Rassismus in den Ostbundesländern: Ins eigene Knie geschossen
Der Anstieg rechtsextremer und rassistischer Straftaten in Ostdeutschland bereitet der Bundesregierung Sorgen. Sie befürchtet dort wirtschaftliche Einbußen.
Es bestehe die Gefahr, dass durch Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus „die Chancen der Zuwanderung gerade dort verspielt werden, wo man aufgrund der demografischen Entwicklung in ganz besonderer Weise auf Zuzug angewiesen ist“, heißt es in dem Bericht weiter. Im Jahr 2015 betrug den Angaben zufolge die statistisch erfasste Nettozuwanderung aus dem Ausland nach Ostdeutschland etwa 150.000 Personen. Etwa zwei Drittel davon waren Asylsuchende.
Den strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands eröffne die Zuwanderung qualifizierter Fachkräften und EU-Ausländer die Chance, den Bevölkerungsrückgang, die zunehmende Alterung und den sich immer stärker abzeichnenden Fachkräftemangel zu mildern. Da sich unter den Flüchtlingen ein hoher Anteil von Menschen befindet, die jünger als 30 Jahre sind, bestünden grundsätzlich gute Voraussetzungen für Qualifikation und Weiterbildung. Damit sich Zuwanderer für eine langfristige Perspektive in Ostdeutschland entscheiden, bedürfe es aber einer verstärkten Willkommens- und Anerkennungskultur.
Statistiken wiesen seit vielen Jahren eindeutig nach, dass in Ostdeutschland im Verhältnis zur Einwohnerzahl eine besondere Häufung von fremdenfeindlichen und rechtsextremen Übergriffen zu verzeichnen sei. Während in Westdeutschland laut Verfassungsschutzbericht 2015 auf eine Million Einwohner 10,5 rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten kamen, waren es in den ostdeutschen Ländern deutlich mehr. Den Spitzenplatz nahm demnach Mecklenburg-Vorpommern ein (58,7), gefolgt von Brandenburg (51,9), Sachsen (49,6), Sachsen-Anhalt (42,6), Berlin (37,9) und Thüringen (33,9). „Neben unzähligen Angriffen auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte sind gewalttätige Ausschreitungen wie in Heidenau und Freital zu Symbolen eines sich verfestigenden Fremdenhasses geworden“, heißt es in dem Bericht.
Zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts reiche das Engagement der politisch Verantwortlichen nicht aus. Gefragt seien Bürger, Unternehmen und Händler, Vereine und Gemeinden. Sie alle hätten ein gemeinsames Interesse, Fremdenfeindlichkeit, Extremismus und Gewalt möglichst keinen Raum zu lassen, mahnt der Bericht der Ostbeauftragten.
Insgesamt zeichnet der Jahresbericht ein positives Bild der Entwicklung Ostdeutschlands in den zurückliegenden 26 Jahren. Bei der Bildung der Erwerbsbevölkerung, der Umweltqualität und der Wohnqualität sei die Region inzwischen führend in Deutschland. Schlechter schneidet nach OECD-Kennziffern der Osten gegenüber Nord-, Süd- und Westdeutschland allerdings immer noch bei materiellen Indikatoren wie Wirtschaftsleistung und Einkommen, aber auch etwa bei Gesundheit und Lebenserwartung ab.
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