piwik no script img

Rechte Hetze gegen Journalist*innenFest, frei, vogelfrei

Öffentlich-rechtliche Sender tun sich schwer, ihre freien Mitarbeiter*innen vor rechten Angriffen zu schützen. Das zeigen zwei aktuelle Fälle.

Seit drei Jahren im Visier der Rechten: Richard Gutjahr Foto: imago-images/Sachelle Babbar

Gewiss war es schon immer so, dass man als Journalist*in einiges ver­tragen können muss. Auch als Zeitungen und Sender noch nicht vom Getöse der sozialen Netzwerke umgeben war. Auch da gab es böse Briefe, Anrufe, gelegentlich Proteste vor den Redaktionen.

Aber seit das Internet zum Alltag von Jour­nalist*innen dazugehört, mit seinen unberechenbaren Erregungszy­klen, mit seiner Anonymität einerseits und der Möglichkeit, private Adressen zu veröffentlichen, andererseits, ist der Druck gestiegen. Wenig reicht mittlerweile aus, um zur Zielscheibe rechter Zermürbungsstrategien zu werden. Das beginnt mit Beleidigungen in den sozialen Medien und per Mail, dann kommen Drohungen, persönliche Informationen werden veröffentlicht, manchmal kommt es zu Stalking, im Extremfall zu Kundgebungen gegen eine Person.

Zwei solcher Fälle haben über die Feiertage Aufsehen erregt. Da ist einmal der Fall eines freien Mitarbeiters beim WDR, Danny Hollek, der wegen einer absurden Auseinandersetzung um ein Kinderlied bedroht wurde.

Kurz vor Weihnachten hatte der WDR auf Facebook ein satirisches Video gepostet, in dem der sendereigene Kinderchor über „Oma“ singt, die „eine alte Umweltsau“ sei, weil sie SUV fährt und täglich Kotelett isst.

Ein paar Tage später wird in den so­zialen Netzwerken um das Hashtag #Umweltsau herum von rechts gegen das Video angeschrien, bis sich der WDR genötigt sieht, es zu löschen. In diese Stimmung hinein tweetet der WDR-Mitarbeiter Danny Hollek, auf seinem Privataccount: „Lass mal über die Großeltern reden, von denen, die jetzt sich über #Umweltsau aufregen. Eure Oma war keine #Umweltsau. Stimmt. Sondern eine #Nazisau.“ Der Sender distanziert sich kurz darauf von Holleks Tweet. Am Tag darauf filmt sich ein bekannter Rechtsextremer vor dem Haus von Holleks Familie.

Ein offener Brief an den Intendanten

Nicht ein Wochenende, sondern Jahre schon hält die Bedrohungskampagne an, der der ehemalige BR-Journalist Richard Gutjahr ausgesetzt ist. Sein Fall ist der andere, der in diesen Tagen für Aufmerksamkeit gesorgt hat. Gutjahr hat am Silvestertag in einem ­offenen Brief an den BR-Intendanten Ulrich Wilhelm dargelegt, warum er sich von dem Sender im Stich gelassen fühlt und nicht mehr für den BR arbeiten werde.

Es beginnt mit Beleidigungen, dann kommen anonyme Drohungen, persönliche Daten werden veröffentlicht, manchmal kommt es zu Stalking

Gutjahr und seine Familie erreichen seit über drei Jahren Drohungen und Beleidigungen, bei öffentlichen Auftritten braucht er teils Personenschutz. Und das, weil er im Sommer 2016 prominent von zwei Großnachrichtenlagen berichtet hat: dem islamistischen Terroranschlag in Nizza und dem rechts­ideologisch inspirierten Amoklauf eines Schülers in München.

Gutjahr war in diesen Fällen weder als Akteur involviert, noch hob er sich besonders durch Meinungsäußerungen hervor. Er machte seinen Job als Reporter, und das übrigens sensibel und vorbildlich, wie viele im Nach­hinein lobten. Doch bei beiden Ereignissen war Gutjahr zufällig anwesend – das und die Tatsache, dass er eine jüdische Frau hat, reichten als Anlass der rechten Hetze.

Rechte Mobilisierung im Netz benutzt Feindbilder und Reizwörter, um die herum sich schnell Erregung bildet. Dazu gehören neben Begriffen wie „Klima“, „Asyl“ und „Gender“ der öffentlich-rechtliche Rundfunk und potenziell alle, die für ihn arbeiten.

Es kostet Zeit, Geld und Energie

Gutjahr versucht seit Jahren, die schlimmsten Videos und Posts über sich löschen zu lassen, Personen juristisch zu belangen. Das erfordert Wissen, Zeit, Geld und Energie. Dem BR-Chef wirft Gutjahr nun vor, dass dieser sich zu wenig für ihn eingesetzt habe. Gutjahr habe bei einem persönlichen Treffen an Wilhelms Mitgefühl appelliert, ihn „gebeten, mich bei der Bekämpfung dieser Kräfte aktiv zu unterstützen“. Aber: „Stattdessen verwiesen Sie persönlich und Ihre juristische Direktion immer wieder darauf, dass der BR freien Mitarbeitern keine Rechtsberatung geben dürfe.“

Der Sender nennt diese Darstellung falsch. „Journalistinnen und Journalisten – ob fest oder frei –, die im Auftrag des BR beruflich unterwegs sind, werden juristisch unterstützt“, heißt es auf taz-Anfrage. „Neben der Juristischen Direktion etwa auch ganz besonders durch die Informationsdirektion und die jeweiligen Redaktionsleitungen. Das reicht von Austausch und Beratung bezüglich der Einleitung rechtlicher Schritte oder konkrete Unterstützung bei Schutzmaßnahmen wie Auskunftssperren bis hin zu konkreter Hilfe, etwa beim Dokumentieren von Hassbotschaften, Recherche nach deren Absendern oder der Steuerung der Reaktionen.“

Einig sind sich Gutjahr und der BR darüber, dass der Sender etwas unternommen hat. Justiziariat und Rundfunkrat haben sich zeitweise mit dem Fall befasst. Die Frage ist, wie viel denn nun „genug“ ist. Interessant ist dabei, dass der Sender schreibt: „die im Auftrag des BR beruflich unterwegs sind“. Das schließt Angriffe aus, die auf jemand niedergehen, der oder die gerade nicht im Dienst ist. Wer privat angegriffen wird oder für einen Beitrag, der vor längerer Zeit gesendet wurde, kann also nicht unbedingt auf Schutz hoffen. Aber wie ist es mit jemandem, der zwar privat, aber doch eindeutig stellvertretend für seinen Sender belästigt wird? Wer ist ­zuständig?

Im Fall Danny Hollek twitterte der WDR mitten in den Shitstorm gegen Hollek hinein: „Der betroffene Mitarbeiter ist kein Redakteur beim WDR, sondern freier Mitarbeiter“ – als käme es in dem Moment, wo jemand stellvertretend für den Sender attackiert wird, darauf an, was sein tariflicher Status ist. Erst zwei Tage später zeigte sich WDR-Chef Tom Buhrow schockiert über die Angriffe auf Hollek und versprach juristische Unterstützung.

Ohne Freie geht es nicht

Das ist nicht nur deshalb bitter, weil die Sender offenbar weiter die Geschwindigkeit unterschätzen, in der Hass auf Einzelne niedergehen kann. Sondern weil freie Journalist*innen wesentlich angreifbarer sind als fest angestellte.

taz am wochenende

Unser Autor stand schon als Kind auf Skiern, heute verspürt er wegen des Klimawandels vor allem eines: Skischam. Für die taz am wochenende vom 15. Februar nimmt er Abschied von der Piste und fährt ein letztes Mal. Außerdem: Wer gewinnt die Bürgerschaftswahlen in Hamburg? Auf Wahlkampftour mit den Kandidaten der Grünen und der SPD. Und: Waffel kann auch Döner sein, Obstdöner. Über das heilendste Gericht der Welt. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Zwei Drittel der Beschäftigten im Programmbereich der Sender sind „frei“, schätzt die Gewerkschaft Verdi. Ohne Freie gäbe es morgen keinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die Sender sparen, weil die Landesregierungen den Rundfunkbeitrag niedrig halten. Dieser wird zwar bald wohl um 86 Cent angehoben, doch liegt das unter der Teuerungsrate. Gleichzeitig stecken die Sender mitten in der Digitalisierung und brauchen mehr Personal; schließlich gilt es mehr Kanäle zu bespielen – die alten und die neuen gleichzeitig – und innovative Ideen auszuprobieren, die möglicherweise scheitern.

Wem gegenüber ist ein öffentlich-rechtlicher Sender also verantwortlich? Man unterscheidet tariflich gerne zwischen den „Freien“, die wirklich selbstständig arbeiten, Texte oder Beiträge liefern und ansonsten nicht weiter mit dem Sender verknüpft sind, und den „festen Freien“, die ähnlich arbeiten wie Festangestellte, aber auf Honorarbasis und ohne Verträge. Richard Gutjahr war so ein „fester Freier“ beim BR. Hollek, der beim WDR in einer Nachrichtenredaktion arbeitet, ist zumindest nahe dran.

Nimmt das die Sender also ein wenig aus der Verantwortung? Nicht unbedingt: Wenn Rechte jemanden stellvertretend für das Feindbild Rundfunk attackieren, scheren sie sich einen Dreck darum, wie die- oder derjenige arbeitsrechtlich eingeordnet wird. Dazu kommt, dass die Sender sich natürlich andersherum auch mit den Gesichtern der Freien schmücken. Sowohl Gutjahr als auch Hollek wird prominent mit Bild auf den Webseiten der Sender aufgeführt. Gesichter schaffen Vertrauen. Aber machen auch angreifbar.

Nur eine Handvoll juristisches Personal

Der BR schreibt auf die Frage, welche Unterstützung bei Angriffen von rechts die Journalist*innen künftig erwarten können: „Jeder Einzelfall wird sorgfältig geprüft und dann über das angemessene Vorgehen entschieden. Genauso kommt es bei der Frage nach den juristischen Kosten auf den Einzelfall an. Hierbei ist der BR als öffentlich-rechtliche Einrichtung zu einem verantwortungsvollen Umgang mit den ihm anvertrauten Beitragsgeldern verpflichtet.“ Will sagen: Wir wollen uns nicht auf Kosten der Haushalte in lange Hasskampagnen verwickeln lassen.

Die Sender (und übrigens auch die Verlagshäuser) sind nicht auf derartige juristische Projekte eingestellt. Sie beschäftigen höchstens eine Handvoll juristisches Personal für Fragen rund ums tägliche Programm. Aber rechte Hetzmobs werden in absehbarer Zeit nicht verschwinden. Treffen kann es jede*n – im besonderen Maße übrigens Frauen und People of Color, also diejenigen, deren Stimme wir eigentlich öfter im Journalismus hören wollen.

Wer also sollte künftig die Kosten derartiger Folgeerscheinungen journalistischer Arbeit tragen? Da gibt es drei Möglichkeiten: die Betroffenen selbst; die Journalist*innenverbände, die von den Beiträgen ihrer Mitglieder leben; oder die beitragsfinanzierten Sender, und damit die Allgemeinheit.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • 0G
    07324 (Profil gelöscht)

    Kontext zu den in ihrer Berufsausübung gestorbenen Journalisten*innen

    Journalisten und die Pressefreiheit, genau wie Whistleblower gehören geschützt.

    www.washingtonpost...-killed-worldwide/

  • Es wäre interessant zu erfahren, was denn Polizei und Justiz bisher unternommen haben, um diesem Journalisten zu helfen. Bei justiziablen Delikten wäre die Staatsanwaltschaft verpflichtet zu ermitteln - und das völlig unabhängig vom Geldbeutel des Betroffenen oder von "juristischen Projekten" seines Arbeitgebers. Es darf nicht sein, dass es darauf ankommt, ob sich jemand einen Anwalt leisten kann oder nicht, wenn er Opfer krimineller Machenschaften wird. Bei Hassbotschaften, Bedrohung und Stalking kann die Justiz nicht einfach zuschauen.

    • @Winnetaz:

      Naja, die Polizei hat zumindest schon mal die Daten der Betroffenen an die Nazis übermittelt. HaHa :(

  • 9G
    92293 (Profil gelöscht)

    ich finde es nicht rechts gegen die Rundfunkbeiträge zu stänkern; ich finde ein Großteil der Sendungen und Berichte sind ausgesucht allgemein ohne allzu viel Information zu liefern. Mit dem Anspruch die Gesellschaft nachzuzeichnen und auf deren Belange einzugehen werden leider vielmehr die Richtungsinteressen der Parteien und deren Mäzenen bedient. In manchen Bereichen fahren die öffentlich Rechtlichen bereits eine Art Populismus also sie würden sich wohl leicht den AfD Vorgaben anpassen

  • wer alle standpunkte ausser dem eigenen ständig als rassistisch bezeichnet und diskreditiert, dabei noch von diskurs spricht,



    der ist so in seiner eigenen echokammer verloren, dass ein diskurs gar nicht möglich ist.



    intoleranz im namen der toleranz.;)



    depan(ne)

    • @ptrpn1983:

      Im ganzen Artikel kein Bezug zu Rassismus sichtbar.

      Bezug des Kommentars zum Artikel: 0



      Falscher Artikel?



      Oder ist der Kommentator in der falschen Echokammer gelandet?

  • Titel ist genial!



    Inhalt noch besser. Shitstorm reimt sich heutzutage auf Norm. Journalisten brauchen dringend Hilfe. Wie könnte sie aussehen? Jemand muss doch Vorschläge machen, morgen kämpfen wir für die Umsetzung, solange noch Mittel wie Change.org existieren.

  • Da leuchtet die perfide Strategie der Rechten ein, gegen die Rundfunkbeiträge zu stänkern.

    • @tomás zerolo:

      Vergessen Sie nicht, dass auch „Linke“ ihre liebe Not mit den Öffentlich-Rechtlichen haben, wenn z. B. die Nachrichten in Tagesschau oder Heute oder Dokumentationen in tagesschau24 oder ZDF-Info nicht ihrer Ideologie entsprechen. Und der abwertend gemeinte Begriff „Staatsfunk“, den die „Rechten“ oft und gern verwenden, haben sie ursprünglich von den „Linken“ geklaut, die seitdem lieber nicht mehr davon sprechen!

    • @tomás zerolo:

      Als ob nur Rechte die Rundfunkbeiträge kritisieren würden. Die Rechten können doch jetzt schon fest damit rechnen, dass die Rundfunkbeiträge nach der Machtübernahme für sie erhalten bleiben, um damit einen braunen Nationalfunk zu finanzieren. Die Rechten hatten doch erklärtermaßen auch immer grundsätzlich was gegen die EU, was sie aber heute nicht daran hindert, von dort regelmäßig Geld einzuziehen.

      • @Rainer B.:

        Da Ihr/Sie beide ganz ähnliche Einwände habt, hier zusammen.

        Ja, mir ist auch bewusst, dass der Begriff "Lügenpresse" von Linken benutzt wurde, als die heutige Rechtenriege (gut abgehangene Exemplare, die gerade in Rente gehen mal ausgenommen) noch in Windeln lag.

        Ja, auch "Linke" sind nicht ideologiefrei, und ich werde mich sicher nicht mit allem, was "Linke" tun identifizieren, obwohl ich mich klar links verorte. Aber wenn die "Bild" mal wieder im konkreten Fall lügt, dann werde ich halt auch darauf zeigen (den pauschalen Begriff "Lügenpresse" selbst habe ich aber, glaube ich, nie verwendet).

        Und @RAINER B. -- nein, die Rechten brauchen nicht unbedingt das Modell "Rundfunkgebühren": Ein Blick nach Ungarn, Italien oder auch Australien zeigt viel bessere Wege da hin.

        • @tomás zerolo:

          "Rundfunkgebühren" gab es hier ja mal. Nur eine Behörde kann Gebühren erheben als Geldleistung für eine Gegenleistung. Der Beitragsservice der Rundfunkanstalten ist aber keine Behörde, sonst würde er auch Gebührenservice heißen. Er hat übrigens auch keinerlei Bildungsauftrag oder Ähnliches, sondern generiert hier nur Geld für nichts Konkretes. Das ist eine reine Lizenz zum Absahnen - sonst gar nichts.



          In Italien muss niemand, der keinen Fernseher besitzt, Geld dafür bezahlen.



          In Ungarn gibt es praktisch weder Medienvielfalt noch Pressefreiheit. Der Staatsfunk dort wird aus dem Staatshaushalt finanziert, was letztlich auch nur konsequent ist.



          In Australien wird der Rundfunk aus Steuermitteln finanziert, wohingegen hier die Länder durch Rundfunkbeitrage mitfinanziert werden - so what?