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das portrait
: NRW-Innenminister Herbert Reul hat keine Erklärung für rechte Chatgruppe

Foto: Marius Becker/dpa

Im Skandal um rechtsextreme Polizist*innen fährt Nordrhein-Westfalens CDU-Innenminister Herbert Reul gerade sein typisches Krisenbewältigungsprogramm ab: Reul zeigt sich entsetzt, spart nicht an starken Worten: Die „widerwärtigste Hetze“ sei „eine Schande für die NRW-Polizei“, beteuert der 68-Jährige.

Auf die Frage, warum die fünf rechtsextremen Chatgruppen nicht schon früher in den Dienststellen der Polizei aufgefallen seien und welche Erklärung er dafür habe, sagte Reul am Donnerstag im WDR: „Im Moment keine richtige, wenn ich ehrlich bin.“ Er glaube, „dass zu oft noch Polizisten meinen, sie müssten durch Kameradschaft alles decken“, meinte Reul. Im Düsseldorfer Landtag gab sich Reul am Donnerstagmittag als schonungsloser Aufklärer: „Wir werden das aufarbeiten, radikal und bis ins kleinste Detail.“

Wie schon im Skandal um den Kindesmissbrauch in Lügde, wo 155 DVDs mit Beweisen einfach aus der Asservatenkammer der Polizei verschwanden, verspricht der einstige Studienrat Aufklärung durch Sonderermittler. Der Mann aus Leichlingen bei Köln bedient damit sein seit Jahren gepflegtes Image: Hart, aber gerecht will Reul erscheinen – als Innenminister, der Gesetze verteidigt und durchsetzt und dem seine Wähler*innen gerade deshalb vertrauen können.

Dieses Image ist wichtig für die Landesregierung. Weil NRW-Ministerpräsident Armin Laschet vielen in der CDU als zu liberal gilt, soll Reul – als ehemaliger Landtagsabgeordneter, Generalsekretär der nordrhein-westfälischen Christdemokraten und Europaparlamentarier seit 35 Jahren im Geschäft – die rechte Flanke seiner Partei gegen die AfD abdecken.

Im Kampf um den von Braunkohlebaggern bedrohten Hambacher Wald machte Reul unter den Besetzern deshalb „Chaoten und Gewaltbereite aus ganz Europa“ aus. Im Herbst 2018 ließ der Konservative, der mit seiner Frau Gundula drei erwachsene Töchter hat, die Baumhäuser der Klimaschützer*innen durch Tausende Polizisten mit Gewalt für den Braunkohlekonzern RWE räumen – heute rühmt sich sein Chef Laschet, den Hambacher Wald „gerettet“ zu ­haben.

Keine Rücksicht nimmt Reul auch in der Integrationspolitik. Der Hardliner hat das Copyright auf den Begriff „Clankriminalität“, den er in die politische Debatte gebracht hat. Gegen „Clans“ von Migrant*innen, die das Gewaltmonopol des Staates infrage stellten, gehe er als Erster offen vor, wirbt Nordrhein-Westfalens Innenminister für sich – und stärkt so unausgesprochen das Bild des „kriminellen Ausländers“.

Denn Reul irritiert immer wieder mit pauschalisierenden, ganze Bevölkerungsgruppen diskriminierenden Sprüchen: „Wenn wir die türkischen Mitbürgerinnen und Mitbürger angucken, dann haben wir Kriminalitätsprobleme bei der dritten Generation“, erklärte er noch am 15. September im ZDF bei Markus Lanz – einen Tag vor Aufdeckung des Skandals um die rechtsextremen Beamt*innen der Polizeidirektion Essen. Andreas Wyputta