Putins Erpressung mit dem Getreidedeal: Hunger als Waffe

Mit dem Auslaufen des Getreideabkommens will Putin die Aufweichung der Sanktionen erwirken. Soll der Westen sich auf diese Erpressung einlassen?

Ein Lkw mit Getreide in einer Lagerhalle.

Aus der Ukraine in die Welt: Getreide für den Export in einem Lager im Oblast Kyjiw Foto: Efrem Lukatsky/ap

Mit der Weigerung, die sogenannte Schwarzmeer-Initiative über eine sichere Ausfuhr von ukrainischem Getreide zu verlängern, schreibt der Kreml dieser Tage ein weiteres zynisches Kapitel seines Angriffskriegs gegen die Ukrai­ne. Hunger als Waffe einzusetzen – bereits jetzt sind vor allem Menschen in Staaten des Globalen Südens Leidtragende dieser menschenverachtenden Strategie. Ihren Tod nimmt Moskau ebenso billigend in Kauf wie in Syrien, wo es Hilfslieferungen für die Bevölkerung blockiert.

Um jeder Legendenbildung vorzubeugen: Der Schritt, das Getreideabkommen auslaufen zu lassen, ist keine Reaktion Russlands auf das Bombardement auf die Krim-Brücke Anfang dieser Woche, sondern er ist einer mit Ankündigung. Dasselbe gilt für die jüngsten Angriffe auf Odessa und Mykolajiw, mit denen gezielt Getreidesilos und Hafenanlagen zerstört werden. Dazu passt die Ansage, Schiffe, die ukrainische Häfen ansteuern, als militärisches Ziel zu betrachten. Ob es bei dieser Drohung bleibt oder das Planspiel „Schiffe versenken“ Realität wird, weiß derzeit niemand.

Offen auf dem Tisch hingegen liegen Moskaus Forderungen, um doch noch einzulenken. Dazu gehört, die russische Agrarwirtschaftsbank wieder an den internationalen Zahlungsverkehr Swift anzuschließen, was eine Lockerung der Sanktionen bedeuten würde. Offensichtlich scheinen die Strafmaßnahmen doch zu wirken.

Das oberste Ziel muss jetzt sein, eine drohende Hungerkatastrophe ungeheuren Ausmaßes abzuwenden. Doch dafür Moskaus Erpressungsversuch nachgeben? Dafür spricht, dass das Vorhaben, die Exporte auf der Grundlage des Abkommens zwischen Kyjiw, Istanbul und der UNO weiterlaufen zu lassen, nicht unbedingt aus der Krise führt. Die Exportlücke auf dem Schwarzen Meer dürfte durch Solidaritätskorridore, beispielsweise nach Polen, kaum zu schließen sein. Auch das Szenario, Frachter unter den militärischen Schutz der Türkei oder eines anderen Nato-Staats zu stellen, könnte zu einer Eskalation in diesem Krieg führen. Dem entgegen steht jedoch die Erfahrung, dass Russland sich an Vereinbarungen und Verträge nicht hält, wenn diese der Durchsetzung seiner Interessen im Wege stehen.

Apropos Interessen: Russland kann nicht daran gelegen sein, die Türkei, eine Schirmherrin des Abkommens, und China durch seine Blockadehaltung vor den Kopf zu stoßen. Und so schlägt sie also doch, die Stunde der Diplomatie. Nach Bekanntwerden von Russlands Entscheidung sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan: Er glaube, dass sein Freund Putin das Funktionieren dieses humanitären Korridors fortsetzen wolle. Ob diese Einschätzung zutrifft, wird sich zeigen.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

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