Regierungsstreit wegen Energiekrise: Milliarden Euro verzweifelt gesucht
Der Druck auf die Regierung nimmt zu, schnell eine Lösung zur Eindämmung der Energiekrise zu finden. Doch noch ist keine Einigung in Sicht.
![Blick auf eine Wohnsiedlung am frühen Morgen Blick auf eine Wohnsiedlung am frühen Morgen](https://taz.de/picture/5816754/14/31139584-1.jpg)
Der Stadtwerkeverband etwa fordert eine schnelle Entscheidung bei der Gasumlage, der Deutsche Städtetag drängelt, weil er sich die Einführung einer Gaspreisbremse schon viel früher gewünscht hat, und Wirtschaftsorganisationen mahnen zügige Hilfen an. „Den Unternehmen läuft wegen steigender Energiepreise die Zeit davon“, sagte Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik. „Die Bundesregierung sollte schnell eine wirksame Gas- und Strompreisbremse auf den Weg bringen.“
SPD, Grüne und FDP verhandeln über eine Lösung „unter Hochdruck“, wie es hieß. Wann mit einer Einigung zu rechnen ist, ist offen. Die Verschiebung der Bund-Länder-Konferenz zur Energiekrise von diesem Mittwoch auf den 4. Oktober ist ein Indiz dafür, dass der Gesprächsbedarf über weitere Hilfen groß ist. Der Finanzbedarf für die Eindämmung der Energiekrise dürfte in dreistelliger Milliardenhöhe liegen. Die umstrittene Gasumlage, die zur Rettung angeschlagener Energiekonzerne gedacht war, wird mittlerweile von den Regierungsparteien abgelehnt. Dass sie fällt, steht fest – aber nicht, wann und wie die Alternative dazu aussieht. Der Streit um die Finanzierung der 34 Milliarden Euro, die ursprünglich von den Gaskund:innen kommen sollten, ist voll entbrannt. Der Finanzbedarf geht noch weit darüber hinaus. Denn die Bundesregierung will eine Energiepreisbremse einführen, damit aufgrund der explodierenden Strom- und Gaskosten nicht massenhaft Privatleute und Unternehmen finanziell kollabieren.
Die Grünen wollen Geld aus dem Haushalt bereitstellen. „Zur schnellen und geordneten Ablösung der Gasumlage brauchen wir in dieser Notlage eine Finanzierung aus dem allgemeinen Haushalt“, sagte der grüne Bundestagsabgeordnete und Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler. Das würde die Schuldenbremse infrage stellen. Die kann in Krisenzeiten ausgesetzt werden, wegen des enormen Finanzbedarfs in der Pandemie ist das geschehen. Ab 2023 soll sie wieder greifen.
Streit um Schuldenbremse
Die FDP will aber partout daran festhalten. Finanzminister Christian Lindner hat in seinem Ministerium eine Arbeitsgruppe eingerichtet. „Wesentliche Aufgabe des Arbeitsstabs ist es, Finanzierungsinstrumente zu prüfen, die im Einklang mit der Schuldenbremse stehen“, teilte das Ministerium auf Anfrage mit. Medienberichten zufolge soll auch der Rückgriff auf den 177 Milliarden Euro schweren Klimafonds, der für die Finanzierung der Energiewende und den wirtschaftlichen Umbau vorgesehen ist, im Fokus stehen. Dazu äußerte sich das Ministerium nur vage. „Den Ergebnissen der Gespräche können wir nicht vorgreifen“, hieß es.
Sollte Lindner den Klimafonds tatsächlich in Anschlag bringen, gibt es mindestens zwei Probleme: Zum einen ist der Geldbedarf für die klimafreundliche Transformation viel höher als die zur Verfügung stehenden Mittel. Und zum anderen hat die Union eine Verfassungsklage gegen den Fonds eingereicht, weil die Bundesregierung 60 Milliarden Euro an Coronahilfen dort hineingebucht hat. Eine Alternative zum Klimafonds könnte die Bildung eines Sondervermögens sein, das im laufenden Haushaltsjahr gebildet wird.
Die Einführung einer Strompreisbremse hat die Bundesregierung bereits angekündigt. Sie will aber zunächst versuchen, eine Lösung auf EU-Ebene zu finden.
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