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Rückzug von SPDler Johannes KahrsEine Frustentscheidung

Der SPD-Politiker Johannes Kahrs wirft hin. Er wollte den Posten des Wehrbeauftragten der Bundeswehr – und wurde übergangen.

War ein Freund der klaren Worte, nun hat er keine Lust mehr: Johannes Kahrs Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin taz | „Traumschön“ ist das Wort, mit dem der SPD Politiker Johannes Kahrs auf twitter oder facebook gern bezeichnete, was ihm gefiel. Das konnte mal der Besuch einer Schülergruppe oder von Soldaten aus Hamburg, seinem Wahlkreis, bei ihm in Berlin sein. Doch auf twitter und facebook existiert Johannes Kahrs nicht mehr. Seit Dienstag sind alle accounts gelöscht. Das ist wohl ein Ausrufzeichen: Dieser Rückzug ist keine Taktik. Er gilt für immer: das Ende einer Karriere mit einem donnernden Türenknall, und einer Art Selbstauslöschung als öffentliche Person.

Kahrs war das Gesicht des rechten Flügels der SPD-Fraktion, jovial, offen schwul, immer direkt. In Hamburg gelang es dem medial stets umtriebige Chef des Seeheimer Kreises in der SPD eine Art Fangruppe um sich zu scharen. Kahrs polarisierte. Am Dienstag hat er alle Ämter inklusive seine Bundestagsmandats niedergelegt.

Der Finanzexperte macht zuletzt im Bundestag manchmal Schlagzeilen mit Frontalangriffen auf die AfD. Warum die Zange nehmen, wenn man einen Hammer hat schien sein Motto beim politischen Handwerk zu sein. Kahrs ist affin zur Bundeswehr, Oberst der Reserve und war früher Mitglied im Verteidigungsausschuss. Es war kein Geheimnis, dass der 56-jährige, der seit 21 Jahren Mitglied im Bundestag war, alle Hoffnungen darauf setzte Wehrbeauftragter der Bundeswehr zu werden und damit seinen Kieler SPD-Genossen Hans-Peter Bartels zu beerben.

Der Job hätte nicht nur Kahrs Neigung fürs Militärische aufs Schönste entsprochen – es wäre auch ein Job gewesen, der im Unterschied zu dem eines SPD Abgeordneten in Zeiten der sozialdemokratischen Baisse recht krisenfest gewesen wäre.

Die Union hatte Offenbar Vorbehalte gegen Kahrs

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, der es als Außenpolitikexperte eher mit der Diplomatie hält als mit dem Militär, schlug allerdings Eva Högl für Bartels Job vor. Diese Wahl verblüffte viele – denn Högl hat sich bisher nur als Innen- und Rechtspolitikerin profiliert. Högl wurde nun am Dienstagnachmittag von der SPD-Fraktion mit wenig Gegenstimmen als neue Wehrbeauftragte nominiert. Zeitgleich verschickte Kahrs sein Rücktrittsschreiben.

„Für das Amt des Wehrbeauftragten bewirbt man sich nicht, man wird vorgeschlagen. Der Fraktionsvorsitzende hat Eva Högl vorgeschlagen. Ich akzeptiere dies und wünsche ihr viel Erfolg.“ heißt es darin recht unterkühlt.

Aus SPD-Kreisen war zu hören, dass auch oder sogar vor allem die Union Vorbehalte gegen Kahrs als Wehrbeauftragten hatte. Dies habe den SPD-Rechten besonders hart getroffen.

Der Seeheimer Kreis, eine einflussreiche Strömung in der SPD, gegen die personalpolitisch in der Regel wenig geht, verliert mit Kahrs einenlautstarken, profilierten Sprecher.

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45 Kommentare

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  • So sieht das dann aus, wenn jemand seiner Partei und seinen Wählern mal den dicken Stinkefinger zeigt. Hat es sich jetzt etwa endlich aus-gekungelt bei der SPD? Eher unwahrscheinlich!

  • Gut, dass er weg ist. Schade, das Högl noch bleibt.

  • Diffamiert andere als Rechtsextreme (Braune)

    • 8G
      82286 (Profil gelöscht)
      @Rudolf Fissner:

      Kutscher beruhigen mit dem Spruch ihre Zugpferde (sofern keine Rappen :-))

  • Ich denke nicht mal der Autor glaubt dass die Personalentscheidung für Eva Högl der alleinige Grund für Kahrs war plötzlich alles hinzuschmeissen.

    Schade dass auch die taz nicht tiefer in das Thema einsteigt.

  • Vermutlich will er sich auf seinen anderen Job konzentrieren. Schliesslich ist er als Sprecher des Seeheimer Kreises der eigentliche Vorsitzende der SPD.

  • 8G
    83191 (Profil gelöscht)

    Ehrlich gesagt finde ich einen ehemaligen Offizier als Wehrbeauftragten ohnehin eine problematische (aber nicht unübliche) Wahl. Mit "Neigungen" zum Militär ist er vorbelastet und kann das Militär evtl nicht so überwachen wie er eigentlich sollte.

    Insbesondere wenn er auf Krawall gebürstet ist.

  • 0G
    05158 (Profil gelöscht)

    Wie sagte Gerhard Polt:

    Ja eiderweil, ist denn der noch da...

  • So so, mal ein Bierchen mit Soldaten zu trinken macht jemanden aus Sicht der SPD-Kritiker schon fähig, Webbeauftragter zu sein.

    Na dann mal prost!

  • Eva Högl wurde vorgeschlagen, damit ihr Listenplatz in Berlin für Michael Müller frei wird. Mit außen- oder sicherheitspolitischen Erwägungen hatte das nichts zu tun.

    • @Suryo:

      Meines Wissens ist Frau Högl direkt gewählt.

      • @Joba:

        Nur Listenplätze sind "sicher".



        Bei Direktmandaten haben zuerst die örtliche Basis und dann die Wähler das letzte Wort, eine Horrorvorstellung für Parteistrategen.

  • Herr Kahrs hatte meiner Meinung den Bogen überspannt, als er im Haushaltspolitischen Ausschuss 4 neue Planstellen für das Amt des Wehrbeauftragten, also seinen gewünschten nächsten Job, geschaffen hat. Das war schon ziemlich dreist.

    Aber dem Mann wird sicher nicht langweilig, der hat für Hamburg hunderte Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt geeist, Laeisz-Konzerthalle, Deutsche Hafenmuseum, Migrationsmuseums oder Reeperbahn-Festival nur als Beispiele.

    Oder vielleicht ja doch eher was mit Werften, die Schiffe bauen die bewaffnet sind, da kennt er ja auch den ein oder anderen Vorstand.

  • Kahrs hat in Hamburg wahrlich einen 'Fanclub' aufgebaut. Dies mit militärisch-sektenartigen Vorgehen. Viele dieser Fans haben sich nicht gerade als große Leuchten enpuppt und auch Kars gilt vielen als Aufschneider, Wichtigtuer und Zertrümerer.

    Stringent zieht sich bei ihm nur ein Hang durch die politische Biographie, mit der Bundeswehr und der Rüstüngsindustrie zusammen zu hängen. Geld von großen Rüstungsfirmen floss auch und überhaupt zog er da wohl die Strippen.

    Politisch gab er sich als der Ur-Sozialdemokrat aus und ähnelte über die 21 Jahre Bundestag gesehen eher einem CDU-Mann vom Wirtschaftsflügel. Überhaupt ist Kahrs ein Mann der CDU in der SPD gewesen. Er ist eigentlich politisch nicht von der Union zu trennen, er vertrat offen und offensiv deren Positionen und hat sogar seinen Fanclub dazu gebracht, für Harz 4 und höhere Rüstungsausgaben zu mobilisieren.

    Dass er jetzt endlich mal gemerkt hat, wie vielen Menschen innerhalb der SPD und außerhalb des Bundestages er nicht genehm ist, verwundert einen. Darauf hätte er früher kommen können. Und sich auch anders verhalten können.

    Mindestens in Hamburg haben einige Genossen eine Sektflasche oder ein Bier geöffnet und sich gefreut. Dabei ist ja noch offen, wer auf ihn folgen wird, Falko Drossmann, Dirk Kienscherf oder Carola Veit, Markus Schreiber - die glänzen auch nicht gerade, aber sie ziehen auch nicht solche Wellen, jedenfall nicht in der Art, wie Johannes Kahrs es getan hat. Und das wäre für die SPD auch ganz gut, wenn es etwas weniger umtriebig und steil in diesem Wahlkreis zugeht.

    • @Andreas_2020:

      Ja sehr gut auf den Punkt gebracht. Der Kahrs und seine Taschenträger haben aber nicht nur in der Hamburger SPD Flurschaden hinterlassen. Der Übertritt der sechs "Dissidenten" aus der BV Fraktion der Grünen zur SPD dürfte auch auf seine Rechnung gehen. Indes das das Mandat an einen seiner Spetzl wie dem Drossmann geht, halte ich für unwahrscheinlich. Die Grünen haben aufgeholt und das ist einer Melanie Leonhard bewusst und auch sie wird was dran setzen dass der Bezirk Mitte, der als wichtigste innerhalb der Hamburger SPD gilt, nicht verlustig geht. Zudem wird der Mitte SPD sehr viel Geld der Rüstungslobby für kommende Wahlkämpfe fehlen.

      • @Paul Eisenhauer:

        Kahr ist zwar der Leitwolf in Mitte, aber es stehen genug Leute parat, die exakt so sind wie er. Die sind nur etwas weniger deutlich und nicht so kontrovers, aber diese SPD Mitte wird wieder eine Figur präsentieren, sich mit HH-Nord auch nicht groß abstimmen. Keiner soll glauben, dass da ein Fortschritt möglich ist, außer dass es nicht mehr so krass und derbe ist.

  • danke klemens :)

  • Die Seeheimer haben die Bundesrepublik mit Hartz4 und Lohnzurückhaltung heruntergewirtschaftet. Sie sind schuld am Fall der SPD. Zeit, dass sie gehen...

    • @ben99:

      Die SPD hat es hinbekommen, DE in der Aufschwungphase der letzten 15 Jahre so weit auf Vordermann zubringen, dass nun genügend Geld für die Bewältigung der Corona Weltwirtschaftskrise vorhanden ist.

      • @Rudolf Fissner:

        Die SPD hat es hinbekommen, dass die AfD mit ihr gleichgezogen hat. Herzlichen Glückwunsch!

        • @Linksman:

          Ja ich weiß, es soll ja 2015 so diverse Linke gegeben haben, die der AfD gerne zuvor gekommen wären und ihre Chance gewittert haben

      • @Rudolf Fissner:

        Jepp, dem kann ich nur zustimmen. Die SPD hat es zwar auch nicht hinbekommen, für Lohngleichberechtigung zu sorgen und HARZ IV hatte und hat viele Tücken. Aber die SPD hat auch nie alleine regiert. Alle die, die über die Sozialdemokraten herziehen, sollen sich Deutschland einmal vorstellen, wenn die CDU immer alleine regiert hätte. Und wer auf die Posten neidisch ist: es ist JEDEM Erwachsenen frei gestellt, sich in einer Partei zu engagieren.

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    diese art von steinzeit-demokraten ist soo bedauernswert :(



    zu seinem glück wird er wohl nicht verhungern müssen.

  • Johannes Kahrs kriegt keinen großen Zapfenstreich. Vielleicht können Andere ihn nun wieder aufrichten...



    www.tagesspiegel.d...enst/10258038.html

  • Da sieht man leider wieder mal, was unsere -Parlamentarier treibt, zumindest diejenigen, die sich immer in die Schlagzeilen drängen : ein Posten "für die Zeit danach" !

    Die meisten sind schon von der ersten Legislaturperiode an darauf bedacht, die nötigen Kontakte knüpfen um sich einen gutbezahlten Job bei der Privatwirtschaft zu sichern.

    Wenn aber einer wie Kahrs als "konservativer" SPD-Genosse zu jederzeit zu jedem Thema in irgend einem Medium seinen neoliberalen Seeheimersozialismus kundtut, hat er doch endliche einmal einen herausgehobenen Posten im so postenengen parlamentarischen Vergabebereich verdient.

    Schließlich ist dieser wichtige Mann trotz fast täglicher Medienpräsenz bei keiner der drei Regierungsbildungen der Groko als ministrabel aufgefallen.

    Jetzt steht ihm wie zwei anderen Ex-SPD-Lautsprechern eine Karriere als gutbezahlter Redner vor Jahresversammlungen von Verbänden oder Sparkassen weit offen.

    Oder macht er gar den Sarrazin ?

    • @unSinn:

      Seeheimer und Sozialismus?



      Wie gehen die zusammen? Habe ich bei leibhaftigen Seeheimern noch nie erfahren.



      Im Gegenteil. Eher den drangsalierenden Staat als Ziel.

  • Well, der Politbetrieb besetzt nunmal nicht nach inhaltlichem Vermögen, sondern nach Parteihierarchie. Insgesamt fragwürdig.

  • The "House of Kahrs" has collapsed!

  • und wie war das mit dem satirischen Anruf? Ist da doch was dran? Als Journalisten sollte das die taz Leute doch interessieren, oder habt ihr das nicht mitgekriegt?

  • Und hey die Kahrs Jobvermittlung existiert nicht mehr, da wird's heute Abend nicht nur an der Helmut Schmidt Uni betretene Gesichter geben. Möchte nicht wissen wie viele umdisponieren müssen, weil's mit dem Wehrbeauftragten nix wird.

  • Er ist weg, er ist weg, er ist endlich weg. Yeahr!!

  • Ganz Hamburg Mitte ist eine einzige Partyzone!

  • Politiker jeglichen Levels sollten sowieso nach max 2 Amtszeiten wieder ins Private verschwinden.

    Leute die Jahrzehnte lang von Amt zu Amt wechseln sind schlecht für die Demokratie!

    Also richtiger Rücktritt aus den falschen Gründen.

    • @danny schneider:

      Stimmt. Leute mit Erfahrung brauchen wir nicht. Nicht, dass wir am Ende noch Experten haben. Gute Führungskräfte brauchen wir in der öffentlichen Verwaltung ja nun wirklich nicht.

      • 8G
        82286 (Profil gelöscht)
        @Devil's Advocate:

        Sie haben recht. Wir brauchen in den Verwaltungen und Ministerien Spitzen-Spitzen-Beamte und sehr gut bezahlt. Sonst sind die nämliche in den Beratungsfirmen, die den Staat ausziehen.



        Aber Danny Schneider meint wohl, was auch meine Meinung ist, für gewählte Politiker ist nach zwei Wahlperioden erst mal Schluß. Einmal aussetzen, dann dürfen sie wieder. Um den Bodenkontakt nicht zu verlieren.