Rechtsextreme Knockout51-Gruppe: Polizist soll Nazis gewarnt haben
Die rechtsextreme Schlägergruppe „Knockout51“ verübte in Thüringen schwere Gewalttaten. Ein Polizist soll der Gruppe Infos durchgestochen haben.
Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Gera bestätigte der taz, dass wegen des Vorwurfs der Verletzung von Dienstgeheimnissen ermittelt werde. Details wollte er nicht nennen, um die Ermittlungen nicht zu gefährden. Ein Sprecher des Thüringer Innenministeriums bestätigte den Fall ebenso: Neben den strafrechtlichen Ermittlungen sei auch ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Der Beamte sei vom Dienst freigestellt.
Laut MDR soll der Polizist Informationen über bevorstehende Hausdurchsuchungen oder Festnahmen weitergegeben haben. Zudem habe er ermöglicht, dass Fotos von Ermittlungsakten gemacht wurden, die nun in der rechtsextremen Szene kursierten.
Derweil droht den vor dem Oberlandesgericht Angeklagten doch eine Verurteilung als Terrorgruppe. Ein Sprecher des Gerichts bestätigte der taz, dass die Bundesanwaltschaft, welche die Anklage erhob, im Prozess zuletzt die Erteilung eines rechtlichen Hinweises beantragte, dass die Beschuldigten auch als Terrorgruppe verurteilt werden könnten. Die Bundesanwaltschaft hatte dies schon in ihrer Anklage so gesehen – das Gericht aber nur den Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung zugelassen.
BGH sieht Terrorvorwürfe bestätigt
„Knockout51“ soll von 2019 bis 2022 Kampfsport in Eisenach trainiert haben, in der örtlichen Zentrale der „Heimat“-Partei“, einst NPD. Anführer war dabei der rechtsextreme Kampfsportler und Kneipenwirt Leon R. Ziel der Gruppe laut Anklage: die Errichtung eines „Nazi-Kiezes“. Immer wieder sei die Gruppe losgezogen und habe Menschen bis zur Bewusstlosigkeit verprügelt.
Nachdem Autonome 2019 zweimal versucht hatten, Leon R. zu überfallen, habe die Gruppe dann laut Anklage beschlossen, im Fall einer weiteren Attacke die Angreifer auch zu töten. Im September 2021 sei dafür versucht worden, in Erfurt einen Angriff zu provozieren – was misslang.
Die Bundesanwaltschaft hatte deshalb schon in ihrer Anklage erklärt, dass die Gruppe zwar als kriminelle Vereinigung gestartet sei, am Ende aber terroristische Ziele verfolgt habe. Das Oberlandesgericht aber folgte dem nicht.
In einem aktuellen Beschluss des Bundesgerichtshofs zu einem zuletzt festgenommenen weiteren Beschuldigten der Gruppe, Marvin W., erklären nun aber auch die dortigen Richter*innen: In der Gesamtschau aller Indizien hätten sich die Gruppe und der Beschuldigte „mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung zunächst an einer kriminellen und sodann an einer terroristischen Vereinigung strafbar gemacht“.
Schießtrainings in Tschechien
Der BGH begründet das auch damit, dass die Gruppe ab 2021 beschloss, sich Waffen zu beschaffen, eine interne Schulung über Bewaffnung abhielt und auch Schießtrainings in Tschechien absolvierte. Auf einer Zielscheibe sei ein Antifa-Logo platziert gewesen. Im Juli 2021 habe ein Gruppenmitglied dann tatsächlich drei Macheten bestellt. Der festgenommene Marvin W. soll Anführer Leon R. auch bei der Herstellung einer halbautomatischen Schusswaffe geholfen haben. Leon R. besorgte sich später auch 300 Schuss Munition.
Zudem verweist auch der BGH darauf, dass die Gruppe über eine Notwehrsituation sinniert habe, in der man Linke töten könnte. In Gesprächen sei die Rede davon gewesen, „Antifas umzulegen“ oder „10, 15 Zecken“ mit dem Auto zu überfahren. Die „Notwehr“ sei dabei nur vorgeschoben gewesen, erklärt der BGH. Eine Tötung von Linken sei mindestens „hingenommen“ worden.
Im April 2022 waren Leon R. und drei Kumpane im Auftrag der Bundesanwaltschaft festgenommen worden. Gegen sie läuft seit dem Sommer 2023 der Prozess vor dem Oberlandesgericht. Im November und Dezember erfolgten weitere Durchsuchungen und Festnahmen gegen beschuldigte Gruppenmitglieder, darunter von Marvin W. oder dem Thüringer „Heimat“-Chef Patrick Wieschke. Marvin W. hatte später Beschwerde gegen seinen Haftbefehl eingelegt – auf die der BGH mit seinem aktuellen Beschluss reagierte. Der Prozess gegen das angeklagte Führungsquartett von „Knockout51“ ist noch bis Ende Mai terminiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund