Räumung des Hambacher Forstes: Lügen für den Konzern
Innenminister Reul und Bauministerin Scharrenbach haben im Fall Hambacher Forst gelogen – zum Vorteil von RWE. Sie sollten gehen.
V ergangenes Jahr hat der Energiekonzern RWE die Räumung des Hambacher Forstes beantragt, doch die zuständigen Kommunen und die Polizei lehnten ab. Der Aachener Polizeipräsident warnte vor Lebensgefahr für alle Beteiligten. Aber die NRW-Landesregierung zwang den Einsatz per Weisung herbei.
Wochenlang wurden Tausende Polizist*innen aus dem Bundesgebiet dort verheizt. Ein Journalist stürzte ab und verstarb im Wald – NRW-Innenminister Reul ließ weiterräumen. Der Einsatz hat schätzungsweise eine mittlere zweistellige Millionensumme gekostet. Trotzdem konnte RWE den Wald nicht roden: Dafür sorgte ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster kurz nach Einsatzende.
Brandschutz war der Grund, den Innenminister Herbert Reul (CDU) und Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) für den Einsatz anführten. „Die Räumung erfolgte nicht aufgrund eines Wunsches der RWE Power AG.“ Das hat Reul stets wiederholt. Vielmehr seien die Klimaschützer*innen im Hambacher Forst gewaltbereit, der Wald sei „Rückzugs- und Aufenthaltsraum für Straftäter“, voll mit „lebensgefährlichen Baumhäusern“.
Jetzt, ein knappes Jahr später, haben Innen- und Bauministerium auf öffentlichen Druck hin zwei Gutachten ins Netz gestellt. Die zeigen: Nachdem RWE die Räumung beantragt hatte, begann die Landesregierung einen Grund zu suchen, um Kommunen und Polizei zur Räumung zu zwingen. Und Reul geht jetzt zu einer „Ganz normal“-Rhetorik über.
Ganz normal sei, dass die Kanzlei das erste Gutachten fertig hatte, bevor sie überhaupt den Auftrag dazu erhielt. Hier sei Zeit ja knapp gewesen – „wegen des Beginns der Rodungsperiode“. Auch eine Sprecherin des Innenministeriums räumt gegenüber der taz ein, RWEs Antrag habe für den Großeinsatz „eine untergeordnete Rolle“ gespielt.
„Ich kann mich nicht erinnern, dass es irgendwelche Absprachen […] gegeben hat“, sagte Reul in einer Fragestunde vor zwei Monaten. Wenige Minuten später musste er sich berichtigen. Absprachen, nein, aber „Gespräche“, die habe es gegeben. Dem WDR sagte Reul vergangene Woche wieder, er habe sich mit RWE nicht besprochen.
Reul und Scharrenbach haben also gelogen, zum Vorteil von RWE. Dass die Opposition jetzt umfassende Aufklärung ankündigt, ist zu begrüßen, denn viele Fragen sind offen. Beispielsweise, ob Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) involviert war. Fest steht schon jetzt: Wenn Reul und Scharrenbach ihr Amt respektieren, treten sie zurück. Andernfalls gehören sie entlassen. Das Land heißt NRW, nicht NRWE. Volksvertreter*innen, die ihre Wähler*innen belügen, sind nicht tragbar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?