Prozess wegen Antisemitismus: Gil Ofarim legt Geständnis ab
Überraschende Wende: Ofarim gesteht, eine Falschaussage getroffen zu haben, und bittet um Entschuldigung. Der Zentralrat verurteilt Ofarims Verhalten.

Der Hotelmanager W. trat in dem Verfahren gegen Ofarim als Nebenkläger auf. Der jüdische Musiker hatte W. im Oktober 2021 in einem Internetvideo vorgeworfen, ihn antisemitisch beleidigt zu haben. Der Hotelmitarbeiter bestritt das, der Fall landete vor Gericht. Ofarim musste sich unter anderem wegen Verleumdung und falscher Verdächtigung verantworten.
Am Dienstag nun stimmte die Verteidigung einem Vergleich über Schmerzensgeldansprüche zu; das Verfahren wurde vorläufig eingestellt. Die Entscheidung begründete der Vorsitzende Richter Andreas Stadler mit der Glaubhaftigkeit des Geständnisses Ofarims, auch in Anbetracht der vorgelegten Beweise und Zeug*innenaussagen.
Weiterhin führte er aus, dass Ofarim dem Kampf gegen Antisemitismus erheblichen Schaden angetan habe. Deswegen muss der Musiker 10.000 Euro zahlen – jeweils 5.000 an die Jüdische Gemeinschaft zu Leipzig und an den Trägerverein des Hauses der Wannseekonferenz. Wenn das Geld innerhalb eines halben Jahres dort eingeht, ist das Verfahren endgültig eingestellt. Gleichzeitig betonte der Richter den Mut Ofarims, sich zu entschuldigen. Um den Ruf des Hotelmanagers wiederherzustellen, sei das wichtiger als ein Urteil durch ein Gericht.
„Antisemitismus ist eine Tatsache“
Richter Andreas Stadler stellte zudem klar, dass es in dem Fall keineswegs nur Verlierer gebe. Sondern das Gegenteil sei der Fall: Die Gesellschaft wisse nun die Wahrheit, Hotelmanager W. sei durch die Entschuldigung rehabilitiert und Ofarim habe durch sein Geständnis die Chance auf einen Neustart. Sie alle seien die Gewinner. Stadler endete mit den Worten: „Eines bleibt, wie es war: Antisemitismus ist eine Tatsache. Der Kampf dagegen ist eine Aufgabe.“
Dies unterstrich auch der Zentralrat der Juden in einer Reaktion auf das Ende des Prozesses. Ofarim habe nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch die jüdische Gemeinschaft belogen und all denjenigen geschadet, die tatsächlich von Antisemitismus betroffen seien. Denn gerade in der aktuellen Situation würde der gesellschaftliche Antisemitismus zunehmen. „Wir verurteilen das Verhalten von Gil Ofarim“, hieß es in einer Mitteilung.
Der Vertreter der Nebenklage, Daniel Baumgärtner, betonte, sein Mandant, Hotelmanager W., sei froh, dass „die Wahrheit ans Licht gebracht werden konnte“ und er nun endlich sein Leben normal fortsetzen könne. Verteidiger Alexander Betz betonte hingegen, dass Ofarim unbescholten sei. „Die Beweislage war unübersichtlich und am Schluss hatte unser Mandant keine Kraft mehr.“ Beide Seiten wollten zu dem genaueren Inhalt des Vergleichs keine Aussage treffen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Geiselübergabe in Gaza
Gruseliges Spektakel