Reaktionen auf Rückzug der CDU-Chefin: AKKs erzwungener Abgang
Annegret Kramp-Karrenbauer will auf Kanzlerkandidatur und Parteivorsitz verzichten. Merkel bedauert das, die SPD-Spitze gibt sich staatstragend.
Denn die Vorsitzende auf Abruf hat angekündigt, so lange CDU-Chefin bleiben zu wollen, bis sich die Union auf einen Kanzlerkandidaten geeinigt hat. Das könnte schnell gehen – aber auch bis zum regulären Parteitag im Dezember dauern. Es ist ihr Versuch, „den Prozess von vorne zu führen“, wie sie das formuliert. Nur dass – bei allem Respekt – vorne ab jetzt endgültig nicht mehr dort ist, wo Annegret Kramp-Karrenbauer ist. Ab jetzt ist sie eine lame duck, eine Königin ohne Land, und die Interessenten für ihren Job bringen sich in Position.
Auffallend kurz nach ihrer Pressekonferenz meldet sich Friedrich Merz zu Wort. Im Nachrichtendienst Twitter schreibt er, er werde Kramp-Karrenbauer dabei unterstützen, „den Prozess ihrer Nachfolge und der Kanzlerkandidatur als gewählte Parteivorsitzende von vorn zu führen“. Noch so einer, der meint, da, wo er sei, sei dieses Vorn. Merz macht aus seinen Ambitionen keinen Hehl. „Ich werde mich in den nächsten Wochen und Monaten noch stärker für dieses Land engagieren“, versprach er neulich bei Markus Lanz.
Ein anderer, schon länger gehandelter Nachfolger ist Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet. Er war wegen des Orkans „Sabine“ nicht in den Gremiensitzungen anwesend, mahnt aber zur Geschlossenheit. „Der Zusammenhalt der Union ist dabei die erste Grundlage für erfolgreiche Wahlen und effektives Regieren.“ Jetzt gelte es, „ gemeinsam mit der CSU ein überzeugendes Angebot an die Bürgerinnen und Bürger zu entwickeln“.
Annegret Kramp-Karrenbauer ist nicht zimperlich, wenn es um die Problemanalyse geht. Die zwischen Angela Merkel und ihr ausgehandelte Trennung von Kanzlerschaft und CDU-Parteivorsitz, sagt sie, sei „eine Schwächung der Partei in einer Zeit, in der Deutschland eine starke CDU braucht“, sagt sie. Beides müsse in einer Hand liegen.
Fraglich ist, ob sie selbst im Fall ausreichender Machtfülle nicht dasselbe Führungsproblem gehabt hätte wie als Nur-Parteivorsitzende. Im Streit mit der Thüringer CDU und dem Präsidium um das Verhältnis gegenüber AfD und Linker konnte sie sich nicht durchsetzen. Einerseits hatte sie Direktiven ausgegeben und auf Unvereinbarkeitsbeschlüsse gepocht – andererseits durch die Blume zur stillschweigenden Kooperation mit Bodo Ramelow aufgefordert. Aus Verstimmung wurde Grimm, aus Grimm Widerstand; interessanterweise überwiegend von PolitikerInnen, denen das eigene Mandat wichtiger scheint als das Ansehen der Partei und deren Abgrenzung nach rechtsaußen.
Ob der Übergang so geordnet ablaufen kann, wie sich die Noch-Vorsitzende dies wünscht, ist alles andere als sicher. Schon kurz nach ihrer Erklärung war im Parteivorstand ein offener Streit ausgebrochen. Die CDU steht vor der entscheidenden Frage, wie und wie weit sie sich nach links und rechts abgrenzt. Dieser Streit ist virulent. Eigentlich war für den Montag erwartet worden, dass Vorstand und Präsidium sich auf Sanktionen gegen die sogenannte Werteunion verständigen, die innerhalb der CDU AfD-Positionen vertritt. Doch in der Pressekonferenz belässt es Annegret Kramp-Karrenbauer bei neuerlichen Ermahnungen.
Weiter ungeklärt ist mit Kramp-Karrenbauers Entscheidung, wie es in Thüringen weitergehen soll, ebenso in der Großen Koalition. Ihr Vorsatz, Vorsitzende zu bleiben, um anstehende Fragen operativ klären zu können, dürfte schwerlich umzusetzen sein. Spätestens ab diesem Montag fehlt Annegret Kramp-Karrenbauer dafür die nötige Durchsetzungskraft. In der CDU endet nun bald die Zeit der Frauen. Angela Merkel scheidet 2021 aus dem Amt, die Frau, die sie beerben sollte, gibt auf. „Ich habe diese Entscheidung heute mit allergrößtem Respekt zur Kenntnis genommen, sage allerdings auch, dass ich sie bedauere“, kommentierte Merkel.
Belastungsprobe für die Regierung
Für Kramp-Karrenbauers schnelles Ende an der Spitze der CDU sind nicht nur die Zentrifugalkräfte im eigenen Laden verantwortlich. Sie ist es schon auch selbst. Mal verstörte sie mit lauen Witzchen über Gendertoiletten aufgeklärte WählerInnen, mal forderte sie eine Schutzzone in Nordsyrien, ohne nennenswerte Unterstützung in der Koalition und ohne eine Idee, wie jene umzusetzen sei. Die Frage, ob sie mit ihrer Aufgabe heillos überfordert sei, wurde in der Union seit Längerem diskutiert.
Der Personalstreit in der CDU trifft zeitlich zusammen mit einer schweren Belastungsprobe für die Regierung. Im Willy-Brandt-Haus ahnt man am Montagmorgen nichts von dem, was kommt. Beim Koalitionsausschuss am Samstag hatte SPD-Chef Norbert Walter-Borjans „noch nicht erkennen können“, dass die CDU-Chefin auf dem Absprung ist. Am Montag will die SPD den Eindruck vermeiden, Krisengewinnler zu sein.
Nowabo, vor ein paar Wochen noch erklärter Groko-Skeptiker, „wünscht sich, dass der CDU gelingt“, was die SPD ja auch schaffte: nämlich eine neue Führung zu küren und gleichzeitig „stabiler Teil der Regierung“ bleiben. Die Union sei tief zerrissen und müsse sich deutlich von den Rechtsextremen abgrenzen, so Nowabo. Doch zur Zukunft der Groko hört man von ihm nichts Kritisches.
Man strebe vielmehr an, mit den Inhalten weiterzukommen. Groko-Kritik würde auch den mühsam errungenen innerparteilichen Frieden in der SPD infrage stellen. Auf Nachfrage betont Nowabo allerdings, dass der Koalitionsvertrag für die SPD noch immer nur mit Kanzlerin Angela Merkel gilt. Andernfalls gebe es „eine neue Lage“. Co-Chefin Saskia Esken steht wortlos neben Nowabo: Ihr hat es die Sprache verschlagen, erkältungsbedingt. Ob die Koalition tatsächlich den anstehenden Machtkampf in der CDU übersteht, ist offen.
Annalena Baerbock befürchtet Machtvakuum
Auch für die künftige Bundesregierung werden jetzt die Karten neu gemischt. Mit Merz wäre ein schwarz-grünes Bündnis schwerer zu machen als mit Laschet. So lautet eine verbreitete Einschätzung in der Ökopartei. Grünen-Chefin Annalena Baerbock warnt am Montag vor einem „Machtvakuum“ nicht nur in Thüringen, sondern auch in der CDU. „Mit diesen ungelösten Konflikten kann man schwer staatspolitische Verantwortung in diesem Land tragen.“ Die ungelöste Frage, wie sich die CDU zur Linken verhalte, habe zu dem Drama in Erfurt geführt, sagt Baerbock.
Die Union verweigere sich der Erkenntnis, dass es einen „riesengroßen Unterschied“ zwischen der AfD und der Linken, insbesondere Bodo Ramelow, gebe. Auch nach Kramp-Karrenbauers Ankündigung sei weiterhin nicht gelöst, wie man mit den Zentrifugalkräften umgehen wolle, die die Partei auseinandertrieben. Wäre es das Ende von Schwarz-Grün im Bund, wenn die CDU in Bundesländern mit der AfD kooperiert? Dieser brisanten Frage wich Baerbock aus. Die Grünen hätten gegenüber der Union „sehr, sehr deutlich gemacht“, dass es mit Rechtsextremen keine Zusammenarbeit gebend dürfe. Aber man gehe der AfD auf den Leim, wenn demokratische Parteien jetzt in einen „Was wäre, wenn“-Diskurs einstiegen. „Dieses Spiel mache ich nicht mit“, betonte Baerbock.
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