Reform des Wahlrechts: Parität ist ein Gebot der Zeit
In den deutschen Parlamenten und Rathäusern sitzen eindeutig zu wenige Frauen. Und das liegt nicht an mangelnder Kompetenz
D ie Floskeln „historische Chance“ und „kleines Zeitfenster“ fielen in den vergangenen Monaten immer dann, wenn von der Wahlrechtsreform die Rede war. Durch die Reform soll der durch Überhang- und Ausgleichsmandate zu groß gewordene Bundestag verkleinert werden: von aktuell 735 auf 598 Sitze. So zumindest sieht es ein Entwurf der Ampelkoalition vor. Diesen lehnen CDU und CSU ab und legen einen eigenen Vorschlag vor. Kurz und gut: Die Debatte um die Reform wird wohl noch eine Weile weitergehen.
Nicht zur Diskussion stehen darf jedoch der Frauenanteil im künftigen Parlament. So sieht das ein Bündnis von Frauen- und Gleichstellungsorganisationen, das sich seit Jahren für eine Parität in den Parlamenten einsetzt – sowohl im Bundestag als auch in den Landes- und Kommunalparlamenten. Angesichts des Frauenanteils – lediglich 35 Prozent der Bundestagsabgeordneten sind weiblich, in den Landesparlamenten sind es gerade mal 27 Prozent, und nicht einmal 12 Prozent der Oberbürgermeister:innen sind Frauen – ist das zwingend.
Dabei machen Frauen die Hälfte der Bevölkerung aus. Es ist also ungerecht, dass Frauen in den politischen Organen nicht so vertreten sind, wie es angemessen wäre: zur Hälfte. Aber eine Parität in den Parlamenten praktisch zu erreichen ist schwieriger, als es theoretisch klingt. Da sind einerseits die Parteien, die sich vielfach nicht vorschreiben lassen wollen, wen sie aufstellen – eigene Frauenquoten hin oder her. Und da sind andererseits die Bürger:innen, zur Hälfte bekanntlich weiblich, die in der Wahlkabine nicht unbedingt ihr Kreuz bei einer Frau machen. Das wäre auch absurd, schließlich sollten die kompetentesten Politiker:innen ins Parlament einziehen.
Aber viele Frauen können ihre Kompetenz nicht zeigen – weil sie erst gar nicht zum Zuge kommen. Weil vielleicht ein „altgedienter Hase“ wieder auf Listenplatz 1 landet. Und darunter noch ein Mann. Und dann wieder einer. Nun gibt es zahlreiche Vorschläge, um einen höheren Frauenanteil zu erreichen – von quotierten Listen über finanzielle Anreize bei Nominierungen von Frauen und negativen Konsequenzen bei zu wenig aufgestellten Frauen bis hin zur „paritätsabhängigen Mandatszusteilung“. Die besagt, dass auf den Listenplätzen ebenso viele Frauen berücksichtigt werden müssen wie auf den ersten Plätzen der Direktmandate, wenn diese alle an Männer gehen.
Wie fragil solche Ideen sind, zeigen die abschlägigen Gerichtsurteile für ein Paritätsgesetz in Thüringen und Brandenburg. Und dennoch: Parität ist eine Frage der Gleichberechtigung und somit ein Gebot der Zeit. Dann enden hoffentlich auch die sexistischen Vorwürfe gegen Ministerinnen, die im Amt versagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht