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Rechtsruck in SchwedenHistorischer Schock

Reinhard Wolff
Kommentar von Reinhard Wolff

Die Schwedendemokraten hatten viele Helfer, darunter die planlosen Sozialdemokraten und die Konservativen, die sie erst salonfähig gemacht haben.

Am Tag nach der Bekanntgabe ihres Rücktritts: Magdalena Andersson in Stockholm Foto: Pontus Lundahl/TT /imago

M it dem amtlichen Endergebnis steht es nun fest: Schwedens Parlamentswahl ist ein historischer Schock und ein folgenreicher Umbruch, der die schwedische Politik in den kommenden Jahren prägen wird.

Zentral dafür ist natürlich die Entscheidung von Konservativen und Christdemokraten, das bisherige Übereinkommen aller Reichstagsparteien zu brechen, auf nationaler Ebene niemals mit einer rechtsextremen Partei zusammenzuarbeiten. Das nunmehrige Bündnis mit den Schwedendemokraten kostete diesen Parteien ganz entgegen ihren eigenen Erwartungen nun erst einmal selbst Stimmen und katapultierte die rechtsextreme Partei auf über 20 Prozent.

Dass die Schwedendemokraten jetzt vor Selbstvertrauen kaum laufen können und glauben, ihre Forderungen immer höher schrauben zu können, zeigen Stellungnahmen führender Parteivertreteren anlässlich der ersten Regierungssondierungen. Ob Schwedens rechte Parteien denn auf dem Weg der US-Republikaner sind, fragen besorgte Kommentatoren bereits. Erst die Hoffnung radikale Kräfte kontrollieren zu können, um dann von diesen geschluckt zu werden?

Man darf aber nicht übersehen, dass auch die Sozialdemokraten ein erhebliches Maß an Mitschuld an der Stärkung der Schwedendemokraten tragen. In der Auseinandersetzung mit diesen beließ man es vorwiegend bei moralischen Appellen: Eine Partei mit solcher Vergangenheit und mit rassistischer Agenda sei einfach nicht wählbar. Warum nicht stattdessen ganz konkret deren wirtschafts- und sozialpolitische Vorstellungen zerpflücken? Damit ließe sich nämlich sehr gut zeigen, wie sehr die praktische Politik dieser Partei im Widerspruch zu den Interessen der Wähler steht.

Die Folgen einer nahezu ausschließlich auf die Person Magdalena Andersson zentrierten Wahlkampagne und der Verzicht auf eine eigene Reformagenda sind bei den Sozialdemokraten klar zutage getreten. Unter Arbeitslosen wurden die Schwedendemokraten stärkste Partei. Je weiter weg von den größeren Städten man kommt, wo die Menschen sich mit ihren Alltagsproblemen alleingelassen fühlen und die soziale Infrastruktur immer weiter abgebaut wird, desto besser sind deren Resultate. Im einst roten Nordschweden kehrten die Wähler in Scharen den Sozialdemokraten, aber auch der Linkspartei den Rücken.

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Reinhard Wolff
Auslandskorrespondent Skandinavien und das Baltikum
Lebt in Schweden, schreibt seit 1985 für die taz.
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21 Kommentare

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  • "Damit ließe sich nämlich sehr gut zeigen, wie sehr die praktische Politik dieser Partei im Widerspruch zu den Interessen der Wähler steht."

    Man könnte aber auch mal selbstkritisch sein und überlegen ob die eigene praktische Politik im Widerspruch zu den Interessen der Wähler steht.



    Natürlich sind die Interessen der Wähler und das was wirklich gut für sie ist nicht unbedingt deckungsgleich. Es ist das Grundproblem einer jeglichen Demokratie,das einfach jeder wählen kann,ungeachtet seiner intellektuellen Kompetenz. Es wird Zeit analog der Fahrerlaubnis , eine Wahlbefähigungsbescheinigung einzuführen,die erst nach erfolgreicher Eignungsprüfung ausgestellt wird.



    So wird sichergestellt das nur diejenigen wählen ,die A)überhaupt wissen was sie tun und somit B)wissen wer zu wählen ist und wer nicht.



    Das garantiert auch eine stabile Regierung über viele,viele Wahlperioden hinweg.



    Nur so kann man den Populisten das Wasser abgraben! ;-)



    Brecht hat auch was zu dem Thema geschrieben: Die Lösung (www.deutschelyrik.de/die-loesung.html)

    • @Mustardmaster:

      so wurde das in derDDR auch gemacht, nur erfolgte die Korrektur der Falschwähler nachgeschaltet. So blieb wenigstens das Gefühl der Selbstwirksamkeit beim Wähler erhalten. Und das ist essentiell in einer Demokratie...

      *Ironie/Zynismus wieder aus

  • Berichterstattungen entnehme ist, dass die große Mehrheit der schwedischen Bevölkerung sich eine 'striktere' Einwanderungs- und Migrationspolitik wünscht.

    Das war das zentrale Thema der Wahl - ob gerechtfertigt oder nicht. Die Rechten (und die konservativen Trittbrettfahrer) konten damit Punkten.

    Wir sollten uns hüten den Grund für den Zugewinn der Rechtspopulisten irgendwo anders zu suchen. Denn damit überlassen wir das Thema den Rechtspopulisten

    • @Benzo:

      Regulierungen im Bereich der Zuwanderung sind nun mal ein rotes Tuch für links und liberal. Damit ist es zwangsläufig ein Thema für rechts.



      Und eine Mitverantwortung sehe ich schon bei den anderen Parteien, vor allem den Sozialdemokraten, wurde doch eine Einwanderung ermöglicht (was löblich ist) aber dann die Einwanderer sich selbst überlassen. Einwanderer arbeiten in Billigjobs, Einwanderer halten die Altenpflege mit ihren Dumpinglöhnen am laufen, mußten während Corona den Kopf hinhalten, als Alterpfleger, Pizzafahrer etc. wären sich die Mittelschicht so gut es ging "eigenverantwortlich" in Isolation begeben konnte.



      Die Ghettoisierung in Hochhaussiedlungen (natürlich nicht durch Zwang, sondern als Ergebnis der sozialen und finanziellen Ausgrenzung der Einwanderer) die Bildung von Jugendgangs mit regelmäßigen Gewaltausbrüchen schafft eine Ablehnung in der schwedischen Bevölkerung, die gepaart mit den eigenen Nöten eben doch recht oft bei den SD endet.



      Schweden ist bei weitem kein sozial verwahrlostes Land, es gibt aber viele Nöte die von der Politik nur mit Floskeln beantwortet werden und da sind die Sozialdemokraten, als Hauptregierungspartei der letzten Regierungsperioden eben schon in der Verantwortung.



      Schweden ist übrigens ein Land mit einer enormen Pro Kopf Verschuldung, der Alltag wird bei vielen durch Kredite finanziert, ein Konstrukt, das bei stabilen Verhältnissen gut funktioniert hat, aber eben sehr schnell ins Wanken gerät, wenn sich die finanziellen Verhältnisse ändern. Was mir immer ins Auge springt ist, dass Werbung im TV und Radio zu gefühlt 50% aus Werbung für Kreditumschuldungen und Glücksspiel besteht. Da wird schon was dahinter stecken....

  • 0G
    04405 (Profil gelöscht)

    Anderen Kommentatoren - auch hier in der taz - zufolge gehe der Erfolg der Schwedendemokraten fast vollständig auf Protestwähler zurück. Wenn die Schwedendemokraten also mitgeholfen hätten, dann dadurch, große Teile der Bevölkerung in ihrer Politik entweder "nicht mitgenommen" zu haben oder gleich gar nicht bedacht zu haben.

    Was also hätte es gebracht, sich an den Schwedendemokraten moralisch oder inhaltlich abzuarbeiten? Populisten leben von Unzufriedenheit, nicht von Argumenten. So wie auch die AfD in Ostdeutschland.

    • 0G
      04405 (Profil gelöscht)
      @04405 (Profil gelöscht):

      entschuldigung, es muss heißen "wenn die Sozialdemokrate mitgeholfen hätten, dann (durch ihre Fehler in der Regierung)"

  • Das war doch in Deutschland auch nicht anders. Statt sich mit den unsozialen, weil zutiefst neoliberalen Inhalten der ehemaligen Lucke-Partei zu beschäftigen, ging es erst nur um den Euro und Griechenland und dann schließlich um Flüchtlinge, Flüchtlinge Flüchtlinge. Das hat die AfD stark gemacht. Hätte man sie totgeschwiegen oder zumindest den asozialen Kern des Parteiprogramms entlarvt, wäre die AfD ein bedeutungslose Splitterpartei geblieben.

  • 6G
    659975 (Profil gelöscht)

    Alle sind schockiert.



    Aber warum?



    War das nicht absehbar?



    Nicht nur in Schweden, sondern auch bei uns.



    Die etablierten Parteien versagen und die Verwaltung verkommt zum Teil immer mehr zum Selbstversorgungszentrum dieser Parteien.



    Bei allem Unverständnis, wie man AfD oder Schwedendemokraten oder Trump, Le Pen, Salvini etc. wählen kann....es gibt Gründe und die müssen ernst genommen werden.



    Das Wahlvolk zu beschimpfen, weil es eine Wahlentscheidung getroffen hat, die anders ist, als es sich die an der Macht befindlichen Alt- Parteien gewünscht hätten, ist der falsche Weg.



    Erster Schritt: Bildung! Bildung!Für alle!



    Zweiter Schritt: Selbstbedienung der Parteien aus der Steuergeldkasse abschaffen.



    Dritter Schritt: Spenden an Parteien nur noch aus dem Inland und nur von Privatpersonen.



    Unternehmen / Firmen können keinen politischen Willen haben und daher auch nicht Spenden dürfen. Wenn der Chef dies will, soll er es gefälligst aus seinem Privatsäckel machen.

    Und: Kommunikation und Ehrlichkeit.

    • @659975 (Profil gelöscht):

      sehr richtig!



      und ganz wichtig, das Menschen von ihren Löhnen leben können müssen und keine Angst ahben sollten bald nicht mehr dazuzugehören.

  • Bei unseren dänischen Nachbarn gibt es ja eine ähnliche Partei, die Dansk Folkeparti.

    Die wurde auch immer stärker, bis sie bei den Wahlen 2015 21% holten und eine Koalition aus Liberalen und Konservativen in der Regierung stützten. Dabei wurde dann klar, das die DF, wie viele Rechtspopulisten auch, auch viele Probleme keine schlüssige Lösung haben und viel Stuß erzählen.

    Bei den Wahlen zum Folketing stürzte die DF auf 8,7% ab, bei aktuellen Umfragen zu den Wahlen 23 reißt die DF die 4% Hürde.

    www.politico.eu/eu...-of-polls/denmark/

    Die linken Kräfte in Schweden haben schlicht eine schlechte Performance die letzten Jahre abgeliefert und darum die Wahl verloren.

    • @Sven Günther:

      Die dänische Migrationspolitik ist aber auch wesentlich strenger geworden, sodass ein wesentlicher Quell der Rechtsradikalen versiegte.

    • @Sven Günther:

      Das ist aber eine sehr unvollständige Analyse. Fakt ist, in Dänemark liegt aktuell in Umfragen der rechte Block wieder vorne, obwohl auch die regierenden Sozialdemokraten dort schon eine rechte Migrationspolitik betreiben.

  • Herr Wolff, die Schwedendemokraten haben diesen wachsenden Zulauf wohl nicht allein aufgrund des Versagens der Sozialdemokraten erfahren. Hier hätte ich mir eine etwas ausführlichere Analyse zu den weiteren Ursachen erwartet. Kommt da noch was ?

  • Ich halte dieses Fazit von Herrn Wolff für hoch problematisch. Die Strategien der schwedischen fremdenfeindlichen und rassistischen Parteine unterscheiden sich kaum von die Strategien ähnlicher Parteien in Deutschland, Frankreich, USA, Brasilien usw.



    Da sie mit ihrer neoliberalen Politik für superreiche kaum Stimmen gewinnen können, arbeiten sie fast ausschließlich mit Schock und Aufmerksamkeit basierend auf weit verbreitete Vorurteile und Klischees ( Rasssimus, Sexismus, Kulturismus, Schauvinismus, Patriotismus etc).



    Die Strategie funktioniert auch und alleine die Bericherstattung in der (linken?) TAZ über die Wahlkampf in Schweden betätigt, dass die Rassit:innen wieder auch in der TAZ große Aufmerksamkeit genießen dürfen.



