Rückkehr des Wolfs in den Niederlanden: Schafe und Kühe in Gefahr
Vor wenigen Jahren wurde die Rückkehr des Wolfs in den Niederlanden enthusiastisch begrüßt. Jetzt wollen viele, dass er wieder gejagt wird.
Letzten Endes ging der Wolf seiner Wege, niemand kam zu Schaden. Das Aufsehen aber, das dieser Fall in der vergangenen Woche in den Niederlanden auslöste, zeigt, wie das dicht besiedelte Land mit der Rückkehr der Wölfe ringt. 25 bis 30 Tiere sind es inzwischen, so der Ökologe Glenn Lelieveld zur taz. Angesiedelt haben sie sich in der Landesmitte im Naturgebiet Veluwe, im Südosten der Provinz Noord-Brabant sowie in Drenthe im Nordosten. Bei der Tierschutzorganisation „Säugetier-Vereinigung“ koordiniert Lelieveld die Meldestelle, bei der Bürger*innen anzeigen können, dass sie einen Wolf gesehen haben. Diese Informationen würden an die Behörden weitergeleitet, wobei es an der Politik liege, Maßnahmen zu ergreifen, sagt Lelieveld. Weiter stehe es allen frei, ihre eigene Meinung über den Wolf zu haben.
Diese Meinungen sind, nur wenige Jahre nach der bejubelten Rückkehr des Wolfs seit 2015, ziemlich eindeutig. 546 Fälle von getötetem Nutzvieh sind bislang registriert. Vor allem in Drenthe, einer ans Emsland grenzenden Provinz, die für ihre – für niederländischen Verhältnisse – weiten Wälder bekannt ist, häuften sich zuletzt Meldungen über von Wölfen gerissene Schafe, Ziegen und Kühe. Mitte Oktober zeigte das Bauernpaar Anique van de Zwaag und Albert ten Heuvel, deren Hof mehrfach betroffen war, live auf sozialen Medien, wie sie eine tote Ziege in der Schubkarre zum Sitz der Provinzregierung in Assen brachten. Die Bäuerin sagte, der Wolf komme immer näher an den Hof, sodass sie ihre Kinder nicht mehr draußen spielen lassen wolle.
Die besorgten Stimmen aus der Landwirtschaft finden zunehmend Gehör in der Politik. „Es ist deutlich, dass wir hier wirklich ein Problem haben“, so Henk Jumelet, in der Provinz-Regierung zuständig für Landwirtschaft, zum TV-Sender RTV Drenthe. „Die Gesetzgebung richtet sich auf das Interesse des Wolfs. Es wird Zeit, dass wir nach Interessen von Tierhaltern schauen.“ Jumelet, Mitglied der traditionell agrarfreundlichen Christdemokrat*innen, spielt damit auf den Status des Wolfs als beschützte Tierart an. Dieser Status ergibt sich aus dem Washingtoner Artenschutzabkommen, der Berner Konvention für die Erhaltung von Lebensräumen europäischer Tiere und Pflanzen sowie der Fauna- Flora-Habitat-Richtlinie der EU.
Antrag für Abschuss
Jumelets Forderung findet auch jenseits der Provinzgrenze in Friesland Anklang. Ende Oktober verabschiedete das dortige Parlament einen Antrag, um Wölfe in Gebieten mit viel Nutzvieh abschießen zu können. Ein in der Region ansässiges Wolfspaar mit drei Jungen soll in diesem Jahr schon 200 Kühe, Kälber, Schafe und Ponys getötet haben. Die Situation sei „unhaltbar“, weshalb sich die niederländische Regierung innerhalb Europas für einen niedrigeren Schutzstatus des Wolfs einsetzen solle. Die christdemokratische Initiatorin Attje Meekma sagte in der Parlamentssitzung, man müsse sich entscheiden, ob man auf den Weiden Vieh oder den Wolf wolle.
Wie sehr das Thema die Gemüter erhitzt, zeigte sich am vergangenen Wochenende: Im beliebten Naturpark Dwingelderveld in Drenthe blieb am Sonntag das Besucher*innenzentrum geschlossen, nachdem dieses über soziale Medien bedroht worden war. Geplant war ein Informationstag zum Thema Wolf, bei dem auch ein aktueller Dokumentarfilm über dessen Rückkehr gezeigt werden sollte. Jan Gorter, der regionale Manager der Organisation Natuurmonumenten, sagte zum Sender RTV Drenthe, es ginge „nicht darum, Märchen zu erzählen oder dass der Wolf ausschließlich positiv sei, sondern ungerechtfertigte Sorgen zu entkräften“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“