Prozess wegen Kraftwerksblockade: Notwehr oder Straftat?
Darf man wegen des Klimawandels ein Braunkohlekraftwerk lahmlegen? Fünf Aktivist*innen müssen sich vor Gericht verantworten.
Hier startete am Mittwoch der Strafprozess gegen fünf Klimaaktivist*innen. Es ist der erste von drei Verhandlungstagen: Ein Schöff*innengericht soll entscheiden, ob sich die Angeklagten vor zwei Jahren des Hausfriedensbruchs und der Störung öffentlicher Betriebe strafbar gemacht haben, als sie das RWE-Braunkohlekraftwerk Weisweiler ganz in der Nähe von Eschweiler über Stunden blockierten und dadurch die Stromproduktion störten.
Die sogenannte „WeShutDown“-Aktion fand parallel zur Weltklimakonferenz in Bonn statt. Am Morgen des 15. November 2017 sollen die 22 bis 37 Jahre alten Aktivist*innen unerlaubterweise über einen Zaun auf das Kraftwerksgelände geklettert sein.
Dort sollen sie die Förderbänder blockiert haben, mit denen Braunkohle aus dem angrenzenden Tagebau Inden zum Kraftwerk transportiert wird. Zeitweise schaltete RWE aus Sicherheitsgründen Teile der Förderstruktur ab, sowie Kraftwerksblöcke.
„Die Aktion hat also den Schaden begrenzt“
„Durch die Blockade wurden tausende Tonnen CO2 eingespart, die sonst den Klimawandel weiter angeheizt hätten“, sagt eine Angeklagte. „Die Aktion hat also den Schaden begrenzt, den die Kohleindustrie jeden Tag anrichtet. Damit war sie nicht nur legitim, sondern auch juristisch nicht rechtswidrig.“ Von ursprünglich 14 Aktivist*innen, die sich an der Blockade beteiligt haben sollen, sind 5 angeklagt, deren Identität festgestellt werden konnte.
Der Strafprozess vor dem Amtsgericht könnte auch Einfluss haben auf die zivilrechtliche Entscheidung zu einer Schadensersatzklage von RWE vor dem Aachener Landgericht: Wegen der Blockade fordert das Unternehmen von vier der fünf Aktivist*innen Schadensersatz in Höhe von zwei Millionen Euro.
Den fehlenden Strom aus eigener Produktion hat RWE nach eigenen Angaben nämlich auf dem Strommarkt zukaufen müssen. Die zivilrechtliche Verhandlung ist mit Blick auf den Prozess in Eschweiler zunächst ausgesetzt.
Die Kraftswerksblockade sieht Rechtsanwalt Christian Mertens, der eine der Angeklagten vertritt, rechtlich als Notwehr. „Es gab schon die Entscheidung, dass das Eindringen und Filmen in Massentierhaltung nicht strafbar ist, wenn man damit Missstände aufdeckt“, sagt er.
„Dass man das Recht in die eigene Hand nimmt, ist naturgemäß bei der Notwehr so.“ Der Klimawandel betreffe „nicht einen Einzelfall, sondern siebeneinhalb Milliarden Einzelfälle. Das Ding bringt uns um.“ Am 4 Dezember wird das Gericht wahrscheinlich ein Urteil fällen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!