    Kaum ein Wort über die Inhalte in Magdalena Anderssons Wahlkamp, die ja wirklich die sozialen Themen auf der Tagesordnung setzen wollte, oder wie konservative in Allians mit den Rassist:innen das hochgelobte "schweden wie es war" in ihre Neoliberale treue förmlich ausverkauft und demontiert.



    Jetzt das rechtradikale Wahlergebis in Schweden noch Magdalena Andersson und die Sozialdemokraten in den Schuhen zu schieben, Herr Wolff, ist keine differenzierte Berichterstattung.



    Da hatte ich wirklich mehr von Ihnen erwartet.

  • Das Programm der Rechten ist völlig uninteressant. Die Unzufriedenheit der Wähler mit den anderen Parteien ist der Hauptgrund für deren Erfolg. Dazu der Unwille der anderen Parteien, den Fehler bei sich zu suchen und zu korrigieren. Die Rechten werden sich nicht ändern. warum sollten sie auch?

  • So sehr ich Schweden auch liebe, ich betrete keinen Zoll schwedischen Bodens, solange dort Faschisten und Brandstifter an der Regierung beteiligt sind. Wir sehen uns dann in ein paar Jahren.

  • Immer wenn Konservative versuchen noch weiter rechts stehende Parteien zu 'domestizierten' geht der Schuss nach hinten los. Die Rechten besetzen dann mit der Zeit immer mehr Themen und diktieren so den Konservativen, was sie zu tun und lassem haben. Und deren Reaktion ist dann meistens ein sich anbiedern und teilweise eine Übernahme der rechten Rhetorik und Themen. Somit schliesst sich der Kreis und wir haben eine Situation wie jetzt in Schweden.



    Man kann jetzt nur hoffen, dass sich die Rechten wie so oft gerne selbst zerlegen und dann Dank der geringen Mandatsmehrheit, die Mehrheit kippt.

  • Wir können von Glück reden, dass es in Deutschland nur eine verpeilte AfD gibt. Gäbe es eine Partei vom Kaliber der Schwedendemokraten, würde uns ähnliches blühen.

    • @Taztui:

      nun, es ist ja nicht so, dass die Schwedendemokraten das aus eigener Kraft geschafft haben. Eine Politik, die die Sorgen, mancher Bevölkerungsteile als irrelevant abtut, weil sie nicht ins Konzept passen und als gestrig angesehen werden, eine Politik, die Menschen vom gesellschaftlichen Leben ausschließt, wenn sie nicht eine gewisse wirtschaftliche und finanzielle Potenz haben. Züchtet sich zumindest teilweise, die braune Brut selbst heran. Ein Symbol dafür, dürfte die Bargeldabschaffung sein, ohne Handy ohne Bankkonto ist man in Schweden abgeschnitten, ein Niemand, diese wirtschaftliche Potenz, erst einmal ein Handy, ein Bankkonto haben zu können, ist aber nicht allen gegeben. Sinti und Roma werden an der Kasse unwirsch abgewiesen, weil sie keine Bankkarte haben, weil sie den Pfand den sie gesammelt haben so nicht einlösen können. (eigenes Erleben) (Gut das ist ein Beispiel der ganz krassen Armut) der Punkt ist, das Schweden auch in den mittleren Schichten ein durch und durch kommerzialisiertes Land ist, die Zahl derer, die da nicht mithalten können, ist nicht eben gering, und erfährt dieser Teil noch Ablehnung aus der Politik, weil sie sich nicht konform äußert, führt das bei einigen auch zu den Schwedendemokraten...

    • @Taztui:

      Da sollte man sich nicht zu früh freuen. In Ostdeutschland ist es doch nur noch eine Frage der Zeit, bis dort CDU und FDP zwecks Machtgewinn/-erhalt die blau-braune Karte ziehen und die AFD auf das Podest heben, und dann nimmt der Zug deutschlandweit Fahrt auf.

    • @Taztui:

      Ich fürchte trotz der verpeilten AfD droht uns ähnliches.

      Die SPD ist hier ebenso planlos



      Die Grünen enttäuschen auf der ganzen Linie



      Die Gelben bitte ja geradezu um ihren Rauswurf



      Die D*U wanzt sich, ganz im Stile der Konservativen, an die AfD 'ran wo's geht.