Quasi-Enteignung der Rosneft-Töchter: Abschied vom russischen Öl

Auch wenn kein Öl aus Russland fließt: Die Arbeitsplätze der Raffinerie Schwedt und die Versorgung Ostdeutschlands will die Regierung gewährleisten.

Die Anlagen der Erdölraffinerie auf dem Industriegelände in Schwedt

Der Bund handelt und übernimmt Anteil an der PCK-Schwedt Foto: Patrick Pleul/dpa

Berlin taz | Auch ohne russisches Öl sollen die Arbeitsplätze der Raffinerie im brandenburgischen Schwedt erhalten bleiben. Das sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Freitagnachmittag, nachdem die Regierung morgens zwei hiesige Tochterfirmen des russischen Konzerns Rosneft unter staatliche Verwaltung gestellt hatte. Die Entscheidung betrifft neben Schwedt auch die Mineralölraffinerie Oberrhein in Karlsruhe und Bayernoil in Vohburg.

Als Reaktion auf die russische Invasion der Ukraine soll ab kommenden Januar kein Rosneft-Öl mehr nach Deutschland fließen. Die Quasi-Enteignung dient dazu, die Raffinerien trotzdem am Laufen zu halten. Vor allem in Schwedt fürchten viele Beschäftigte um ihre Arbeitsplätze, An­woh­ne­r:in­nen um ihren Wohlstand.

Die Raffinerie PCK, an der Rosneft mit über 50 Prozent beteiligt ist, beschäftigt rund 1.200 Leute. Tausende weitere Jobs profitieren von dem Konzern in einer Region, die mit gut bezahlter Arbeit nicht gesegnet ist.

Scholz versprach ein „Zukunftspaket“ für Schwedt im Umfang von 825 Millionen Euro. Das beinhaltet die kurzfristige Sicherung der Arbeitsplätze. „Kündigungen werden vermieden“, sagte der Bundeskanzler. „Dafür könnten bekannte Instrumente wie die Kurzarbeit infrage kommen oder auch Finanzhilfen des Bundes“, sagte Wirtschaftsweise Veronika Grimm auf Anfrage der taz. „Grundsätzlich ist das Geschäftsmodell der Raffinerien nicht gefährdet. Treibstoff auf Erdölbasis wird weiterhin gebraucht.“

Habeck: „Die Versorgung ist gesichert“

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke betonte, dass „Investitionen in die klimaneutrale Transformation jetzt beginnen“ würden. Als Beispiel nannte der SPD-Politiker die Produktion synthetischen Kerosins für Flugzeuge in Schwedt.

Neben diesen Maßnahmen will die Bundesregierung ein Programm im Volumen von 750 Millionen Euro für die Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt auflegen. Dabei geht es unter anderem um den Ausbau der Ostseehäfen für Energieimporte.

Zur weiteren Versorgung von Schwedt mit Erdöl sagte Scholz: „Die Pipeline von Rostock wird ertüchtigt.“ Augenblicklich kann sie nicht genug Rohstoff transportieren, um die russischen Lieferungen komplett zu ersetzen.

Für den Fall, dass Rosneft den Ölfluss als Reaktion auf die Entscheidung der Bundesregierung schon in den nächsten Tagen stoppt, erklärte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne): „Die Versorgung ist gesichert.“ Die Öllager seien voll und die Verhandlungen mit Polen über Ersatzlieferungen über den Hafen Gdańsk „weit fortgeschritten“. Polen will erst liefern, wenn Rosneft mit Schwedt kein Geld mehr verdient – eine Voraussetzung, die nun erfüllt sein könnte.

„Die Versorgung von Schwedt mit Öl sicherzustellen ist ambitioniert“, gab Ökonomin Grimm allerdings zu bedenken. „Die Pipeline aus Rostock und Lieferungen per Schiff über den Hafen Gdańsk reichen eventuell nicht aus“, sagte die Volkswirtschaftsprofessorin. Infrage kommen aber auch Lieferungen per Lkw und Zug aus anderen Regionen Deutschlands.

In einigen Jahren könnte außerdem eine neue Pipeline aus Gdańsk helfen. Die am Freitag verbreitete Information, dass der polnische Ölkonzern Orlen in Schwedt einsteigen könnte, mag ein Hinweis in diese Richtung sein.

Um Rosneft die Verfügungsgewalt zu entziehen, hat das Bundeswirtschaftsministerium die Bundesnetzagentur als Treuhänderin über Rosneft Deutschland GmbH und die RN Refining & Marketing GmbH eingesetzt. Die Behörde benannte daraufhin Rechts- und Insolvenzanwalt Christoph Morgen von der Kanzlei Brinkmann & Partner als Geschäftsführer der hiesigen Rosneft-Firmen.

Die Einrichtung der Treuhandschaft sei auch notwendig gewesen, weil externe Firmen wegen der Sanktionen gegen Russland keine Geschäfte mehr mit Schwedt machen wollten, erklärte das Wirtschaftsministerium. Der Entzug der Verfügungsgewalt ist formal zunächst auf ein halbes Jahr befristet.

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