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Rechte Proteste wegen EnergiekriseHoffen auf das Horrorszenario

Führt die Energiekrise zu sozialen Unruhen von rechts? Thüringens Verfassungsschutzpräsident warnt vor einem Zusammenbruch des öffentlichen Lebens.

Eine Frau auf einem Querdenkenprotest mit Plüschtier auf dem Rücken Foto: Imago

Berlin taz | Die AfD heizt schon mal die Stimmung an. „Wir gehen düsteren Zeiten entgegen“, teilte die Partei zuletzt mit. Es drohe ein „Währungsverfall, Blackout und Zusammenbruch des Sozialsystems“. Die Ampel habe Deutschland in „eine wirtschaftliche Kriegslage hineinmanövriert“. Nicht minder befeuern die Rechtsextremen der „Freien Sachsen“ die Panik. Deutschland drohe ein „Energielockdown“ und eine „Krise beispiellosen Ausmaßes“, heißt es dort. Die Regierung aus „Klimafanatikern und Russlandhassern“ fahre „das Land an die Wand“. Ihr Appell: „Es wird Zeit für die Welle der Energieproteste!“

Die Aufrufe bleiben auch den Sicherheitsbehörden und Bundesinnenministerin Nancy Fae­ser (SPD) nicht verborgen. Und sie steigern dort die Sorge vor extremistischem Sprengstoff für den Herbst. „Es kann festgestellt werden, dass Kreise, die schon die Coronaproteste geprägt haben, auf der Suche nach neuen Themen mit Protestpotenzial sind“, erklärt dazu Fae­sers Sprecher. „Je nach Entwicklung der Energieversorgungssituation und der sozialen Folgen der Kostensteigerungen ist eine Entwicklung zu einer mit den Coronaprotesten vergleichbaren Größenordnung möglich.“ Die Sicherheitsbehörden hätten dies im Blick.

Weit deutlicher wird Thüringens Verfassungsschutzchef Stephan Kramer. „Es ist nicht hilfreich, Schreckensszenarien herbeizureden“, sagte er der taz. Die Sicherheitsbehörden dürften aber auch kein Worst-Case-Szenario verheimlichen. Und das würde eintreten, wenn Russland kein Gas mehr liefere und dieses nicht nur zum Heizen fehle, sondern auch die Indus­trie­pro­duk­tion in Teilen zusammenbrechen lasse, so Kramer.

Die Folge wären „ein dramatischer Anstieg der Arbeitslosigkeit und vernichtete Existenzen“. Was es bedeute, wenn dazu großflächige Stromausfälle kämen, „muss ich wohl nicht ausformulieren“. Nach den „katastrophalen Erfahrungen bei der Krisenbewältigung“ der Flutkatastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz vor einem Jahr wäre zu erwarten, „dass das öffentliche Leben in weiten Teilen zusammenbricht“, so Kramer. „Es wird spannend, wie dann die Versorgung sichergestellt und vor allem die öffentliche Sicherheit und Ordnung gewährleistet werden soll.“ Und zu all dem könnten auch noch neue Coronamaßnahmen und größere Migrationsbewegungen durch Hungersnöte infolge des Ukrainekriegs kommen.

Nicht zwingend Mobilisierungserfolg der Rechten

Auch Kramer konstatiert, dass „ausländische und inländische Kräfte aktuell die Verunsicherung und Angst in unserer Bevölkerung weiter zu befeuern versuchen, die AfD ganz vorne mit dabei“. Die vergangenen „Querdenken“-Proteste könnten damit „ein Kindergeburtstag im Vergleich zum kommenden Herbst und Winter“ werden. Im schlimmsten Fall kämen dazu noch „Sabotage und Terrorangriffe verschiedenster Gruppierungen“, was ein „hoffentlich unrealistisches Horrorszenario“ bleibe, so Kramer.

Ganz so drastisch sieht es Pia Lamberty, Geschäftsführerin des Cemas-Instituts, noch nicht. Die Energiekrise werde „natürlich auch im verschwörungsideologischen und rechtsextremen Milieu aufgegriffen und teilweise begrüßt, in der Hoffnung, dass so der Systemsturz schneller voranschreitet“, sagte auch sie der taz.

Die Rede sei dort von einem „großen Erwachen“ und einem „heißen Herbst“, auf den sich die Regierung einstellen müsse. Lamberty betont aber auch: „Es muss nicht so kommen, dass die Krise automatisch ein Mobilisierungserfolg der extremen Rechten wird.“ Die Proteste, die es aufgrund der sich zuspitzenden Lage geben wird, müssten sich dafür nach rechts abgrenzen und die Politik „wirkliche Lehren“ aus der Pandemie ziehen, so Lamberty. „Demokratische Leerstellen werden von Rechtsextremen genutzt. Deswegen ist es wichtig, solche Lücken zu schließen.“

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11 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • ... kein Problem, immer weiter, immer heiter, ... wir schaffen dass ... lasst unser gutes und erfolgreiches System nur weiterlaufen ... bin recht zuversichtlich, dass wir die Renaissance des Faschismus bald erleben werden. Nur der Faschismus kann den Kapitalismus in seiner Blühte bewahren und dann kommt ... der Endsieg! Diesmal inklusive ökologischem Kollaps. Hurra!!! immer heiter, immer weiter!!!

  • Ich kann mich nur anschliessen: Scheinbar wird nicht die Situation an sich als dramatisch wahrgenommen, sondern nur der mögliche Zulauf, den rechte Strömungen erhalten.



    Dann muss man sich nicht mehr wundern, warum die Leute politisch nach rechts abwandern.



    Wir schlittern gerade in eine gewaltige Krise und ja unser Land wird gerade vor die Wand gefahren. Auf allen Ebenen.

  • Wenn es den Rechten gelingen sollte mit diesem Thema zu mobilisieren - was ich nicht denke - dann stehen für mich die Schuldigen fest. Es sind die Selbstgerechten, die für ihre Posten und ein bisschen Dienstwagen-Flair alle Prinzipen über Bord werfen.

  • Die mediale Aufmerksamkeit für das Thema Armut und Energiearmut zeigt sich auch bei den TAZ-Themen.



    Ukraine an erster Stelle, Armut unter "ferner liefen".

    Der Protest gegen exorbitanten Reichtum auf Sylt war der TAZ keine Berichterstattung wert, statt dessen am gleichen Tag ein Artikel



    " Inflation und Energiekrise: Warten auf Sozialproteste



    Die Preise steigen, Politiker rufen Menschen zum Energiesparen auf, gleichzeitig profitieren Konzerne von der Krise. Wo bleiben die Demos?"



    taz.de/Inflation-u...leibt+der+protest/

    Die kleine Bewegung gegen Armut mit dem Hashtag #IchBinArmutsbetroffen, deren "Smartmobs" in über einem dutzend Städte und deren Petition "Wir wollen in Würde leben – schafft Armut ab!"



    weact.campact.de/p...n-schafft-armut-ab

    bekommt auch von der TAZ eher weniger Aufmerksamkeit.



    Stattdessen: Bericht über etwas, was es geben könnte.

  • "Die Proteste, die es aufgrund der sich zuspitzenden Lage geben wird, müssten sich dafür nach rechts abgrenzen"

    Hat ja schon bei Corona gut funktioniert ...

  • Wer hätte das gedacht; Die Rechten machen sich die Ergebnisse von Regierungsversagen und desaströser Kommunikation zu Nutze. Wer hätte das gedacht?

  • 8G
    82286 (Profil gelöscht)

    Ich muss der Frau Pia Lamberty gratulieren, wenn man solch wirklich nichtssagenden Allgemeinplätzen Geschäftsführerin einer "Firma" für Monitoring, Analyse und Strategie wird.

  • Es ist bezeichnend für den Zustand der politischen Linken im Land, dass die staatlichen Repressionsorgane für den Fall eines Zusammenbruchs der Energieversorgung offenbar nicht befürchten, dass es militante Proteste von Links gibt.

    Und es ist bezeichnend für das Bundesministerium des Innern, dass man sich dort offenbar weniger Gedanken über einen möglichen Zusammenbruch der Energieversorgung macht als darüber, wie man schon mal im Vorfeld mögliche Proteste als "extremistisch" diskreditieren kann. Als Sicherheitsrisiko wird dort nicht etwa primär die Energiekrise angesehen, sondern der zu erwartende Protest. Dass dieses Framing leicht nach hinten losgehen kann, scheint man im Innenministerium noch nicht erkannt zu haben.

  • Im taz lab 2022 hat Ulrike Herrmann als Folge eines konsequent idealistischen Klimaschutzes schon den deindustrialisierten Post-Kapitalismus angekündigt. Man darf sich darunter nur kein sozialistisches Bullerbü vorstellen, sondern eher ein autoritär-rechtspopulistisches Armenhaus.

  • Es ist unredlich denen die vor einer potentiellen Katastrophe warnen pauschal zu unterstellen sie hofften darauf. Gilt für Grüne in Sachen Klima wie für Rechte in Sachen Versorgungssicherheit.

    Die Energiepolitik wurde hochideologisiert. Das Ergebnis zeigt sich in eskalierenden Preise bei sinkender Versorgungssicherheit.

    Das Hauptproblem stellt für mich ein verbreiteter Triumph von Ideologie über Qualifikation dar. Energieentscheidungen werden Topdown politisch getroffen von Personen ohne Erfahrung in der Energiewirtschaft.

    Anderes Beispiel Deutsche Bahn, steigende Subventionen bei sinkender Pünktlichkeit und Qualität. Ergebnis eines Bahnvorstand indem keine Person mit Eisenbahnlaufbahn mehr sitzt aber Pofalla und andere die niemals ein Unternehmen leiteten und keinerlei besondere Fachkenntnisse besitzen.

    Die Energiewende sollte zu sinkenden Strompreisen führen und zur Unabhängigkeit von Energieeinfuhren. ("Die Sonne stellt keine Rechnung"). Der Ausstieg aus heimischer Energie (Kohle, Fracking Verbot bei Gas) führte zum Gegenteil.

    Jetzt soll Kohle aus Kolumbien und Facking Gas aus Kanada und Katar eingeführt werden. Durch die langen Transportwege und die Verdichtung beim Gas mit schlechterer CO2 Bilanz wie die heimischen Alternativen.

    Wir gehen bei der Energieversorgung weiter den Weg zu schlechterer CO2 Bilanz, höheren Kosten, weniger Arbeitsplätze und höherer Importabhängigkeit.

    • @Miriam:

      Gas welches die BRD aus Russland bezieht ist ebenfalls fracking Gas.