Rechter Übergriff in Chemnitz: Polizei schweigt zu Tatmotiv

In Chemnitz wurde eine Reisegruppe angegriffen, offenbar von Rechten. Veranstalter und Opferberatung kritisieren Stadt und Polizei.

Polizist vor dem Karl Marx Monument in Chemnitz

Wie will Chemnitz für die Sicherheit von Gästen und marginalisierten Gruppen sorgen? Foto: epa

CHEMNITZ taz | Das Sprechen fällt Dirk Heise* noch schwer. „Die Stimme ist noch eher Darth Vader als Mensch“, sagt der 33-Jährige Kulturmanager über die Nachwehen seiner Verletzungen. Viel Glück bewahrte ihn möglicherweise vor Schlimmerem: Zusammen mit zwei Mitreisenden war er am vergangenen Samstag brutal verprügelt worden, offenbar von rechten Schlägern.

Heise und seine Begleitung waren nach einem Netzwerktreffen in Chemnitz auf dem Weg zurück zum Hotel in der Innenstadt, als sie von einer siebenköpfigen Gruppe junger Männer eingeholt wurden. „Seid ihr Zecken?“ und „Ihr sollt kein Englisch sprechen!“, sollen die Täter geäußert haben. Bevor Heise reagieren konnte, hatte er schon den ersten Schlag abbekommen, „gezielt mit der Faust auf den Kehlkopf“. Heise trug einen Kehlkopf- und einen Jochbeinbruch davon. „Bei Schwellungen am Kehlkopf kann es lebensbedrohlich werden. Deswegen haben sie mich zur Beobachtung in eine Intensivstation gebracht.“

Die Gruppe war ihnen bereits kurz nach dem Verlassen des Clubs Weltecho aufgefallen. „Die haben gegen Poller getreten und herumgeschrien“, so Heise. Von Seiten des Clubs heißt es, die vermeintliche Tätergruppe sei auch dort schon aufgefallen. Ein Mann aus der Gruppe habe ein Shirt der rechten Szenemarke „European Brotherhood“ getragen. Ihm sei gesagt worden, dass rechte Labels nicht erwünscht seien. Da die Gruppe aber ohnehin gerade gehen wollte, sei nichts weiter passiert.

Politischer Hintergrund „nicht ausgeschlossen“

Am Montag, nachdem Heise von der Kriminalpolizei ausführlich befragt worden war, veröffentlichte die Polizeidirektion Chemnitz eine Pressemitteilung – ohne jedoch auf einen möglichen politischen Hintergrund einzugehen. Auf Nachfrage gibt die Polizeidirektion Chemnitz an, das Dezernat Staatsschutz habe die Ermittlungen am Dienstag übernommen, weil ein politischer Hintergrund der Tat nicht ausgeschlossen werden könne.

Dass sich bis jetzt weder die Polizei noch die Stadtverwaltung öffentlich zu einem politischen Hintergrund der Tat geäußert haben, kritisiert sowohl die sächsische Opferberatungstelle Support wie auch der Organisator des Netzwerktreffens, die European Cultural Foundation aus Amsterdam. „Die Beleidigungen legen nahe, dass es Täter aus der rechten Szene waren“, sagt André Löscher von Support. „Angesichts des Motivs und der schweren Verletzungen kann es nicht sein, dass sich Stadt und Polizei dazu ausschweigen.“

Löscher macht auf die Bedeutung solcher Taten für die Stadt aufmerksam: „Chemnitz muss sich gerade mit Blick auf das Kulturhauptstadtjahr 2025 auch daran messen lassen, wie Behörden und Verwaltung auf solche Angriffe reagieren. Sowohl eine klare Benennung des naheliegenden Tatmotivs als auch sichtbare Solidarität sind für die Betroffenen entlastend und zugleich ein starkes Zeichen innerhalb und außerhalb der Stadtgrenze“.

Eine Bedrohungslage

Tatsächlich war Chemnitz anlässlich der Kulturhauptstadt 2025 als Austragungsort für die Konferenz der European Cultural Foundation ausgewählt worden. Sie diente als Netzwerktreffen für ostdeutsche und osteuropäische Vereine, die gemeinsam an kulturellen Projekten arbeiten. Die Kulturschaffenden hatten das Kulturhauptstadtbüro und verschiedene Kulturprojekte besucht und sich auch kritisch mit der Kulturhauptstadt befasst.

„Insgesamt haben wir uns sehr willkommen gefühlt“, sagt Dirk Heise. „Nach dem Vorfall haben wir uns allerdings gefragt, wie man hier für die Sicherheit internationaler Gäste und marginalisierter Gruppen garantieren will. Denn wenn an jeder Ecke Polizei steht, ist das ja auch keine Lösung.“

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