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Rücktritt von Ministerin Anne SpiegelZwischen den Krisen

Die zurückgetretene Familienministerin Spiegel erklärte ihren Urlaub mit persönlichen Gründen. Muss während privater Krisen eine Auszeit möglich sein?

Familienministerin Spiegel am 10. April vor der Presse. Am Tag darauf tritt sie von ihrem Amt zurück Foto: Annette Riedl/dpa

Abgekämpft sieht Anne Spiegel aus, als sie am Sonntagabend um 21 Uhr vor die Kameras tritt, um ihr Verhalten nach der Flutkatastrophe im Ahrtal vergangenes Jahr zu erklären. Sie spricht langsam und sucht nach Worten, im Lauf des siebenminütigen Statements bricht ihr mehrfach die Stimme. 2019, beginnt sie, habe ihr Mann einen Schlaganfall erlitten. Dazu kam die „wahnsinnige Herausforderung“ der Pandemie, die die vier kleinen Kinder „ganz klar mit Spuren versehen“ habe. Da habe sie einen Fehler gemacht: Neben ihrem Amt als Familienministerin in Rheinland-Pfalz und der Spitzenkandidatur für die Grünen ab 2021 übernahm sie auch noch das Amt als geschäftsführende Umweltministerin.

„Das hat uns als Familie über die Grenze gebracht“, sagt Spiegel, „es war zu viel“. Zum ersten Mal hätten sie die gemeinsame Zeit dringend gebraucht. Die Abwägung zwischen ihrer Verantwortung als Ministerin und Mutter von vier kleinen Kindern habe sie sich nicht leicht gemacht. Und doch: „Es war ein Fehler, dass wir in Urlaub gefahren sind.“

Spiegels Auftritt wird in Erinnerung bleiben. Als ein in der bundesdeutschen Politik singuläres und hochemotionales Statement, das bis weit ins Private die Gründe für ihr berufliches Verhalten offenlegt. Sofort wird es hitzig, zum Teil hämisch debattiert. Authentisch, sagen die einen – überfordert, nennen es die anderen. So oder so wirft es Fragen auf: Längst nicht nur die nach der Notwendigkeit von Spiegels am Montag erfolgtem Rücktritt, um die es in diesem Text auch nicht gehen soll. Sondern auch und vor allem größere: die nach Vereinbarkeit von Politik und Familie.

Drei Jobs, das lässt sich wohl festhalten, sind so gut wie immer zwei Jobs zu viel. Doch die Gnadenlosigkeit des politischen Geschäfts, in dem es vor allem Frauen noch immer schwer gemacht wird, an die Spitze zu kommen, potenziert den Druck enorm. Viele erfolgreiche Frauen in der Politik haben keine Kinder, Angela Merkel zum Beispiel oder Claudia Roth. Nur gut ein Drittel aller Bundestagsabgeordneten sind überhaupt Frauen. Weibliche Bundestagsabgeordnete bekommen weniger Kinder als andere Frauen, so eine Studie der Hanns-Seidel-Stiftung. Die Gründe: hohe zeitliche Belastung und Rechtfertigungsdruck nach allen Seiten.

Leben in klaren Rollen

Die, die mit oder trotz Kindern oben ankommen, leben häufig in klaren Rollen: Der Mann übernimmt das Private. Anne Spiegel organisiert ihr Leben so, Annalena Baerbock ebenfalls. Aber muss während privater Krisen nicht auch für Spitzenpolitikerinnen eine Auszeit möglich sein? Warum ist es so schwer vorstellbar, dass eine vierfache Mutter – oder ein Vater – in einer Extremsituation Zeit braucht für die Familie? Ein Ministerium, eine Partei, eine funktionierende Organisation muss in der Lage sein, das aufzufangen. Sonst kann sie im 21. Jahrhundert nicht als funktionierende Organisation gelten.

Ist Symbolpolitik, ist Repräsentanz in der Ausnahme­situation so wichtig, dass nicht auch die Staats­se­kre­tä­r:in übernehmen kann?

Die Art und Weise wie Medien funktionieren, wie sie auf Skandalisierung aus sind, macht die Sache nicht einfacher. Wäre Baerbock aus privaten Gründen derzeit nicht in Sachen Ukraine präsent, wäre sie längst verhöhnt und verrissen. Dasselbe hätte wohl für Anne Spiegel gegolten, hätte sie direkt nach der Flut erklärt, aus privaten Gründen eine Auszeit zu brauchen. Das jedoch sagt mehr über bestehende Strukturen als über Spiegel selbst. Ist Symbolpolitik, ist Repräsentanz in der Ausnahmesituation so wichtig, dass nicht auch die Staats­se­kre­tä­r:in übernehmen kann? Denken wir Führung so autoritär, dass nur die starke Frau, der starke Mann uns in Sicherheit wiegt?

Man darf und muss einer sich als aufgeklärt verstehenden Gesellschaft zumuten, auch mal mit Stell­ver­tre­te­r:in­nen klarzukommen. Unser Verständnis von Politik, von Arbeit und Care steht in Frage, wenn es keinen Raum dafür gibt, andere, belastbare Modelle zu diskutieren. Den aber muss es geben, damit Entscheidungen zwischen zwei Krisen wie bei Anne Spiegel nicht an der einzelnen Person hängenbleiben.

Belastung und Schwäche

Erst jetzt, nach der Kam­pagne von Bild und CDU, entschied sich Anne Spiegel, einen Einblick zu geben in das Dilemma, in dem sie sich befand und mit privaten Details zu ihrem Mann, Krankheit und Kindern an die Öffentlichkeit zu gehen. Auch das wiederum erregt Missfallen: Muss das sein, das Private so ins Licht zu zerren? Und liegt nicht auch eine Instrumentalisierung, ein Hauch von Inszenierung sogar noch in diesem Statement?

Gewohnt sind wir solche Statements als Gesellschaft bisher jedenfalls nicht. Der politische Diskurs ist weitgehend frei von Privatem, von Authentizität sowieso. Um aber miteinander ins Gespräch zu kommen, braucht es wohl manchmal Einblicke in Sphären, die auch Berührungsängste auslösen. Um herauszufinden und offenzulegen, welches die Bruchstellen sind in der Welt, wie wir sie organisieren, braucht es Einsichten in das, was selten an die Oberfläche dringt.

Frei von Privatem, von Belastung und Schwäche – so kaltschnäuzig und unverfroren etwa wie Scheuer, Amthor und Co – ist Politik ohnehin absolut nicht wünschenswert. Politik genau sowie Gesellschaft sollten das aushalten und eine Debattenkultur mitprägen, die nach Wegen sucht, existenzielle Krisen wie die Anne Spiegels in Zukunft abfedern zu können.

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28 Kommentare

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  • Vier kleine Kindern und Ministerin - muss das zusammengehen?

    Ja, aber nur wenn der/die MinisterIn sein Leben entsprechend organisieren kann - also ein(e) Partnerin oder anderen Person den Rücken freihält. Früher waren dass meist die Ehefrauen, jetzt können das gerne auch mal die Männer machen.

    Die Rolle von MinisterInnen ist es Motivation und Vorbild zu sein, sie sollen sich 150% tig mit der gestellten Aufgabe identifizieren, die Amtsdauer ist in der Regel überschaubar, die Altersvorsorge entsprechend.

    Das klingt furchtbar altmodisch, aber nur so wird der - in nicht wenigen Bereichen dysfunktionale - deutsche Staat wieder handlungsfähig, ein wichtiger Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit.

    das Problem, von den Helden besungen:



    ...



    Müssen nur wollen



    Müssen nur wollen



    ...



    Muss ich immer alles müssen was ich kann



    Eine Hand in den Sternen



    Die andre am Hintern vom Vordermann



    Das ist das Land der begrenzten Unmöglichkeiten



    Wir können Pferde ohne Beine rückwärts reiten



    Wir können alles was zu eng ist mit dem Schlagbohrer weiten



    Können glücklich sein und trotzdem Konzerne leiten ...

  • Der Fehler war nicht, in Urlaub zu fahren, sondern das neue Amt anzutreten. Obwohl ich kein Fan von Müntefering bin, achte ich seine Reaktion auf die Erkrankung seiner Frau: er trat zurück, um sich zu kümmern.



    Das kann sich Frau Spiegel ebenfalls durch die gute materielle Situation leisten. Leider geht es den meisten Familien ganz und gar nicht so gut und in Krisen können sie sich schon gar keinen Urlaub leisten. Dass die Diskussion über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf an diesem Fall wiederbelebt wird, empfinde ich fast schon als zynisch.

  • Anne Spiegel wurde Opfer von Bullying und der falschen und reaktionären Überschätzung der Rolle von Einzelpersonen und der Unterschätzung der Rolle aller und von Strukturen. Wenn nach einem Schlaganfall von Partner:innen jemand sich um diese (und die Kinder) kümmern muss, führt dies in keiner Weise zur Handlungsunfähigkeit eines Ministeriums. Die Gnadenlosigkeit gegenüber Einzelnen ist die eine Seite, das sich ständig wichtig machen durch rote Teppiche und Rituale, die niemand braucht, ist die andere Seite der gleichen Medaille.

  • Vielen Dank für den Artikel! Er fasst meine Gedanken über die grundsätzliche Akzeptanz familiärer und persönlicher Belastung in öffentlichen Ämtern zusammen.

    Die Stimmen im Chat beziehen sich meist direkt auf Frau Spiegel und nicht auf das grundsätzliche Problem.

    Hätte es irgendjemanden geholfen oder die öffentliche Krise entschärft, wenn Frau Spiegel direkt nach dem Hochwasser gesagt hätte, ich trete zurück, ich kann nicht mehr?

  • Die Fragestellung von Patricia Hecht ist berechtigt und ich kann ihr auh teiweise Zustinn. Aber warum konnte Anne Spiegel, unter diesen Vorraussetzungen, die sich so schnell nicht ändern würden, nicht einfach sagenich kann dieses Amt nicht den Anforderungen entsprechend ausüben und stelle es zur Verfügung. Sie wollte, ob geschoben oder aus eigenem Ehrgeiz, auch ander Spitze stehen und musste und wollte daher auch, die falsche, Entscheidung treffen.

  • In Zeiten der Spitzenbelastung durch ein hohes Amt, für das immerhin ein Amtseid geleistet wurde, muss das Private zurücktreten.



    Wenn das wegen gleichzeitiger privater Spitzenbelastung nicht möglich ist, und manchmal ist es eben nicht möglich, muss das Amt aufgegeben werden.

  • Ein Skandal, dass sie gegangen ist. Und dass die Grünen, denen das Weibliche dochangeblich immer so wichtig ist, sie haben fallen lassen.Die Alternative: eine Bundesfamilienministerin, der ihre eigene Familie am Allerwertesten vorbei geht?

    Und die ganzen Schwargeld-CDUler, und ein Andy Scheuer bleiben. Mit dieser inneren Logik werden wir von herzlosen Machtmenschen regiert. Dass sie zurückgetreten ist, ist eigentlich das Schlimmste, das man ihr vorwerfen sollte.

    • 0G
      06792 (Profil gelöscht)
      @Jalella:

      (Andy Scheuer hätte natürlich auch zurücktreten müssen.)

    • 0G
      06792 (Profil gelöscht)
      @Jalella:

      Sie hätte eine Auszeit nehmen sollen und die Grünen hätten eine moderne Lösung finden müssen damit ihr das nicht ihre Karriere Möglichkeiten verbaut.

      Warum nicht eine Vertretung während sich ihre Familie erholen kann oder ähnliches? Solche Lösungen sind in vielen Firmen mittlerweile komplett normal.

      Ich finde die Empörung komplett gerechtfertigt wenn eine wichtige Rolle während einer Krise nicht ausgefüllt wird. Das ist doch kein Nebenjob.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Ein Ministerium, eine Partei, eine (..) Organisation muss in der Lage sein, das aufzufangen.""



    ==



    1..Beim Ahrtal - Disaster war niemand da der irgendetwas hätte auffangen können. Die lokale kommunale Politik überfordert - es gab niemanden der eine 8m Flut für möglich gehalten hätte. Verantwortliche haben Stunden oder Tage gebraucht überhaupt zu checken was passiert ist.

    2. Wenn eine Umweltministerin nicht umgehend vor Ort ist an dem eines der größten Umweltkatastrophen (ca. 130 Tote) passiert, läuft etwas extrem schief.

    Schliesslich ist die Umweltministerin die Einzige die mit Ihrem Fachpersonal aufgrund Ihres Amtes schildern könnte welche Ursachen zu einem der größten Umweltkatastrophen geführt haben.

