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Rent­ne­r:in­nen in GrundsicherungAltersarmut ist weiblich

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

So viele alte Menschen wie nie zuvor sind auf staatliche Sozialleistungen angewiesen. Frauen sollten das Modell Ihrer Mütter nicht kopieren.

Viele Frauen rutschen im Alter in die Armut Foto: Bernd Friedel/imago

D agmar D. steht dreimal in der Woche früh auf, um zur Arbeit in einem Berliner Sozialprojekt zu gehen. Sie ist 72 Jahre alt, also eigentlich Rentnerin. Doch ihre Rente ist so mickrig, dass sie immer noch arbeiten muss, um Miete, Heizung, Versicherungen, Essen zu bezahlen. Die Alternative wäre, zusätzlich zu ihrer Minirente aufstockende Grundsicherung zu beantragen, so wie das aktuell 742.400 Rent­ne­r:in­nen tun. Vor vier Jahren waren es noch 30 Prozent weniger.

Wer nun sagt, was sind schon über 700.000 Betroffene bei über 83 Millionen Ein­woh­ne­r:in­nen in Deutschland, dem sei geantwortet: Es dürfte nicht bei der aktuellen Zahl der Menschen bleiben, die im Alter in die Armut rutschen. Mieten steigen weiter, Brot, Butter, Obst werden teurer, Strom und Gas ebenfalls. Vor 20 Jahren zählte die Statistik knapp 2 Millionen arme und armutsgefährdete Rentner:innen, im vergangenen Jahr waren es bereits 3,4 Millionen.

Rent­ne­r:in­nen gehören mit zu jenen Menschen in der Bundesrepublik, die am ehesten nicht vom eigenen Einkommen leben können. Und die größte Gruppe von ihnen sind Frauen. Das Leben früher hatte für sie in erster Linie die Absicherung durch einen Ehemann vorgesehen, ging die Beziehung in die Brüche, blieben die Frauen ohne finanziellen Rückhalt.

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Wollen Frauen heute nicht das Schicksal ihrer Mütter und Großmütter kopieren, sei ihnen dringend geraten, einen anderen Lebensentwurf als den früherer Generationen zu wählen. Denn der führt nach wie vor direkt in die Altersarmut. Das ist keine neue Erkenntnis – und doch geben Frauen öfter und länger den Job für die Familie auf. Kehren sie in den Beruf zurück, dann meist mit weniger Stunden. Knapp die Hälfte der berufstätigen Frauen hat eine Teilzeitstelle oder einen Minijob.

Nicht selten gezwungenermaßen, weil überall im Land Kita- und Hortplätze fehlen. Ein Land mit ungenügenden Betreuungsangeboten fördert Altersarmut von Frauen. Soll die eingedämmt werden, müssen schnell mehr Angebote her und die sogenannten Frauenberufe besser bezahlt werden. Auch das sind Binsen. Wann ­finden die ein Ende?

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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8 Kommentare

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  • Aktuell bis mittelfristig kommen die Migranten der ersten und zweiten Generation - bei denen die patriarchisch gestaltete Arbeitsteilung die Regel war - ins Rentenalter. Insoweit wird die bereits damals absehbare Entwicklung weiterhin absehbar weiter voran schreiten. Angesichts der steigenden Lebenserwartung bei gleichzeitig niedrigem Eintrittsalter wird sich eine Trendwende frühstens in zwei Generationen bemerkbar machen.

  • Die Dagmar macht halt, was der Linnemann gern möchte und die taz schreibt, was Merz gern möchte. Schaffen für Deutschlands Wohlstand - wer auch immer davon wohl wirklich profitiert.



    Wie wäre es mit einer Rentenreform? RV abschaffen, Steuern erhöhen, Grundrente für alle, zusätzliche private Vorsorge. Ach ja und dann die Pensionen.....

  • "Ehe in die Brüche" und die alten Frauen bleiben alleine?



    Wie passt das mit der Lebenserwartung zusammen?



    Männer sterben einfach einige Jahre früher. In einer Heteroehe ist es dann logisch, dass die Frau übrigbleibt.



    Das steht nicht im Artikel.



    Aber den Aufruf an alle Frauen, für sich zu sorgen, finde ich super! Die Chancengleichheit haben sie schon lange! Wenn eine Frau also die Sache mit "Karriere und Kind" hinbekommt, dann ist sie auch versorgt. Vernunft bei der Wahl der Männer hilft da schon mal viel.

  • Altersarmut ist weiblich, weil immer noch viel zu viele Frauen, sogar Akademikerinnen, jahrelang zuhause bleiben und Jahrzehnte Teilzeit arbeiten, während Männe schaffen geht. Sobald ein Kind da ist, ist Gleichberechtigung kein Thema mehr. Und nach einer Scheidung kommt dann das bittere Erwachen....



    Mädels - aufwachen!

    • @Sandra Becker:

      "Altersarmut ... nach einer Scheidung kommt dann das bittere Erwachen...."



      Ich bin ja jetzt nicht so der Spezialist, aber gibt's bei einer Scheidung nicht sowas wie einen Versorgungsausgleich, bei dem die Ansprüche des Besserverdienenden zum Teil dem Schlechterverdienenden zugeschlagen werden?

  • Na klar. "Die" Altersarmut. Und der Grund dafür ist männlich: "Der" Kapitalismus. Soviel Grammatik verstehen wir schon ;-)



    Leider fällt mir momentan nur noch Zynismus ein zu diesen Themen. Es ist ein Graus, was wir demokratisch gewählt haben. Leiser muss die Minderheit, die die dunkle Seite der Macht nicht gewählt hat, trotzdem darunter leiden, was Imperator Palpatine, Tarkin und Darth Vader jetzt alles anrichten.

  • Ein Appell an die Frauen, hm. Mal ganz praktisch: Selbst wenn die Kinder einen Vollzeit-Hortplatz haben und von 8 - 16 Uhr betreut werden, kommt eine Familie mit zwei Vollzeit-Arbeitenden an ihre Grenzen. Kinder werden krank, verlieren die Freude an der Nachmittagsbetreuung, brauchen Unterstützung in der Schule. Das leistet in meinem Umfeld in aller Regel die Mutter, nicht punktuell, sondern durch Teilzeit. Währenddessen verspüren die Väter Druck und fühlen sich mit der Sorge um die finanzielle Sicherheit allein. Sie nehmen 3,8 Vätermonate und arbeiten weiter 100%. Es gibt Ausnahmen, aber in der Hinsicht leben wir meist noch tief in einer patriarchal geprägten Gesellschaft. Appelle an Frauen gehen an die falsche Adresse und Familien mit zwei Vollzeitern sind nicht die Lösung. Zur Absicherung der Frauen bräuchte es einen frühzeitigen Ausgleich seitens der Männer, gern politisch durch entsprechende Gesetzgebung gesichert.

  • Und schauen Sie sich auch die aktuelle Statistik beim Elterngeld an. Wer.nimmt das überwiegend? Frauen! Die bleiben zu Hause. Männer bleiben im Job. Genau das Gegenteil was das Elterngeld bewirken sollte, nämlich dass Männer zu Hause bleiben im Kinderfall und Frauen gehaltsmäßig aufholen.



    Und wenn man sich dann noch im privaten Umfeld umschaut: 4 Fälle haben wir da: Beide bleiben zu Hause und machen monatelang gemeinsamen Urlaub. Man kann den Frauen nicht helfen.



    Das Gesetz und das Geld dafür kann gespart werden.