Rechtsextreme Knockout51-Gruppe: Polizist soll Nazis gewarnt haben
Die rechtsextreme Schlägergruppe „Knockout51“ verübte in Thüringen schwere Gewalttaten. Ein Polizist soll der Gruppe Infos durchgestochen haben.
![Detailaufnahme von in Handschellen gelegten Händen eines Mannes Detailaufnahme von in Handschellen gelegten Händen eines Mannes](https://taz.de/picture/6870644/14/Knockout51-Thueringen-Rechtsextremismus-1.jpeg)
Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Gera bestätigte der taz, dass wegen des Vorwurfs der Verletzung von Dienstgeheimnissen ermittelt werde. Details wollte er nicht nennen, um die Ermittlungen nicht zu gefährden. Ein Sprecher des Thüringer Innenministeriums bestätigte den Fall ebenso: Neben den strafrechtlichen Ermittlungen sei auch ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Der Beamte sei vom Dienst freigestellt.
Laut MDR soll der Polizist Informationen über bevorstehende Hausdurchsuchungen oder Festnahmen weitergegeben haben. Zudem habe er ermöglicht, dass Fotos von Ermittlungsakten gemacht wurden, die nun in der rechtsextremen Szene kursierten.
Derweil droht den vor dem Oberlandesgericht Angeklagten doch eine Verurteilung als Terrorgruppe. Ein Sprecher des Gerichts bestätigte der taz, dass die Bundesanwaltschaft, welche die Anklage erhob, im Prozess zuletzt die Erteilung eines rechtlichen Hinweises beantragte, dass die Beschuldigten auch als Terrorgruppe verurteilt werden könnten. Die Bundesanwaltschaft hatte dies schon in ihrer Anklage so gesehen – das Gericht aber nur den Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung zugelassen.
BGH sieht Terrorvorwürfe bestätigt
„Knockout51“ soll von 2019 bis 2022 Kampfsport in Eisenach trainiert haben, in der örtlichen Zentrale der „Heimat“-Partei“, einst NPD. Anführer war dabei der rechtsextreme Kampfsportler und Kneipenwirt Leon R. Ziel der Gruppe laut Anklage: die Errichtung eines „Nazi-Kiezes“. Immer wieder sei die Gruppe losgezogen und habe Menschen bis zur Bewusstlosigkeit verprügelt.
Nachdem Autonome 2019 zweimal versucht hatten, Leon R. zu überfallen, habe die Gruppe dann laut Anklage beschlossen, im Fall einer weiteren Attacke die Angreifer auch zu töten. Im September 2021 sei dafür versucht worden, in Erfurt einen Angriff zu provozieren – was misslang.
Die Bundesanwaltschaft hatte deshalb schon in ihrer Anklage erklärt, dass die Gruppe zwar als kriminelle Vereinigung gestartet sei, am Ende aber terroristische Ziele verfolgt habe. Das Oberlandesgericht aber folgte dem nicht.
In einem aktuellen Beschluss des Bundesgerichtshofs zu einem zuletzt festgenommenen weiteren Beschuldigten der Gruppe, Marvin W., erklären nun aber auch die dortigen Richter*innen: In der Gesamtschau aller Indizien hätten sich die Gruppe und der Beschuldigte „mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung zunächst an einer kriminellen und sodann an einer terroristischen Vereinigung strafbar gemacht“.
Schießtrainings in Tschechien
Der BGH begründet das auch damit, dass die Gruppe ab 2021 beschloss, sich Waffen zu beschaffen, eine interne Schulung über Bewaffnung abhielt und auch Schießtrainings in Tschechien absolvierte. Auf einer Zielscheibe sei ein Antifa-Logo platziert gewesen. Im Juli 2021 habe ein Gruppenmitglied dann tatsächlich drei Macheten bestellt. Der festgenommene Marvin W. soll Anführer Leon R. auch bei der Herstellung einer halbautomatischen Schusswaffe geholfen haben. Leon R. besorgte sich später auch 300 Schuss Munition.
Zudem verweist auch der BGH darauf, dass die Gruppe über eine Notwehrsituation sinniert habe, in der man Linke töten könnte. In Gesprächen sei die Rede davon gewesen, „Antifas umzulegen“ oder „10, 15 Zecken“ mit dem Auto zu überfahren. Die „Notwehr“ sei dabei nur vorgeschoben gewesen, erklärt der BGH. Eine Tötung von Linken sei mindestens „hingenommen“ worden.
Im April 2022 waren Leon R. und drei Kumpane im Auftrag der Bundesanwaltschaft festgenommen worden. Gegen sie läuft seit dem Sommer 2023 der Prozess vor dem Oberlandesgericht. Im November und Dezember erfolgten weitere Durchsuchungen und Festnahmen gegen beschuldigte Gruppenmitglieder, darunter von Marvin W. oder dem Thüringer „Heimat“-Chef Patrick Wieschke. Marvin W. hatte später Beschwerde gegen seinen Haftbefehl eingelegt – auf die der BGH mit seinem aktuellen Beschluss reagierte. Der Prozess gegen das angeklagte Führungsquartett von „Knockout51“ ist noch bis Ende Mai terminiert.
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