„Querdenken“ in den Hochwassergebieten: Die braune Flut
„Querdenken“ und die rechte Szene nutzen die Hochwasserkatastrophe für Propaganda gegen den Staat. Angebliche Solidarität ist Stoff der Selbstvermarktung.
S ie rufen zu Spenden auf, sie räumen Schlamm weg – und sie inszenieren sich. Die Hochwasserkatastrophe in West- und Südwestdeutschland hat die verschiedensten Akteur:innen aus dem „Querdenken“-Spektrum und der rechtsextremen Szene veranlasst, Hilfsaktionen zu starten. Einzelne bieten ihre Konten für Geldspenden an, andere sammeln Sachspenden, wieder andere räumen Schutt weg.
Ihre Hilfen und die angebliche Unterstützung werden allesamt breit in den sozialen Netzwerken veröffentlicht. Ein Teil des „Querdenken“-Spektrums hat sich mit diesen Aktionen angesichts der bevorstehenden Fast-Postcoronazeit nicht nur ein neues Thema gesucht, sondern gleichzeitig der rechten Szene weiter angenähert.
Ihre Botschaft lautet: Der Staat hat versagt. Er hat die Menschen allein gelassen. Hilfe sei jetzt einzig von den eigenen Strukturen zu erwarten. Die Botschaft geht mit einer Strategie einher. Die Solidarität ist Stoff der Selbstvermarktung. So sind die Telegram-Kanäle voll mit Videos von den ach so guten Taten.
Bei all dem Dokumentieren und Promoten stellt sich die Frage, ob überhaupt nachhaltige Hilfen stattfinden. „Volkslehrer“ Nikolai Nerling berichtet in die eigene Handykamera, wie er den Matsch in einem Keller wegräumt, und beendet eilig die Aufnahme, da er sich „nicht vor der Arbeit drücken“ wolle.
Fatal ist der Schluss derer, die sich selbst weit ab vom Mainstream positionieren. So sei diese Flutkatastrophe weder Zufall noch dem Klimawandel geschuldet. Sie inszenieren sich als „die Guten“, als die „Kümmerer“ und behaupten, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel lange gewarnt worden sei und trotzdem „über 150 Deutsche ertrinken“ ließ.
Die Flutkatastrophe ist aus der schrägen Perspektive des „Querdenken“-Spektrums „vorsätzliches Staatsversagen“, das offenbare, wie sehr Deutschland nur noch von unten gerettet werden könne. Kanzlerkandidat Armin Laschets Lachen vor Ort ist Wasser auf den Mühlen all jener, die an Verschwörungen glauben und die die Chance nutzen, Andersdenkende anzufeinden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen