Rentner:innen in Grundsicherung: Altersarmut ist weiblich
So viele alte Menschen wie nie zuvor sind auf staatliche Sozialleistungen angewiesen. Frauen sollten das Modell Ihrer Mütter nicht kopieren.
D agmar D. steht dreimal in der Woche früh auf, um zur Arbeit in einem Berliner Sozialprojekt zu gehen. Sie ist 72 Jahre alt, also eigentlich Rentnerin. Doch ihre Rente ist so mickrig, dass sie immer noch arbeiten muss, um Miete, Heizung, Versicherungen, Essen zu bezahlen. Die Alternative wäre, zusätzlich zu ihrer Minirente aufstockende Grundsicherung zu beantragen, so wie das aktuell 742.400 Rentner:innen tun. Vor vier Jahren waren es noch 30 Prozent weniger.
Wer nun sagt, was sind schon über 700.000 Betroffene bei über 83 Millionen Einwohner:innen in Deutschland, dem sei geantwortet: Es dürfte nicht bei der aktuellen Zahl der Menschen bleiben, die im Alter in die Armut rutschen. Mieten steigen weiter, Brot, Butter, Obst werden teurer, Strom und Gas ebenfalls. Vor 20 Jahren zählte die Statistik knapp 2 Millionen arme und armutsgefährdete Rentner:innen, im vergangenen Jahr waren es bereits 3,4 Millionen.
Rentner:innen gehören mit zu jenen Menschen in der Bundesrepublik, die am ehesten nicht vom eigenen Einkommen leben können. Und die größte Gruppe von ihnen sind Frauen. Das Leben früher hatte für sie in erster Linie die Absicherung durch einen Ehemann vorgesehen, ging die Beziehung in die Brüche, blieben die Frauen ohne finanziellen Rückhalt.

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Wollen Frauen heute nicht das Schicksal ihrer Mütter und Großmütter kopieren, sei ihnen dringend geraten, einen anderen Lebensentwurf als den früherer Generationen zu wählen. Denn der führt nach wie vor direkt in die Altersarmut. Das ist keine neue Erkenntnis – und doch geben Frauen öfter und länger den Job für die Familie auf. Kehren sie in den Beruf zurück, dann meist mit weniger Stunden. Knapp die Hälfte der berufstätigen Frauen hat eine Teilzeitstelle oder einen Minijob.
Nicht selten gezwungenermaßen, weil überall im Land Kita- und Hortplätze fehlen. Ein Land mit ungenügenden Betreuungsangeboten fördert Altersarmut von Frauen. Soll die eingedämmt werden, müssen schnell mehr Angebote her und die sogenannten Frauenberufe besser bezahlt werden. Auch das sind Binsen. Wann finden die ein Ende?
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