Rückzug von SPDler Johannes Kahrs: Eine Frustentscheidung
Der SPD-Politiker Johannes Kahrs wirft hin. Er wollte den Posten des Wehrbeauftragten der Bundeswehr – und wurde übergangen.

Kahrs war das Gesicht des rechten Flügels der SPD-Fraktion, jovial, offen schwul, immer direkt. In Hamburg gelang es dem medial stets umtriebige Chef des Seeheimer Kreises in der SPD eine Art Fangruppe um sich zu scharen. Kahrs polarisierte. Am Dienstag hat er alle Ämter inklusive seine Bundestagsmandats niedergelegt.
Der Finanzexperte macht zuletzt im Bundestag manchmal Schlagzeilen mit Frontalangriffen auf die AfD. Warum die Zange nehmen, wenn man einen Hammer hat schien sein Motto beim politischen Handwerk zu sein. Kahrs ist affin zur Bundeswehr, Oberst der Reserve und war früher Mitglied im Verteidigungsausschuss. Es war kein Geheimnis, dass der 56-jährige, der seit 21 Jahren Mitglied im Bundestag war, alle Hoffnungen darauf setzte Wehrbeauftragter der Bundeswehr zu werden und damit seinen Kieler SPD-Genossen Hans-Peter Bartels zu beerben.
Der Job hätte nicht nur Kahrs Neigung fürs Militärische aufs Schönste entsprochen – es wäre auch ein Job gewesen, der im Unterschied zu dem eines SPD Abgeordneten in Zeiten der sozialdemokratischen Baisse recht krisenfest gewesen wäre.
Die Union hatte Offenbar Vorbehalte gegen Kahrs
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, der es als Außenpolitikexperte eher mit der Diplomatie hält als mit dem Militär, schlug allerdings Eva Högl für Bartels Job vor. Diese Wahl verblüffte viele – denn Högl hat sich bisher nur als Innen- und Rechtspolitikerin profiliert. Högl wurde nun am Dienstagnachmittag von der SPD-Fraktion mit wenig Gegenstimmen als neue Wehrbeauftragte nominiert. Zeitgleich verschickte Kahrs sein Rücktrittsschreiben.
„Für das Amt des Wehrbeauftragten bewirbt man sich nicht, man wird vorgeschlagen. Der Fraktionsvorsitzende hat Eva Högl vorgeschlagen. Ich akzeptiere dies und wünsche ihr viel Erfolg.“ heißt es darin recht unterkühlt.
Aus SPD-Kreisen war zu hören, dass auch oder sogar vor allem die Union Vorbehalte gegen Kahrs als Wehrbeauftragten hatte. Dies habe den SPD-Rechten besonders hart getroffen.
Der Seeheimer Kreis, eine einflussreiche Strömung in der SPD, gegen die personalpolitisch in der Regel wenig geht, verliert mit Kahrs einenlautstarken, profilierten Sprecher.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Geiselübergabe in Gaza
Gruseliges Spektakel