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Regierungskoalition in ÖsterreichGrüner Minister zieht Notbremse

In Österreich hat der beliebte Gesundheitsminister Rudolf Anschober seinen Rücktritt erklärt. Er sei „überarbeitet“ und „ausgepowert“.

Winkt bei seinem Rücktritt am Dienstag JournalistInnen zu: Gesundheitsminister Rudolf Anschober Foto: Georges Schneider/photonews/imago

Wien taz | Tritt ein Politiker „aus Gesundheitsgründen“ ab, will er meist nach einem Skandal elegant aus dem Rampenlicht verschwinden. Das kann man Österreichs Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) nicht vorwerfen. Nach dem bereits zweiten Kreislaufkollaps in vier Wochen verkündete er am Dienstag seinen Rücktritt.

„Ich bin überarbeitet und ausgepowert,“ sagte er vor der Presse. Nach 14 Monaten an vorderster Front der Pandemiebekämpfung praktisch ohne einen einzigen Tag Entspannung habe er gemerkt, „da muss ich jetzt für mich eine Notbremse ziehen“. Zunehmende Kreislaufschwäche, steigender Blutdruck, steigende Zuckerwerte und ein beginnender Tinnitus seien Alarmsignale gewesen.

Der 60-jährige Oberösterreicher stand einem Monsterministerium vor, das neben Gesundheit auch für Sozialagenden, Pflege, Konsumentenschutz, Ernährungssicherheit und Tierschutz zuständig ist. Auf all diesen Gebieten hatte er große Pläne, die wegen der Pandemie aufgeschoben werden mussten oder in einem frühen Entwicklungsstadium stecken.

„In der schwersten Gesundheitskrise seit Jahrzehnten braucht die Republik einen Gesundheitsminister, der zu 100 Prozent fit ist“, sagte Anschober: „Das bin ich derzeit nicht.“

Besonnen, konsensorientiert und ehrlich

Der Ex-Lehrer, der als Umweltlandesrat in Oberösterreich fast 17 Jahre politische Erfahrung sammelte, galt mit seiner Besonnenheit, Konsenssuche und Fähigkeit, sich zu eigenen Fehlern zu bekennen, als politischer Widerpart der vor allem um perfekte Inszenierung bemühten türkisen Regierungsmannschaft um Sebastian Kurz.

Anschobers Beliebtheitswerte übertrafen letzten Sommer sogar die des Kanzlers, der danach keine Chance ausließ, ihm am Zeug zu flicken. Nur mit Mühe konnte Anschober den jüngsten Lockdown koalitionsintern durchsetzen.

Nach Morddrohungen stand er seit November unter Polizeischutz, ein zusätzlicher Stressfaktor. Wie gering zuletzt sein Rückhalt beim Koalitionspartner war, zeigt, dass der scheidende Minister das ÖVP-Team bei seinen Danksagungen ostentativ überging.

Nachfolger ist Hausarzt des Bundespräsidenten

Keine drei Stunden später präsentierte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) den Nachfolger. Es ist der Wiener Allgemeinmediziner Wolfgang Mückstein, der ein Mandat der Grünen in der Wiener Ärztekammer innehat.

Der Hausarzt von Bundespräsident Alexander Van der Bellen hatte Ende 2019/Anfang 2020 als Teil des grünen Teams die Kapitel Gesundheit und Soziales im Koalitionsvertrag ausgehandelt.

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