vorbeigeschlittert.
Sämtliche Sicherheitsvorschriften missachtet
Wie sorglos die russischen Besatzer an dem Ort der bis heute größten Katastrophe der Atomenergie waren, zeigt der Umstand, dass diese ausgerechnet in dem am höchsten verstrahlten Bereich der Tschernobyl-Sperrzone, im sogenannten roten Wald, Schützengräben ausgehoben hatten. Und dabei haben sie offensichtlich erhebliche Strahlenschäden davongetragen. Gegenüber dem ukrainischen Portal kosatka.media berichtete Yevhen Kramarenko, die russischen Truppen hätten während der Besatzung sämtliche Sicherheitsvorschriften missachtet. Weder hätten sie von den in der Zone vorhandenen Geigerzählern Gebrauch gemacht, noch hätten sie ihre Truppenbewegungen auf die asphaltierten Straßen beschränkt.
Im März hatte die stellvertretende Ministerpräsidentin der Ukraine, Irina Wereschtschuk, berichtet, dass die russischen Truppen Dutzende Tonnen von Artilleriemunition unweit des Kraftwerkes lagerten.
Fünf Tage war das AKW Tschernobyl im März vom Stromnetz abgeschnitten. Ohne Strom können aber weder die Abklingbecken für die dort lagernden 20 Tausend abgebrannten Brennstäbe noch die Ventilatoren, die die ArbeiterInnen vor Radioaktivität schützen, arbeiten. Wäre das Wasser in den Abklingbecken verdampft, hätte dieser radioaktive Dampf große Territorien verstrahlt.
Abgeschnitten von der Außenwelt
Gefährlich war auch der psychische Stress, dem die MitarbeiterInnen des Kraftwerkes plötzlich ausgesetzt waren. Fast einen Monat lang hatten die russischen Besatzer Schichtwechsel verboten. Dadurch waren die dort arbeitenden Fachleute weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten, mussten praktisch rund um die Uhr arbeiten.
Es wird noch lange dauern, bis die angerichteten Schäden im Kraftwerk Tschernobyl behoben sein werden. Eine Folge der Zerstörung wird wohl schon im Sommer spürbar sein. Da fast die gesamte Ausrüstung der Feuerwehr verloren gegangen ist, wird es in diesem Sommer schwer sein, Waldbrände zu bekämpfen, fürchtet Yevhen Kramarenko gegenüber der Washington Post.
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