    Genau dafür ist eine Umwelt-Ministerin da - Verantwortung für Ihr Resort zu tragen. Dafür wird sie bezahlt.

    3..Dramatisch scheinen gleichermassen die familiären Umstände zu sein. Mutter mit 4 Kindern, Krankheit des Ehemannes und anscheinend Doppelbelastung zwischen Familie und Beruf.

    Dafür hat sie von der SPD, den Günen und FDP zu Recht verständnisvolle Kommentare erhalten.

    4.. Winfried Kretschmann aus Baden Württemberg hat sich eine Auszeit genommen aufgrund der Krebserkrankung seiner Frau - trotz Wahlkampf - dto. Manuela Schwesig aus Macpom aufgrund Ihrer eigenen Krebserkrankung. Beide haben so gut es eben ging Ihre Aufgaben delegiert - und keinem von beiden hat es politisch geschadet - trotzdem Schwesig spät eingefallen ist wegen NSII eine 180 Grad Kehrtwende zu machen.

    5..Umweltministerin ist eiin Job für jemanden der für die Aufgabe brennt, sich kümmert und keine Angst hat, missverständliche Situationen im Vorfeld zu klären und auch mal Kontroversen auszustehen oder auszusitzen - je nachdem.

    6..Wer glaubt berufliche Karrieren bestehen aus einem stetigen linearen Aufstieg irrt gewaltig.

    Abstürze gehören dazu künftige Katastrophen meistern zu lernen.



    Anne Spiegel wünsche ich alles Gute. Mein vollstes Verständnis hat Sie.

    • @06438 (Profil gelöscht):

      Dreifachbelastung: Spiegel war eigentlich Familienministerin in RLP, das Umweltministerium hatte sie zusätzlich übernommen als Höffgen zurückgetreten war.

  • 0G
    06792 (Profil gelöscht)

    Ich habe wenig Verständnis für Frau Spiegel. Wenn man Verantwortung für viele Menschen übernimmt, bedeutet das eigentlich immer das man das eigene Privatleben zurückstellen muss.

    Telefonkonferenz am Wochenende. Reise am Geburtstag eines Kindes. Keine Zeit für private Treffen mit Freunden. Usw. Alles Mist.

    Das geht in manchen Positionen nicht anders und es ist vollkommen okay da keinen Bock drauf zu haben. Einfache Lösung: Job nicht annehmen.

  • Dieser Rücktritt ist ein Fehler!



    Dieses Verhalten der Familie gegenüber hat sie zur Familienmisiterin qualifiziert.



    hier hat die Riesengruppe der familienentfremdeten Politker wieder gewonnen.

    • @StefanMaria:

      "Dieses Verhalten der Familie gegenüber hat sie zur Familienmisiterin qualifiziert."



      Dieses Verhalten gegenüber der eigenen Familie ging zu Lasten ihrer öffentlichen Aufgabe. Da weiß man doch wo ihre Prioritäten liegen. Das ist durchaus verständlich und respektabel, aber keinesfalls ein Qualitätskriterium für einen Ministerposten.

      "Hier hat die Riesengruppe der familienentfremdeten Politker wieder gewonnen."



      Politiker, die sich erst um ihre Familien kümmern, und erst dann um die Aufgaben ihres Amtes, sind gute Familienmitglieder, aber schlechte Politiker.

  • Warum es an zentraler Stelle nicht um den Rücktritt von Anne Spiegel gehen soll, obwohl die TAZ Spiegel mit einem Foto ins Zentrum der Berichterstattung stellt, weiß wohl nur die TAZ, die mit der Forderung nach dem schnellen Rücktritt von Frau Spiegel (BILD; TAZ, Spiegel, Süddeutsche, FAZ, ZeiT) ganz vorn dabei war.



    Die Entschuldigung von Anne Spiegel wurde von der TAZ nicht abgewartet.



    Es musste schnell gehen mit dem Kommentar zum Rücktritt, den ausgerechnet eine TAZ-Autorin schrieb, wie ein User im TAZ-Forum monierte.



    Es ist falsch von einer Kampagne der BILD und der CDU zu sprechen, die Spiegel zu Fall brachte. Überraschenderweise waren sich alle Leitmedien in ihrer unbarmherzigen, schnellen Forderung nach einem Rücktritt einig.



