piwik no script img

Reform des StraßenverkehrsgesetzesPositives aus dem Hause Wissing

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Selbst Volker Wissing, Minister für Brummbrumm, schafft es, ein besseres Straßenverkehrsgesetz entwerfen. Warum entwickelt sich gerade Berlin zurück?

Geht doch: manchmal gehört die Berliner Hermannstrasse den Radfahrern Foto: Jens Gyarmaty

A llmorgendlich auf den Straßen Berlins: Stoßstange reiht sich an Stoßstange, Gehupe, wenn das erste Auto an der gerade auf Grün geschalteten Ampel nicht sofort mit Vollgas losprescht. Zebrastreifen werden von Autofahrer:innen, die in der Regel allein in ihrem Wagen sitzen, gern ignoriert, Radwege oft zugeparkt, Fahrradstraßen noch zu oft von Autos als Durchfahrtschneisen missbraucht.

Auch jede andere deutsche Großstadt kennt das: Es gibt zu viel motorisierten Individualverkehr und zu wenig Platz und Sicherheit für Fahr­rad­fah­re­r:in­nen und Fußgänger:innen. Kurz: Zu starker Autoverkehr ist laut, teuer, gefährlich und verschwendet wertvolle Ressourcen.

Wollen Kommunen ihre eigene lokale Verkehrswende betreiben – hin zu mehr Radwegen und Fußgängerbereichen und zu weniger Autoparkplätzen –, steht ihnen bisher das Straßenverkehrsgesetz im Weg. Das verhindert, grob zusammengefasst, unkomplizierte und rasche Eingriffe auf Straßen und Wegen zugunsten von Fußgängerpassagen, verkehrsberuhigten Zonen und Radverkehr.

Diesen ökologischen, ökonomischen und sicherheitstechnischen Irrsinn soll nun das reformierte Straßenverkehrsgesetz ändern – so das Kabinett dem Entwurf aus dem Verkehrsministerium am Mittwoch zustimmt.

Man könnte es positiv wenden

Nimmt der Gesetzentwurf tatsächlich auch die parlamentarischen Hürden, ist das ein Erfolg sowohl für Menschen, die sich verstärkt ohne Auto bewegen, als auch für progressive Verkehrsverbände. Und es ist eine Schlappe für die Auto­fah­rer:in­nen­lobby.

Wie konnte das passieren? Ein Gesetzentwurf aus dem Hause Wissing, dem Minister für Brummbrumm und alles Motorgetriebene? Man könnte es positiv wenden: Na bitte, geht doch. So auf den Hund gekommen ist die Ampel doch nicht. Auch wenn der FDP-Minister nur dieses Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umsetzt.

Das ist – so unkonkret ist das modernisierte Gesetz dann doch – zunächst nicht mehr als die theoretische Grundlage für praktische Verbesserungen für Rad­fah­rer:in­nen, Fuß­gän­ge­r:in­nen, Stadt­pla­ne­r:in­nen. Dafür muss nämlich auch noch die Straßenverkehrsordnung modernisiert werden.

Zurück nach Berlin. Hier dauert es ungefähr sieben Jahre, bis ein Zebrastreifen genehmigt ist. Das neue Gesetz hilft da auch nicht weiter – denn Berlin macht in der Verkehrspolitik gerade eine Rolle rückwärts. Die aktuelle Große Koalition hat alle Planungen für mehr Radwege gestoppt. Es dürfe kein einziger Autoparkplatz und auch keine Fahrspur wegfallen, teilte die CDU-Verkehrssenatorin mit. Sie darf sich auf das Hupen von Fahrrad- und Umweltverbänden schon mal einstellen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
Mehr zum Thema

22 Kommentare

 / 
  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    "Niveau wo bist du nur hin -.-"



    Hat sich versteckt. Zwischen den Zeilen.

  • "Wollen Kommunen ihre eigene lokale Verkehrswende betreiben – hin zu mehr Radwegen und Fußgängerbereichen und zu weniger Autoparkplätzen –, steht ihnen bisher das Straßenverkehrsgesetz im Weg. "

    Na. Es gibt das illegale aufgesetzte Parken. Im rot-grün-roten Bremen ist man erfolgreich dagegen vorgegangen.



    Allerdings nicht seitens der Kommune. Der Bremer Senat musste von Gerichten dazu getrieben werden. www.butenunbinnen....en-parken-100.html

  • Volker Wissing, Minister für Brummbrumm?



    Ist Robert Habeck dann der Minister für Heizheiz und Olaf Scholz der Kanzler für Vergessenvergessen?



    Niveau wo bist du nur hin -.-

    • @Farang:

      Hmm, Habeck ist nur dann der Minister für HeizHeiz, wenns um Heiße Luft geht, ansonsten eher für Murks,Murks ;-)

  • Wir wollen jetzt die FDP aber nicht über den Klee loben.

  • "Zebrastreifen werden von Autofahrer:innen, die in der Regel allein in ihrem Wagen sitzen, gern ignoriert, Radwege oft zugeparkt, Fahrradstraßen noch zu oft von Autos als Durchfahrtschneisen missbraucht."

    Ach ja, wovon träumen Sie nachts? Keines dieser Dinge habe ich in den letzen 10 Jahren missachtet. Vielleicht liegt es daran, dass ich Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger in einer Person bin.



    Was mich nervt sind völlig überhöhte Parkgebühren- z.B. Moabit, zu wenig Parkplätze - baut mehr Parkhäuser - 1 €/h.

    • @M. Stockl:

      Ich würde Ihnen nochmals ans Herz legen ein startup mit crowdfunding zum Zwecke der Parkraumbeschaffung zu initiieren.

      Und nehmen Sie bitte die arg pauschale Kritik an den Autofahrenden nicht persönlich, selbstverständlich sind Engel immer ausgenommen.

    • @M. Stockl:

      Hab ich nicht gemacht, also gibt es das nicht!

      Warum nicht 50cent/h fürs parken?

    • 4G
      49732 (Profil gelöscht)
      @M. Stockl:

      Sie sind die letzten 10 Jahre in Tempo 30 Straßen immer 30 gefahren, nicht 33 oder 37 Km/h? Wow, sehr glaubhaft!

    • @M. Stockl:

      Vorschlag: Parkflächen/Häuser an den Stadtrand, Parkgebühren in der Innenstadt mind. verdreifachen, Ausnahme nur für Behinderte.

      Dafür ÖPNV ausbauen + kostenlos machen.

      • @sociajizzm:

        Guter Vorschlag!



        Zusätzlich noch Wegziehen in die Vorstadt ins Haus mit eigener Doppelgarage.



        Einkäufe über den Amazonas bestellen und gemütlich mit dem eigenen PKW ins Einkaufszentrum außerhalb der Metropolen fahren.



        Dann klappts auch mit den verschiedenen Verkehrsträgern.



        So haben wir es gemacht.

    • @M. Stockl:

      Geil, "ich war das nicht deshalb gibt es das nicht". Und deshalb darf ich billiger parken. Wollen wir am grossen Stern vielleicht dieses komische Denkmal durch ein Parkhaus ersetzen? Da will man doch bestimmt das erste mal günstig parken, wen man von Moabit kommt.

  • Auch als Autofahrer habe ich ein Interesse an sicheren Radwegen. Da sich noch niemand gefunden hat der weiß wie es geht (jedenfalls in Hamburg), finde ich ein Stop der Umbaumaßnahmen nicht verkehrt.

    • @Jemandzuhause:

      Wenn Sie nicht auf Radfahrer Rücksicht nehmen können bedeutet das nicht,das keine Radwege mehr gebaut werden können, sondern das Sie ihr Auto in der Stadt nicht mehr bewegen werden.

  • Ich bin Radfahrer, Fußgänger, Wanderer, Autofahrer, Zugfahrer. Ich denke das trifft für viele Menschen zu. Dieses Ausspielen und gegeneinander aufhetzen von verschiedenen Gruppen, die oft ein und dieselben Personen sind, geht mir wirklich auf die Nerven. Es ist nicht so, daß man immer nur das eine oder andere ist. Ich möchte ein Miteinander und nicht ein Gegeneinander.

    • @Nobodys Hero:

      danke, es tut gut auch mal etwas vernünftiges zu dem thema zu lesen. mehr rücksicht, mehr vorsicht, mehr achtung und verständnis für anderen im strassenverkehr fehlt leider viel zu oft.

    • @Nobodys Hero:

      Momentan ist das Auto gegen die Interessen der Fahrräder gerichtet und mit zu viel Platz bedacht. Sprich für ein Miteinander muss das Auto mindestens die Hälfte vom Platz abgeben,dann entsteht ein Miteinander.

  • @TONI ZWEIG

    Gähn. Die bösen Radfahrer. Das ist nur eine billige Ablenkung davon, wieviel Schaden der Autoverkehr in der Stadt anrichtet.

    Verstehen Sie mich nicht falsch. Auch unter Radfahrern gibt es Arschlöcher. Aber es gibt ein viel dringenderes Problem zu lösen. Danach können wir das andere angehen.

    Ihres hört sich fast wie Strategie der Autoindustrie: den Gegner spalten. Billig.

  • Es ist durchaus nicht so, wie hier suggeriert wird, dass zu Fuß gehende Menschen und die, die zudem auch Öffentliche nutzen, gleiche Interessen wie Radfahrende hätten. Es wird systematisch verkannt, dass, gerade in Berlin, regelbasiertes Radfahren leider nicht die Norm ist. Und Menschen auf oder in Gefährten, die schneller sind als Fußgänger, sind für diese potentiell gefährlich.

    • @Toni Zweig:

      Als nicht elekzrisierter Fahrradfahrer der täglich die Stadt durchquert zur arbeit, möchte ich Fahrradwege die größtenteils getrennt von Fußgängerwegen sind. Ein Fahrrad ist als zielgerichtetes Verkehrsmittel einfach zu schnell und viele Fahrradwege zu nah an den Fussgängern.

    • @Toni Zweig:

      ... insbesondere, wenn die Gefährte in motorisierter Rammbockform auftreten und der/die Rammbockende*n Blickkontakt ausschließlich mit Ihrem digitalen Endgerät halten.

      • @0 Substanz:

        stimmt, hatte ich heute gleich zwei mal. eine frau mit smartphone vor der nase semmelt mit ihrem lastenrad dem vordermann hinten drauf, gleich danach ein zusteller auf post ebike trike, kopf zur seite gedreht, gestikulierend mit irgendjemanden. fährt knapp einen fussgänger um, kopf immer noch zur seite hält auf mich zu. ich habe an einem cafe gesessen, ich rufe noch: kiek nach vorne...er bekommt noch die kurve, hält an und blöckt: wat willste?