Radweg-Ausbau verhindert: Auto-Lobby rettet Bäume vor Radweg
In Flensburg haben CDU und SSW einen Velorouten-Ausbau in letzter Sekunde gestoppt. Sie wollen keine mehrmonatige Unterbrechung des Autoverkehrs.
Seit Donnerstag steht fest: Die Radweg-Verbreitung kommt nicht. Dadurch frei werdende Fördermittel fließen nun möglicherweise in Auto-Infrastruktur.
Eigentlich sollten in diesen Tagen die ersten Bäume an der Straße „Zur Exe“ fallen. Doch „jetzt ist Stopp“, sagte Thomas Dethleffsen (CDU) bei der jüngsten Sitzung des Finanzausschusses, berichtet das Flensburger Tageblatt. Der Grund für die Kehrtwende war die Ankündigung des städtischen Technikbetriebs, dass der Ausbau der Radwege rund 18 Monate dauern werde.
In dieser Zeit bliebe die Ein- und Ausfallroute ins Zentrum der Fördestadt, auf der täglich rund 20.000 Wagen rollen, gesperrt. Autos umleiten für Räder? „Verkehrswahnsinn!“, fiel Dethleffsen dazu ein, und Martin Lorenzen (SSW) sprang ihm bei: „Unzumutbar“. Gemeinsam verfügen beide Fraktionen über eine Mehrheit im Rat.
23 Bäume hätten weichen müssen
Eigentlich müsste Ende November ein Planungsausschuss entscheiden. Doch um den Schwebezustand nicht zu verlängern, beschloss nun der Finanzausschuss das Aus für die Radweg-Verbreiterung, trotz der Proteste von SPD und Grünen. Sozialdemokrat Justus Klebe sprach von einer „Schädigung für die Stadt“, der Grüne Leon Bossen hält die Entscheidung gar für den „verkehrspolitischen Super-GAU“.
Denn an der „Exe“ treffen laut dem Velorouten-Konzept der Stadt zwei innerstädtische Rad-Schnellstrecken zusammen. An dieser Stelle sollte mehr Platz für E-Bikes, Renn- und Lastenräder geschaffen werden – doch dafür hätten 23 Bäume weichen müssen.
„Der Preis ist zu hoch“, sagt Sabine Scholl, Sprecherin der Bürgerinitiative (BI) „Jeder Baum zählt“. Der gehörten „ganz normale Leute an, die sich noch nie irgendwo zu Wort gemeldet haben“, berichtet Scholl. Aber angesichts des spürbaren Klimawandels – Flensburg war kürzlich von einer Jahrhundert-Sturmflut betroffen – „haben viele den Eindruck, dass es so nicht weitergehen kann“.
Um die Hitze in der Stadt zu senken, müssten auch kleine Biotope erhalten werden, das sage sogar die Stadt in einem Konzept zur Klimawandel-Anpassung. „Aber es wird weiter gebaut und versiegelt. Biotop- und Naturschutz haben in Flensburg keine Lobby.“ Die BI hatte einen Alternativvorschlag vorgelegt, bei dem ein kleineres Stück Radweg hätte ausgebaut werden sollen, um so die Mehrzahl der Bäume zu retten.
Zwei Millionen Euro Förderung sind wohl weg
Auch Ralph Müller, ehrenamtlicher Naturschutzbeauftragter der Stadt, hält den Ausbau an der „Exe“ für nicht vordringlich: „Ich freue mich über jeden Radweg, ich bin schließlich selbst Radfahrer. Aber wenn die Stadt baut, greift sie immer in die wenigen Grünflächen ein, nie in den Autoverkehr.“ Es gebe eine ganze Reihe von Straßen in der Stadt, die bisher gar keine Radwege haben: „Mit dem Geld, das für einen Kilometer an der Exe geplant ist, könnte man vieles andere in der Stadt tun.“
Doch das widerspricht der Förderlogik. Die Stadt hatte beim Land einen Zuschuss für den 3,3 Millionen Euro teuren Ausbau der Velo-Route gestellt und sollte zwei Millionen erhalten. In einer Pressemitteilung lobte der parteilose Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen das Projekt als „wichtiges Signal für die Stärkung des Radverkehrs“.
Die Mitteilung wurde verschickt, während parallel in Flensburg CDU und SSW ihren Rückzug von den früheren Beschlüssen ankündigten. Offiziell weiß das Ministerium noch nichts von der Entscheidung des Flensburger Ausschusses. Doch „wenn es so käme, wäre das bedauerlich“, sagte Madsen der taz.
Verzichtet die Stadt endgültig auf das Projekt, bleiben die Fördermittel im Etat-Topf für kommunale Verkehrsprojekte aller Art – das Geld für die Flensburger Veloroute könnte nun in einer anderen Gemeinde Parkplätze oder Ladesäulen finanzieren.
„Grotesk“ sei es, dass ausgerechnet Radwege als „neuer Feind des Umweltschutzes“ gelten, meint die Ortsgruppe des Fahrradclubs ADFC. Würden mehr Personen aufs Rad umsteigen, sei der positive Effekt der Bäume rasch ausgeglichen. Und es sei „absehbar, dass eine bessere Infrastruktur dazu führt, dass mehr Menschen vom Pkw aufs Fahrrad umsteigen“. Ähnlich argumentieren die Grünen.
Ralph Müller bezweifelt das: „Breitere Wege allein sorgen nicht für mehr Verkehr, da sind viele Gründe beteiligt.“ Er nennt die Entwicklung von E-Bikes, neues Gesundheitsbewusstsein und Lifestyle. Entscheidend sei ein anderer Punkt: „Auch wenn immer mehr Menschen Rad fahren, wir haben es bisher nicht geschafft, die Emissionen zu senken.“
Für Sabine Scholl und ihre Mitstreiter*innen in der BI ist „erst mal die Hauptsache, dass die Bäume gerettet sind“. Dass die Entscheidung aus den falschen Gründen fiel, sei ein Zeichen, wie viel noch zu tun sei. Daher werde die BI weitermachen: „Denn jeder Baum zählt, nicht nur an der Exe.“
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