    Es lohnt darüber nachzudenken, ob das einem Habeck in einem vergleichbaren Fall auch passieren würde. Dem bescheinigte Tobias Rapp im Spiegel gerade einen authentischen Heiligenschein, wenn es um die Vermeldung schwieriger persönlicher Sachverhalte in sozialen Medien geht.



    Die Politikerin Spiegel verstehe, so Rapp, nichts vom Umgang mit sozialen Medien, weil sie Schwäche zeigte. Das ist an Verlogenheit und Chauvinismus kaum zu überbieten. Anne Spiegel zeigte Schwäche und wurde dafür von den Medien unbarmherzig abgestraft.



    Frauen in Top-Jobs mit Familie - und das ist die Botschaft vom Rücktritt der Familienministerin Anne Spiegel - werden ganz schnell im Regen stehen gelassen.



    Was auffällt: Warum meldeten sich die Top-Grünenfrauen nicht zu Wort, um Anne Spiegel in der schwierigen Situation sofort öffentlich den Rücken zu stärken? Wo war der einfühlsame Tweet von Malu Dreyer, ihrer ehemaligen Chefin? Hat sie nicht eine Verantwortung, wenn sich die ihr untergebene Ministerin mehrere Ministerposten aufbürdete? Das gleiche gilt für die Parteifreunde Spiegels, die zuließen, dass sich die Politikerin übernahm.

    www.spiegel.de/kul...-9a5b-77a6afce73d7

    • @Lindenberg:

      In dem Artikel geht es um die grundsätzliche Frage, wie geht die aktuelle deutsche Öffentlichkeit mit dem Thema persönliche Auszeit und Belastung um. Deswegen geht dieser Artikel nicht um Frau Speigel, sondern die Grundsatzfrage, die sich stellt: Wie gehen wir mit privaten Krisen um, wenn ein öffentliches Amt begleitet wird. Schon normalerweise nur mit Rücktritt.

      Hätte es irgendjemand geholfen, wenn Frau Spiegel zu diesem Zeitpunkt, direkt nach der Hochwasser zurückgetreten wäre?

  • "Das jedoch sagt mehr über bestehende Strukturen als über Spiegel selbst."

    Patricia Hecht stellt dazu die wichtigen, die richtigen Fragen. Ein Artikel, der deshalb nicht übergangen werden sollte. Zum Beispiel: Wäre denn nicht buchstäblich "Care-Arbeit", ein Sorge dafür mit tragen Seitens der Partei von Anne Spiegel und der Landesregierung von NRW notwendig gewesen, der damaligen Landesministerin nicht auch noch das Amt einer geschäftsführenden Umweltministerin aufzuladen? B.z.w. ihr zu raten und sie darin zu unterstützen, das nicht "zu machen", wenn sie sich es vielleicht in Fehleinschätzung selbst zumuten wollte? Ich kenne diese Situation, die da damals dahinter stand nicht. Doch dass dann in Folge einer solchen Entscheidung andere belastende Situationen, die unerwartet "oben drauf kommen" eigentlich zwangsläufig zu einer kaum mehr "zu händelnden" Situation der Dauerüberlastung führen können - das hätte doch eingeschätzt werden können? Wenn Politik ein brutales Geschäft ist, wie das A. Baerbock anlässlich des Rücktritts von Spiegel sagte - dann braucht es doch auch "echte" Freunde u. Vertraute, um solche Brutalität zu überstehen. Sollte das nicht gerade deshalb auch in der Politik möglich sein? Es mag idealistisch u. sentimental klingen aber der Artikel verdeutlicht sehr sachlich, dass warum das nur so klingt. Weil die Fragen, die "der Fall" aufwirft für alle sehr ernsthafte sind.

  • "Erst jetzt, nach der Kam­pagne von Bild und CDU, entschied sich Anne Spiegel, einen Einblick zu geben in das Dilemma, in dem sie sich befand und mit privaten Details zu ihrem Mann, Krankheit und Kindern an die Öffentlichkeit zu gehen."

    Frau Spiegel war erst seit 01.01.21 Ministerin in einem mittelgroßen Bundesland in einem eher kleineren Ministerium. Aufgrund ihrer Situatuion, "weil mein Mann nicht mehr konnte" und auch wegen ihrer Kinder ist sie 4 Wochen in Urlaub, Ende Juli - Anfang August, also nach etwas mehr als einem halben Jahr Dienst.

    Im November, also keine 2 1/2 Monate später und da muss es vorher auch schon Gespräche dazu gegeben haben, lässt sich Frau Spiegel für das Bundesfamilienministerium aufstellen und wird im Dezember vereidigt. Ein viel größeres Ministerium mit entsprechendem Rattenschwanz an Arbeit und das natürlich auch viel mehr im Licht der Öffentlichkeit steht als eine Landesbehörde in Mainz.

    Dieser Zeitablauf vermittelt mir anscheinend eine völlig andere Botschaft als der Autorin.

  • "Ein Ministerium, eine Partei, eine funktionierende Organisation muss in der Lage sein, das aufzufangen. Sonst kann sie im 21. Jahrhundert nicht als funktionierende Organisation gelten."

    Danke!!! und mehr muss man dazu eigentlich nicht sagen... sollte man nicht sagen müssen

  • Natürlich muss auch eine Auszeit möglich sein. Aber nach einer Flut mit über 100 Toten oder einem Krieg eben nicht!



    Tagesgeschäft kann sehr gut vertreten werden, Ausnahmesituationen eben schlechter…

  • danke für diesen kommentar. der diskurs, der gerade (auch in den taz-kommentarspalten) stattfindet, trieft nur so vor internalisierter misogynie und double standards.

  • Das war jetzt leider ein Rührstück. Frau Spiegel hat sich ja anscheinend mehr um ihr Image als um die Katastrophenopfer gesorgt. Das ist für mich der eigentliche Skandal. Abgesehen davon: das scheibchenweise Auftauchen von Unstimmigkeiten hat in ihrer Situation sicher auch nicht geholfen.

  • Der Meute dürstete nach Blut -- insbesondere, nachdem es jemanden von der CDU erwischt hat.

    Mein Respekt hat Frau Spiegel, im Gegensatz zu Amthor, Scheuer und ihresgleichen.

  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    "Aber muss während privater Krisen nicht auch für Spitzenpolitikerinnen eine Auszeit möglich sein?"

    Ja, aber nicht wenn Führung gefragt ist. Oder man überläßt jemand anderes die Position. Denn solche Schwächen in der Position können das Leben und die Existenz von vielen anderen Menschen gefährden.

  • Ich frage mich: mit welchem unterschiedlichen Maßstab heute gemessen wird?



    Da ist die Politikerin, die für ihre Familie kämpft und trotz der Katastrophe sich Zeit für Mann und Kinder nimmt. Und da sind diejenigen die dafür jetzt auf sie eindreschen. Ich frage mich wer schlimmer ist. Für mich ist die Diskussion scheinheilig und falsch. Sie muss sich für ihre Entscheidung nicht entschuldigen, die Entscheidung war richtig, pro Familie! Was wäre passiert wenn sie umgefallen wäre und 6 Wochen krank? Der Stellvertreter übernimmt! Sie war die ganze Zeit auch telefonisch erreichbar. Außerdem kann ich ja auch bei einer Sitzung virtuell teilnehmen, oder mit absprachen einer mir vertrauenswürdige Person. Somit war Sie in der Sachlage anwesend. Wo also ist das tatsächliche Problem? War das ein Problem? (Fehler), dass sie nicht vor Ort war, um ein Showlaufen in Gummistiefeln (wie der lachende Laschet) zu veranstalten und die THW mit andere Helfer zu behindern ?

    PS: Im Übrigen ist es Wissenschaftlich belegt, lügt jeder Mensch jeden Tag öfters als es ihn lieb ist.

    In gewisser Hinsicht handeln sie also richtig, selbst, wenn sie etwas Falsches erzählen. Wahrheit meint hier auch Richtigkeit als Grundlage menschlichen Handelns, welches von äußeren Umständen abhängt und auch teilweise vorgegeben wird. Eine übergeordnete Wahrheit wird nicht präsentiert. Vielmehr wird bezweifelt, dass es diese überhaupt gibt. Denn die Suche danach hat den Konflikt schließlich erst geschürt.

  • Danke Frau Hecht! Besser hätten wir es nicht auszudrücken können!

  • Ja, man darf sich vertreten lassen dürfen. Nein, man lässt sich in einer Katastrophensituation nicht vertreten,

    • @steven67:

      Schreibfehler: das zweite"man" muss der Autor mit zwei N schreiben.