Robert Habeck im Nahen Osten: Energiekrise als Chance für Frieden
Der Bedarf an sauberem Strom und Trinkwasser soll eine Zusammenarbeit zwischen verfeindeten Staaten möglich machen. Doch die Hürden sind hoch.
![Habeck und Kampmann sprechen vor dem Toten Meer miteinander Habeck und Kampmann sprechen vor dem Toten Meer miteinander](https://taz.de/picture/5605172/14/robert-habeck-bernhard-kampmann-jordanien-1.jpeg)
Daran sei vor allem der Klimawandel schuld, sagt der jordanische Wasserminister Mohammad Al Najjar, der Habeck und Morgan hierher, an den tiefstgelegenen oberirdischen Ort der Welt, begleitet hat. „Es gibt hier immer weniger Regen und immer mehr Verdunstung“, erläutert Al Najjar.
Daneben spielt auch die Wasserentnahme aus dem Jordan eine Rolle, dem Grenzfluss zwischen Israel und dem palästinischen Westjordanland im Westen und Jordanien im Osten, der im Norden als kleines Rinnsal ins Tote Meer mündet. Mehr als die Hälfte der Quellen in Jordanien ist aufgrund des sinkenden Wasserspiegels bereits ausgetrocknet.
Doch während Energie und Wasser in der Vergangenheit im Nahen Osten zu Konflikten und Kriegen beigetragen haben, könnten sie künftig einen Beitrag zur Versöhnung leisten. Davon ist zumindest Robert Habeck überzeugt. Als Beispiel dient ein Projekt, bei dem Investoren aus den Vereinigten Arabischen Emiraten in der jordanischen Wüste ein Solarkraftwerk finanzieren würden, mit dessen Strom eine Meerwasserentsalzungsanlage am Mittelmeer betrieben werden soll. Das dort produzierte Trinkwasser soll dann von Israel und Jordanien gemeinsam genutzt werden. Dieses Projekt sei „ein Beispiel dafür, dass einige arabische Staaten jetzt anfangen, mit Israel zu kooperieren“, sagt der Minister. Und hofft: „Das ist vielleicht der Beginn eines Prozesses.“
Nada Majdalni, Mitarbeiterin EcoPeace
NGO weniger begeistert
Deutlich skeptischer fällt die Einschätzung der Organisation EcoPeace aus, auf deren Idee das Projekt zurückgeht. Die NGO ist seit 27 Jahren in der Region aktiv, und zwar in Israel, Jordanien und den Palästinensergebieten. Zwar sagt auch deren Mitarbeiterin Nada Majdalni: „Der Klimawandel kann die Chance bieten, Frieden in den Nahen Osten zu bringen.“ Und sie freut sich, dass die Idee eines grenzüberschreitenden Strom- und Wasserprojekts aufgegriffen wird. „Am Anfang dachten alle, wir wären Träumer.“ Aber bezüglich der Umsetzung ist Majdalni weniger euphorisch als Habeck: „Bisher gibt es nur eine Absichtserklärung.“ Zudem seien – anders als im ursprünglichen Konzept von EcoPeace vorgesehen – die Palästinensergebiete komplett außen vor.
Dort ist eine Nutzung von Solarenergie auch unabhängig von diesem kaum möglich: Fast zwei Drittel der Fläche gehören zum sogenannten C-Gebiet, das komplett unter israelischer Militärverwaltung steht. Ebenso wie die meisten anderen Wirtschaftsaktivitäten sind damit auch Solarkraftwerke nicht zulässig. Habeck hofft, dass sich das noch ändert. Im Westjordanland gebe es schließlich genug Flächen, und erneuerbarer Strom werde sowohl in Israel als auch in den Palästinensergebieten gebraucht.
Diesen Bedarf gibt es tatsächlich. Israel hat zwar auch in der aktuellen Krise kein Problem, seinen Energiehunger zu stillen. Denn durch die Ausweitung der Gasförderung vor der eigenen Küste ist das Land inzwischen nicht nur unabhängig von Importen, sondern exportiert sogar Gas in Nachbarländer.
Konkrete Pläne fehlen
Doch die globalen Klimaziele gelten auch hier: Das Klimagesetz, das das Kabinett gerade auf den Weg gebracht hat, sieht vor, dass Israel bis 2050 klimaneutral werden soll. Der momentane Ökostromanteil von gerade mal 7 Prozent muss dafür stark steigen.
Steffen Hagemann, Leiter des israelischen Büros der grün-nahen Heinrich-Böll-Stiftung, ist aber skeptisch, dass es schnelle Fortschritte gibt. „Über eine Energiewende wird in Israel jetzt zwar viel gesprochen“, sagt er der taz. „Konkrete Pläne dafür gibt es aber kaum.“ Das gelte auch für das Klimagesetz: „Es nennt keine konkreten Zwischenziele“, berichtet Hagemann. Ein großer Teil der Einsparungen solle offiziell durch „unknwon technologies“ erfolgen, also noch unbekannte Technologien, was eher bei der FDP als bei Habeck auf Begeisterung stoßen dürfte.
Und von einem Ausstieg aus der Gasförderung ist in Israel bisher keine Rede: Ganz im Gegenteil hatte das Land im Vorfeld von Habecks viertägiger Nahost-Reise die Hoffnung geäußert, künftig auch in großem Stil fossiles Gas nach Europa exportieren zu können. Dem hat Habeck in Jerusalem aber eine klare Absage erteilt. Bis eine neue Pipeline oder ein Flüssiggasterminal in mehreren Jahren fertiggestellt wären, werde der Verbrauch von fossilem Gas in Europa bereits wieder sinken, sagte Habeck. Seit der Reise des Wirtschaftsministers nach Katar im März hat sich seine Position zu fossilen Erdgasimporten damit stark verändert.
Business-Case Erneuerbare Energien
Stattdessen setzt der Minister auch im Nahen Osten voll auf den Ausbau erneuerbarer Energien. Zu diesem Zweck veranstaltet Deutschland auch zusammen mit Jordanien eine große Konferenz am Toten Meer, die Habeck am Mittwoch eröffnete. Seit diese vor fünf Jahren zum letzten Mal stattfand, habe sich die Stimmung komplett verändert. „Was bisher nur eine politische Forderung war, wird jetzt zu einem Business-Case“, sagt er.
Als Mitveranstalter einer großen Konferenz für die Region, kann Habeck sich dagegen gut vorstellen, aus dem Mittelmeerraum künftig Wasserstoff oder Derivate wie Ammoniak nach Deutschland zu importieren. Auch der jordanische Energieminister Saleh-Al Kharabsheh hält das bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Habeck für eine gute Idee: „Kein Land kann alle Probleme innerhalb seiner eigenen Grenzen lösen“, sagt er.
Und tatsächlich drängen sich im Konferenzzentrum mit Blick auf das Tote Meer mehrere Hundert Vertreiter*innen von Unternehmen aus dem Nahen Osten, Nordafrika und Europa, die auf gute Geschäfte mit dem Klimaschutz hoffen. Auch wenn man im klimatisierten Kongresszentrum wenig von der Klimakrise spürt: Zumindest auf dem Weg zu den dunklen Limousinen, die in großer Zahl vor dem Gebäude parken, kann sich hier niemand der drückenden Hitze entziehen.
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