Rot-Rot-Grün in Thüringen: Gauck hat Bauchschmerzen
Das sich abzeichnende Regierungsbündnis in Thüringen bereitet dem Bundespräsidenten Schwierigkeiten. Die Linkspartei weist die Kritik scharf zurück.
BERLIN afp/dpa | Ein linker Ministerpräsident in Thüringen würde Bundespräsident Joachim Gauck einiges abverlangen. „Menschen, die die DDR erlebt haben und in meinem Alter sind, die müssen sich schon ganz schön anstrengen, um dies zu akzeptieren“, sagte Gauck im Interview mit dem ARD-„Bericht aus Berlin“, das am Sonntag ausgestrahlt wird.
Die Wahlentscheidung sei zwar zu respektieren, dennoch bleibe laut Gauck die Frage: „Ist die Partei, die da den Ministerpräsidenten stellen wird, tatsächlich schon so weit weg von den Vorstellungen, die die SED einst hatte bei der Unterdrückung der Menschen hier, dass wir ihr voll vertrauen können?“
Wenn die SPD in Thüringen, bei der derzeit eine Mitgliederbefragung läuft, den Weg für Rot-Rot-Grün freimacht, könnte Bodo Ramelow am 5. Dezember gewählt werden. Damit wäre erstmals ein Politiker der Linken Ministerpräsident eines Bundeslandes.
Gauck sagte mit Blick auf die Linke, es gebe „Teile in dieser Partei, wo ich – wie viele andere auch - Probleme habe, dieses Vertrauen zu entwickeln“. Der frühere DDR-Bürgerrechtler war von 1991 bis 2000 der erste Bundesbeauftragte für die Stasiunterlagen.
Kritik auch von Jahn
Der derzeitige Stasiunterlagen-Beauftragte, Roland Jahn, übte scharfe Kritik an der geplanten rot-rot-grünen Koalition in Erfurt. „Die Politiker in Thüringen sollten schon wissen, dass die Opfer der SED-Diktatur sich verletzt fühlen, wenn dort ein linker Ministerpräsident regiert“, sagte Jahn der Lausitzer Rundschau vom Samstag. Die Linkspartei sei bisher nicht als eine Partei wahrgenommen worden, „der es mit der Aufarbeitung wirklich ernst ist“, fügte der frühere DDR-Bürgerrechtler hinzu.
Linke-Chefin Katja Kipping hat die Kritik Gauck scharf zurückgewiesen. „Seine Zweifel an der demokratischen Gesinnung unserer Mitglieder und Wähler weise ich in aller Form zurück. So etwas gehört sich für einen Präsidenten nicht“, sagte Kipping der Bild am Sonntag. Und weiter: „Ein Präsident muss seine Worte sehr wägen. Sobald er sich dem Verdacht aussetzt, Parteipolitik zu machen, ist seine Autorität beschädigt. Ich bezweifle, dass Herr Gauck sich mit diesen Äußerungen einen Gefallen tut.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Die Wahrheit
Glückliches Jahr
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Wir unterschätzen den Menschen und seine Möglichkeiten“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten