Rechter Verlag bedroht taz-Journalist: Alles nur ein Spaß
Der Jungeuropa Verlag schwelgt in Gewaltfantasien, wenn er an einen taz-Journalisten denkt. Vermeintliche Ironie gehört zur Strategie dieses Milieus.
![Eine seitliche Ansicht des Messestands des Jungeuropa Verlags. Eine seitliche Ansicht des Messestands des Jungeuropa Verlags.](https://taz.de/picture/5179741/14/Jungeuropa-Verlag-1.jpeg)
Glatze scheren, Gesichtstattoo stechen: Keine übliche Offerte auf der Frankfurter Buchmesse. Die Verlage bemühen sich sehr bei der Präsentation ihres Programms. An den Verlagsständen liegen auch mal kleine Präsente oder nette Gimmicks aus. Der Jungeuropa Verlag bietet diese Vor-Ort-Behandlung allerdings an. Nicht für alle, die an ihren Stand kommen, nur für mich. Das offene Angebot des rechtsextremen Verlags ist nichts anders als eine eindeutige Gewaltandrohung.
Seit Tagen läuft eine Debatte um den Verlag. Einzelne Autor:innen haben wegen einer möglichen Bedrohung ihr Kommen abgesagt. In dem Podcast „von rechts lesen – Sendung 27“ sprechen der Verleger Philip Stein und der Autor des Verlages Volker Zierke über die Buchmesse, was so geplant sei, was vorstellbar wäre. Recht launisch, recht langweilig geplaudert. Ein Kollege von der rechte rand – das antifaschistische Magazin hielt das Gerede von Biertrinken und stabilen Kerlen durch – und wies auf die Minute 45 plus hin.
Mein Name fällt und kurz der von Andrea Röpke, wir beide haben mehre Bücher über dieses weite Milieu in der Mitte der Gesellschaft verfasst und herausgeben. Aus diesem Zirkel der vermeintlich neu-rechten Publizierenden werden vor allem Frauen mit journalistischem Engagement oder publizistischer Resonanz verbal-radikal, sexistisch-körperlich aufgeladen angegangen. Die feinen Herren – vom Selbstverständnis her – sind dann nicht mehr so fein.
In der Sendung lassen Stein und Zierke aber nun gegen mich ihre Gewalt- und Erniedrigungsfantasien schweifen. Die Zöglinge Götz Kubitscheks aus dem Institut für Staatspolitik (IfS), das der Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt jüngst als gesichert rechtsextrem einstufte, erwarten mein Erscheinen an ihrem Stand. Zierke wirft ein, dass ich einen Friseur bräuchte. „Friseur“, sagt Stein und sagt weiter, dass sie das „auch am Stand“ gleich mit „so einer Schermaschine“ machen könnten, so im Look der 80er-Jahre-Oldschool-Skinheads.
Gewalthoffnungen und Vernichtungsvorstellungen
Zierke meint, am Stand könnten sie mich auch sofort gesichtstätowieren, und Stein schlägt vor, „dann könnten wir dem Andreas Speit theoretisch so ein richtig cooles Fraktur-Tattoo machen – Deutschland ganz groß“. Ganz bei sich kichern, grienen und lachen sie bei ihren Worten – ihren Bildern im Kopf.
Ist ja doch auch alles nicht ernst gemeint, alles nur Scherz und Spaß. Schenkelklopfer und Lacher. Und wer nicht mitlacht, ist halt selber schuld. Schon länger versucht dieses Milieu mit vermeintlichem Witz und Ironie seine Gewalthoffnungen und Vernichtungsvorstellungen zu relativieren. Die Idee der Zwangsscherung und -tätowierung ist Teil des Erniedrigungsprozesses der markierten Feinde mit historischer Tradition, das Lachen Teil des Selbsterhöhungsprozess.
„The Killer smiles“, hebt Klaus Theweleit in das „Das Lachen der Täter: Breivik u. a.“ hervor. Die Tötungslust führt zum Lachen wegen der Allmacht über seine Opfer. In dem spaßigen Kubitschek-Jünger lauert der grinsende Killer. Zierke, aus der rechtsextremen Identitären Bewegung kommend, war – welch Zufall – bei einer Gewalttat involviert. Stein, auch Vereinsvorsitzender von „Ein Prozent“, wird vorgeworfen, an einem Angriff beteiligt gewesen sein. In beiden Fällen: gegen Andersdenkende.
So what, hier bleiben Worte doch selbstredend bloß Worte. Im vorpolitischen Raum möchte der Jungeuropa Verlag ja nur eine weitere Meinung in die laufenden Debatten einbringen. Könnte der Verlag jedoch mit der Gewaltandrohung auf der Buchmesse die Grenzen des meinungspolitischen Diskurses überschritten haben?
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören