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Regierungserklärung von Olaf ScholzKein Wort des Bedauerns

Scholz nutzt die Bühne des Bundestags, um sein Handeln zu rechtfertigen. Klare Ansagen, wie es weitergeht, macht er nicht – deutet aber zwei Auswege an.

Scholz während Merz' Rede im Bundestag am Dienstagvormittag Foto: Markus Schreiber/ap

Berlin taz | Wer in Zeiten finanzpolitischer Ratlosigkeit im Bundestag auf wegweisende Worte hoffte, wurde am Dienstag enttäuscht. In einer Regierungserklärung ließ der Bundeskanzler offen, ob seine Koalition noch in diesem Jahr mit der Verabschiedung eines rechtzeitigen Haushaltsplans für das Jahr 2024 rechnet.

Oppositionsführer Friedrich Merz nahm die technischen Ausführungen von Olaf Scholz (SPD) zum Anlass für einen Frontalangriff gegen den Kanzler: „Wenn Sie weiter so uneinsichtig sind, dann werden wir alles dafür tun, dass der Spuk mit Ihrer Bundesregierung so schnell wie möglich beendet wird“, sagte der CDU-Chef. Doch in der Frage der Lücke, die im Finanzplan der Bundesregierung wegen der verfassungswidrigen Weiterverwendung von Coronahilfsgeldern klafft, konnte auch die Union keine Antwort präsentieren.

Olaf Scholz nutzt seine 25-minütige Ansprache vor allem zur Rechtfertigung seines Handelns. Die Überlegungen für einen Haushaltsplan sind wohl innerhalb der Regierung auch fast zwei Wochen nach dem Urteil aus Karlsruhe noch nicht so weit gegoren, dass sie vor dem Verfassungsorgan mit der Budgethoheit – dem Bundestag – umrissen werden könnten. Stattdessen zitierte der Kanzler die Großkrisen der vergangenen Jahre und lobte das schnelle Handeln der Regierung – das Wort „Fehler“ nahm Scholz nicht in den Mund.

Das musste später Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge stellvertretend für die gesamte Ampel nachholen. Die Koalition habe die Umbuchungen von Coronahilfen „falsch eingeschätzt“. „Das bedauern wir, das räumen wir jetzt auf“, sagte sie.

Das Wort, das der Bundeskanzler dagegen auffallend häufig gebrauchte, war „richtig“. Richtig sei es gewesen, in der Energiekrise den Unternehmen und Bür­ge­r:in­nen Sicherheit zu geben, richtig seien die Hilfen für die Flutopfer im Ahrtal, richtig sei es gewesen, eine Million Ukrainerinnen und Ukrainer aufzunehmen, und richtig bleibe es, die Ukraine zu unterstützen, das sei von „existenzieller Bedeutung“. Es ist einer der wenigen Sätze, für den der Kanzler auch vereinzelt Applaus aus der Regierungsbank erntet, ansonsten ist seine Ansprache geprägt von lauten Zwischenrufen aus der AfD-Fraktion.

Auch über Zwischenrufe aus der Union muss sich der Kanzler hinwegsetzen, doch Scholz liest seine Rede ab und bleibt stoisch bei seinem Manuskript. Nur so viel: Hätte man gewusst, wie das Gericht entscheidet, „hätten wir im Winter 2021 andere Wege beschritten“, räumte der Kanzler ein.

Damals hatte Scholz den Kniff ersonnen, nicht genutzte Coronanothilfekredite in den Klimafonds umzubuchen. Ein Trick, der es FDP-Finanzminister Christian Lindner ermöglichte, die Schuldenbremse im Kernhaushalt einzuhalten, und dem Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck eine gut gefüllte Kasse für den klimaneutralen Umbau des Landes verschaffte. Doch dieses Verfahren, das wesentlich zur Kompromissfähigkeit der Regierung beitrug, ist durch das Verfassungsgericht beendet worden.

„Mindestens zwei Schuhnummern zu groß“

Was der Bundeskanzler wohl eigentlich sagen will: Wir haben alles richtig gemacht und hätten nicht ahnen können, dass das Verfassungsgericht einen Strich durch die Rechnung macht. Es ist dieser Stil, der Merz auf die Spitze bringt. „Sie sind ein Klempner der Macht. Ihnen fehlt jede Vorstellung davon, wie dieses Land sich in den nächsten Jahren weiterentwickeln soll“, warf der Unionsfraktions­chef vom Rednerpult dem Kanzler zu. Scholz habe „rein technische Antworten auf eine hochpolitische Entscheidung“ vorgetragen.

Merz zog weiter gegen Scholz vom Leder: „Spätestens nach dieser Regierungserklärung muss man feststellen, Sie können es nicht. Die Schuhe, in denen Sie stehen als Bundeskanzler, sind Ihnen mindestens zwei Schuhnummern zu groß.“ Unter Johlen der Unions- und AfD-Fraktion griff der CDU-Chef auch Habeck an, nachdem dieser ihm auf dem Parteitag der Grünen am Wochenende vorgeworfen hatte, in den 90ern stecken geblieben zu sein. „Wir hatten in den 90ern Wirtschaftsminister auf der Regierungsbank sitzen, die wirklich etwas von Wirtschaftspolitik verstanden haben“, so Merz in Richtung von Habeck.

Doch es bleibt beim reinen Schlagabtausch. In der jetzigen Situation scheint der Union nicht daran gelegen, der Regierung aus der Krise zu helfen. Auch wenn die haushaltspolitischen Fragen, die durch das Urteil in Karlsruhe aufgeworfen wurden, die unionsgeführten Bundesländer ähnlich betreffen.

Fast schon beiläufig wurde Olaf Scholz während seiner Ansprache an einer Stelle konkreter: Der Kanzler kündigte an, dass die Gas- und Strompreisbremse zum Jahresende auslaufe. „Denn inzwischen sind überall in Deutschland wieder Strom- und Gastarife verfügbar, die zwar deutlich höher liegen als vor der Krise – meist aber unterhalb der Obergrenzen, die wir mit den Preisbremsen gezogen hatten.“ Ein Entschluss, der von Verbraucherschützern prompt kritisiert wurde. Energiepreisbremsen seien von der Bundesregierung fest bis Ende März 2024 zugesagt und vom Bundestag beschlossen worden, erklärte der Bundesverband der Verbraucherzentralen.

„In Ihrem Alltag ändert sich nichts“

Der Kanzler versuchte der Verunsicherung vor Ort entgegenzutreten, indem er an die Bürgerinnen und Bürger gerichtet versicherte: „In Ihrem Alltag ändert das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nichts – völlig unabhängig davon, ob Sie Kindergeld oder Bafög bekommen, eine Rente oder Wohngeld.“

Kanzler Scholz bereitete die Öffentlichkeit aber schon einmal darauf vor, dass der Haushalt 2024 möglicherweise erst im nächsten Jahr verabschiedet werden könne. Doch auch selbst innerhalb der SPD schien es zum Vorgehen für den kommenden Haushaltsplan unterschiedliche Ansichten zu geben. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich sprach sich dafür aus, den Finanzplan für 2024 noch in diesem Jahr zu verabschieden.

Auch im Interesse der Sozialverbände sei dies geboten, die ansonsten Mit­ar­bei­te­r*in­nen entlassen müssten. Auch in Fragen der Schuldenbremse schlug Mützenich wiederholt andere Töne an als der Kanzler. Im Gegensatz zu Scholz forderte der Fraktionsvorsitzende im Bundestag eine Reform der Schuldenbremse. „Eine wahllos herausgegriffene Größe“ in der Schuldenquote dürfe nicht zu Monstranz werden, so Mützenich.

Scholz sagte, die Bundesregierung arbeite nun intensiv daran, alle Beschlüsse so schnell wie möglich zu treffen. „Denn die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen brauchen in unruhigen Zeiten Klarheit.“ Klarheit, die der Bundeskanzler ihnen an diesem Dienstag­morgen nicht geben konnte.

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15 Kommentare

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  • Kein Wort des Bedauerns - natürlich nicht. Was hätte denn der Bundesolaf auch anderes machen sollen? Wir haben eine Ampelkoalition, in der alle Parteien ihren Wählern das Blaue vom Himmel versprochen - mehr Soziales, mehr Geld fürs Klima, weniger Steuern. Das passt so nicht zusammen und da hat man nun versucht über die Umwidmung der Coronakredite eine Lösung zu finden. Hätte ja klappen können. Jetzt muss man dem Wähler reinen Wein einschenken und das heißt weniger Geld fürs Klima und weniger Geld für Soziales und auch höhere Steuern.

  • Umbruchzeiten!



    Es ist Krieg und auch in Europa, die Erde heizt sich immer weiter auf und das 1,5 Grad Ziel liegt in weiter Ferne, technologisch beschert uns die KI einen nie vorher dagewesenen Umbruch. Man könnte meinen es gäbe nichts Wichtigeres als sich diesen Umbruchzeiten zu stellen, aber da hat sich der Bürger wohl schwer getäuscht.

    Die Schwarze Null ist das Wichtigste in den Top politischen Deutschen Kreisen. Selbst in der BBC ist von Volkswirtschaftlern ein tiefes Kopfschütteln zu vernehmen, wie man sich so selbst fesseln kann bei einer Staatsverschuldung von 67% des Bruttoinlandsproduktes? Kein Vergleich mit Japan das mit über 200% an der Spitze liegt oder die USA mit über 100%. Und bei keinen dieser Länder wäre bekannt , das die Rendite für deren Schuldverschreibungen stark gestiegen wäre.

    Die Bundesrepublik als stärkste Wirtschaft innerhalb der EU ist bei Investitionen nicht nur als Zugpferd für



    für die gesamte EU gefordert, wird nicht Investiert fällt die EU und nicht zuletzt die Bundesrepublik weit hinter anderen Wettbewerbern zurück. Und es sind gewaltige Summen notwendig um den Umbruch zu stemmen.



    Das Gelaber über Einsparungen, auch noch am Sozialhaushalt, wo jeder Arbeitskraft mit möglichst guter Bildung



    dringend benötigt wird, trifft die die Dimensionen des Investitionsbedarfs nicht im Mindesten. Im Gegenteil,



    die Spannungen und Unsicherheiten würden noch größer und es ist letztlich nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, was den Bedarf eher konterkariert.

    Wir erleben einen Oppositionspolitiker der noch hilfloser agiert in seiner schon erwarteten Hilflosigkeit, eingebettet in einen Herrn Söder der bei Lanz redet wie der Vizekanzler und in seinen Kreisen wie Wolfgang Schäuble, einen Finanzminister der sich mit der Schwarzen Null verhaspelt hat.







    Wer hat nun den Mut den großen "Wumms" in die Tat umzusetzen? Oder siegt das Provinzielle wie immer schon,



    die die von Taugenichtsen reden und die Schwarze Null hoch und runter beten?

    • @Thomas Rausch:

      Vieles in ihren Aussagen ist richtig. Diese Regierung hätte aber auch die Möglichkeiten gehabt, den Notfall direkt auszurufen, kaum jemand hätte an der Notlage gezweifelt, und - wie jetzt - die Schuldenbremse ausgesetzt. Aber nein, Scholz, Habeck, Lindner und Co haben es wieder mal mit Tricks versucht. Das ist Regierungsversagen. Und dann nicht mal die Größe zu haben, die Verantwortung zu übernehmen, sondern die Schuld beim Urteil zu sehen, ist nicht nur peinlich, sondern zeigt - wie auch schon das Verhalten im CumEx Skandal - dass der Kanzler sich über dem Gesetz sieht. Wer so agiert, ist nicht geeignet, das Land in diesen komplizierten Zeiten zu führen. Auch das können sie in fast allen Presseartikeln im Ausland lesen.

      Und die Wiederholung des Mantras, wir wären die stärkste Wirtschaft in der EU macht es nicht wahrer. Wir sind die Wirtschaft in der EU, die sich reich rechnet, da wir nicht in Infrastruktur investieren. Wir garantieren Kindergartenplätze, und tun nichts, damit diese dann auch da sind. Wir haben eine disfunktionale Infrastruktur, bei der weder die Bahn funktioniert, noch die Brücken langfristig gesichert sind. Die Bürokratie ist nicht mehr funktionsfähig, die Rente ist am unteren Rand in der EU, die Eigentumsquote von Wohnungen auch... Rechnen sie mal diese Kosten ein, dann kommen sie zu ganz anderen Ergebnissen.

      Ob in der Opposition Taugenichtse sitzen? Kann sein. Sicher ist, dass in der Regierung TaugenichtInnen tätig sind.

    • @Thomas Rausch:

      Geiler Kommentar !!!

      "die die von Taugenichtsen reden und die Schwarze Null hoch und runter beten?" ... und wie eine Monstranz vor sich her tragen (der CSU Landesgruppenvorsitzende hat den Vorwurf von R. Mützenich* an die CDU mit dem Grundgesetz verwechselt, welches die CSU-Ikone Strauß selbstverständlich nicht tagaus tagein mit sich herumtragen konnte).



      CDU ganz schwach



      Afd, wie gewohnt, zum Vergessen.

      *Etwas verwundert stelle ich fest, dass die nach meiner Meinung wirklich gute Rede von R. Mützenich in den Medien kaum Beachtung findet.

  • „In Ihrem Alltag ändert das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nichts – völlig unabhängig davon, ob Sie Kindergeld oder Bafög bekommen, eine Rente oder Wohngeld.“

    Hält der Kanzler "sein" Volk für so doof, im das zu glauben?



    Oder hat er schon wieder drüber nachgedacht, wann er diesen Satz wohl vergessen haben wird. Eine seiner leichtesten Übungen.

    Ein Kanzler, ehemals Finanzminister, der vom Bundesrechungshof vorgewarnt war, und dann ernsthaft Sätze absondert wie:



    "Hätte man gewusst, wie das Gericht entscheidet, „hätten wir im Winter 2021 andere Wege beschritten“ ist absolut unhaltbar.

  • Überschrift =>

    Regierungserklärung von Olaf Scholz:



    Kein Wort des Bedauerns

    Inhalt bzw Text =>



    „So, wie wir es gemacht haben,



    ging es nicht. Und das bedauern wir.“

    ??

    • @StSx:

      Er bedauert, dass er mit dem Gemauschel und dem Verstoß gegen geltendes Recht nicht durchgekommen ist. Er bedauert nicht, dass er auf die warnenden Stimmen nicht gehört hat und damit das Land ins Chaos stürzt.

      Schade, dass nur Frau Dröge Anstand genug hat, die "Fehleinschätzung" zu bedauern. Kein Wort von Habeck, Lindner, oder andren Mitmauschlern.

      Mein Respekt gebührt hier Frau Dröge, die einmal mehr Rückgrat bewiesen hat, eine Eigenschaft, die Herrn Scholz offensichtlich gänzlich abgeht.

    • @StSx:

      Sie haben da etwas missverstanden

    • @StSx:

      Das Zitat des Bedauerns ist von Katharina Dröge. Scholz findet, dass er alles richtig gemacht hat, aber dass halt am BVerfG lauter Idioten sitzen (Hat er so nicht gesagt, kam aber zwischen den Zeilen recht deutlich rüber)

    • @StSx:

      OS bedauert, dass es nicht ging.



      OS bedauert nicht, dass er das so gemacht hat.

    • @StSx:

      Das Zitat ist ja nicht von Scholz!

  • Herr Merz hat eine über große Strecken polemische, teils beleidigende Rede gehalten. Er hat nicht einen diskussionswürdigen Vorschlag unterbreitet. Am Schluß ließ er noch durchblicken, wenn die Ampel alles so mache, wie Herr Merz das möchte (wie wir wissen, sind weite Teile der CDU nicht auf seiner Linie) könne man mit ihm reden.

    • @LeKikerikrit:

      Das ist sein gutes Recht in der Opposition. Wenn die Regierung es hinbekommen würde einen verfassungskonformen Haushalt hinzulegen bestünde das Problem gar nicht.

    • @LeKikerikrit:

      Herr Merz war weder polemisch und erst recht nicht beleidigend. Sondern knallhart, konkret und hat den Finger mitten hinein gelegt in die katastrophale Ampelblase politischer Ahnungslosigkeit. Und warum bitte soll die Opposition einen diskussionswürdigen Vorschlag machen, wenn von unserem Kanzler in seiner Regierungserklärung nichts, nada nullkomma garnichts kommt.

  • Wer von Scholz ernsthaft klare Worte oder die Ansage eines Plans erwartet hat, muss mindesten die letzten zwei Jahre hinter dem Mond verbracht haben. Scholz, der Meister des juristisch geschliffenen Nichtssagens.