Rolle der Bundesregierung in Afghanistan: Versagen für die Geschichtsbücher
Noch könnte die Regierung ihre Fehler wiedergutmachen: jeden ausfliegen, der vor den Toren des Flughafens steht.
D er letzte Eindruck bleibt oft am längsten hängen. Für Angela Merkel ist das ein unerfreulicher Fakt: Am Mittwoch hält sie im Bundestag nach 16 Jahren Kanzlerschaft ihre wohl letzte Regierungserklärung, außerplanmäßig anberaumt, weil das Parlament das Mandat für die Bundeswehr-Evakuierungen in Kabul genehmigen muss.
Der Anlass dieses Auftritts, die vielleicht allerletzte Krise in Merkels Amtszeit, wirft ein verheerendes Licht auf die Kanzlerin und ihre Regierung. Was hängen bleiben könnte: Das unglaubliche moralische Versagen im Umgang mit den ehemaligen Mitarbeiter*innen deutscher Stellen in Afghanistan, das sich bis heute fortsetzt.
Es wäre schon schlimm genug, ginge es nur um die Fehler der Vergangenheit. Monatelang wurde die Bundesregierung von verschiedensten Seiten gedrängt, den sogenannten Ortskräften die Einreise nach Deutschland zu ermöglichen. Ein Unterstützungsnetzwerk, das von Pro Asyl-Aktivisten bis zu Bundeswehr-Generälen reicht, schrieb flehende Briefe.
Diverse Medien griffen die Forderungen auf. Die Opposition formulierte Lösungswege. Die Bundesregierung? Reagierte mit Ignoranz und brachte damit nicht nur die betroffenen Afghan*innen weiter in Gefahr, sondern nebenbei auch die deutschen Soldat*innen, die jetzt in Kabul in einem belastenden Einsatz stehen.
War keine Absicht, könnte man sehr großzügig sagen, die Bundesregierung hat sich eben verschätzt. Mag sein. Nur: Warum unternimmt sie dann nicht alles, um den Fehler so weit wie noch möglich wiedergutzumachen? Noch immer verwehrt sie hunderten Menschen, die durch ihre Arbeit für die Deutschen in Gefahr sind, die Rettung. Falsches Arbeitsverhältnis, falsches Formular, falsches Timing: Zig bürokratische Hürden hat sie rund um ihre Ortskräfte aufgebaut. Sechs Tage bleiben noch, bis das Ultimatum der Taliban abläuft und die Bundeswehr das Land wohl endgültig verlassen muss.
Die Regierung könnte diese Zeit nutzen. Sie könnte die Hürden einreißen. Sie könnte jeden ausfliegen lassen, der vor den Toren des Kabuler Flughafens steht und seine Tätigkeit für deutsche Stellen glaubhaft machen kann. Die politischen Kosten wären gering: Es geht nicht um – moralisch eigentlich ebenfalls gebotene – große Kontingente. Es geht um wenige tausend Menschen, deren Aufnahme in Deutschland einen breiten gesellschaftlichen Rückhalt hätte.
Die Kanzlerin würde nichts verlieren, wenn sie zum Ende ihrer Amtszeit ihre Autorität in der Regierung noch einmal nutzen würde. Sie könnte sich am Mittwoch in den Bundestag stellen und sagen: Wir machen das jetzt. Aber, wie bitter: Durchringen kann sie sich dazu wohl nicht.
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