Prozess nach Aktion an der Hamburger Uni: Strafminderung für Klima-Sprüher
Ein Aktivist der Letzten Generation wehrte sich vor dem Hamburger Amtsgericht erfolgreich gegen einen Strafbefehl. Sein Vortrag beeindruckte den Richter.
Die Hamburger Staatsanwaltschaft warf K vor, zusammen mit anderen Aktivist*innen der Letzten Generation im vergangenen Frühjahr das Audimax der Hamburger Uni mit Farbe und Sprüchen bedeckt und damit einen Sachschaden von über 18.000 Euro verursacht zu haben. Zwei der beteiligten Aktivist*innen wurden schon im März zu Geldstrafen verurteilt (taz berichtete) – nun auch Kristoffer K. zu einer Geldstrafe, 40 Tagessätze mit einer Gesamthöhe von 280 Euro.
Damit fällt seine Strafe geringer aus als ursprünglich gedacht: Die Verhandlung am Mittwoch vor dem Amtsgericht kam zustande, weil sich K. gegen einen Strafbefehl über 60 Tagessätze wendete.
Denn ihre Aktion sei richtig gewesen, da die Universität ihrer Verantwortung nicht gerecht werde, sagte der Angeklagte. Mit Verweis auf ihre wissenschaftliche Neutralität entziehe sie sich ihrer notwendigen politischen Positionierung. „Die Forschung ist jedoch nicht neutral, wenn man bis Ende des Jahrhunderts vier Grad Erderwärmung prognostiziert“, sagte K. Sie müsse im Gegenteil Forderungen an den Bundestag richten. Die proklamierte Neutralität sei hinzu rassistisch, da vor allem Menschen im globalen Süden darunter leiden würden.
Als Reaktion besetzten die Aktivist*innen das Audimax. Doch auch diese Aktion hatte zunächst nicht den gewünschten Effekt. „Wenn Protest kein Gehör bekommt, ist es kein Protest mehr“, sagte K. Deshalb entschieden die Aktivist*innen, mit oranger Farbe die Glasfassade und die Wände des Hörsaalgebäudes mit „schönen Sprüchen“ zu besprühen. „Folgt der Wissenschaft“ und „Lebensgrundlagen erhalten“ prangte dort, nachdem die Aktivist*innen die in Feuerlöscher gefüllte Farbe versprüht hatten.
Der 22-Jährige gebürtige Däne habe sich in Dänemark für Fridays for Future und danach in Deutschland für die Letzte Generation engagiert, erzählte er dem Richter. Inzwischen sei er nicht mehr Teil der Gruppe und er wolle auf seine Gesundheit achten. Stattdessen besuche er jetzt eine internatsähnliche Schule. Dort bekomme er für seine soziale Tätigkeit ein Taschengeld von 300 Euro. Das Strafmaß basiert auf diesem Einkommen.
Der Anwalt des Angeklagten forderte am Ende der Verhandlung 30 Tagessätze, die Staatsanwaltschaft 50. Zugute hielt das Gericht dem Angeklagten abschließend, dass die Feuerlöscher der Universität nicht beschädigt wurden, wie die Staatsanwaltschaft behauptete, sondern von den Aktivist*innen selbst mitgebracht waren. Auch habe sich der Angeklagte ruhig und einsichtig gezeigt. Ob es überhaupt notwendig ist, jemanden in diesem Fall zu bestrafen, beschäftige ihn als Strafrichter und bringe ihn an seine Grenzen.
Mit dem Protest gerade die Uni als Raum für diesen Diskurs zu treffen, gebiete jedoch eine Strafe. Dennoch habe er einen so durchdachten Vortrag noch nie erlebt. Er verstehe die Bedenken der jungen Menschen, sagte er auch den Zuschauer*innen zugewandt, unter ihnen die Eltern des Angeklagten und eine Schulklasse.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste