Protokolle von COP-Reisenden: „Aus Kohle, Öl und Gas aussteigen“
Trotz Enttäuschungen in der Vergangenheit: Teilnehmer:innen berichten, warum sie zur Klimakonferenz nach Dubai fahren.
Verbündete des Inselstaats Tuvalu
Als Vertreterin der Zivilgesellschaft beobachte ich die COPs seit 2008, nur einmal habe ich gefehlt, 2021 kam mein Kind zur Welt. Gespannt bin ich in Dubai auf Kausea Natano, den Premierminister von Tuvalu: Seit einigen Jahren bin ich eine Verbündete des Inselstaates, auf Wunsch der Kirche von Tuvalu habe ich das Land zweimal besucht, ich fühle mich den Einwohner:innen sehr verbunden. Jetzt hat Australien angekündigt, alle Bewohner:innen von Tuvalu als Klimaflüchtlinge aufzunehmen. Ich möchte vom Premierminister erfahren, wie er das mit seiner Bevölkerung bespricht.
Solange sich die Klimakrise ungebremst zuspitzt, muss die Staatengemeinschaft an den Verhandlungstisch der COPs. In Zeiten von Kriegen und Konflikten ist es ein Hoffnungsschimmer, dass die Welt bei der Klimakonferenz in Dubai noch miteinander redet: Klimapolitik wird so auch zu Friedenspolitik.
Zwar haben die COPs bisher nicht die notwendigen Ergebnisse geliefert. Trotzdem brachten sie Beschlüsse, die es ohne den Prozess nicht gegeben hätte. Zum Beispiel bei der Klimafinanzierung: Ohne Klimadiplomatie hätten die Verursacherstaaten niemals für die Folgen im Globalen Süden gezahlt! Ohne die COPs würde der Ausbau der Erneuerbaren weit hinter dem heutigen Niveau liegen.
Auch ein Abkommen zum Waldschutz wäre sicherlich nicht aufgelegt worden. Klar ist deshalb: Den Multilateralismus darf man nicht leichtfertig in die Mülltonne treten! Stichwort „Loss and Damage“, also beispielsweise der Verlust von Inseln oder Küsten durch den Anstieg der Meere: Ich erwarte, dass die COP28 einen neuen Fonds für Klimaschäden einrichtet.
Sabine Minninger, Klimaexpertin bei Brot für die Welt
Globaler Norden soll für Schäden einstehen
Ich fahre zur COP28, weil ich die Verursacher des Klimawandels dazu auffordern will, für die Schäden, die sie verursacht haben, aufzukommen. Ich komme aus einer marginalisierten Hirtengemeinschaft, in der 90 Prozent unserer Bevölkerung von der Landwirtschaft abhängen. Wir sind auf Getreide angewiesen. Als unsere Tiere wegen der Dürre starben und unsere Ernten verdorrten, habe ich begonnen, diejenigen zu hinterfragen, die die Erde verschmutzen. Ich möchte, dass der globale Norden und die großen Umweltverschmutzer für die Schäden, die sie verursacht haben, einstehen. Diese Schäden sind ihr Problem, aber sie betreffen uns.
Ein Beispiel: Ich habe eine Organisation namens „Pads 4 Education“ mitgegründet. Unser Ziel ist es, Mädchen, die wenig Geld haben, mit Damenbinden zu versorgen. Wenn sie vom Klimawandel getroffen werden, müssen sich Familien zwischen Lebensmitteln und anderen Grundbedürfnissen für ihre Kinder entscheiden. Mädchen in meiner Gemeinde verpassen regelmäßig wegen so etwas Normalem wie der Periode den Unterricht, weil ihre Familien nicht in der Lage sind, sie zu ernähren und gleichzeitig Hygieneartikel zu kaufen. So beeinflusst der Klimawandel unser tägliches Leben.
Ich bin zum ersten Mal auf der COP. Die COP28 ist ein sehr großes Weltereignis. Ich bin ein bisschen nervös. Aber ich kann es nicht verpassen, mich für Klimagerechtigkeit einzusetzen. Ich kann nicht nichts sagen, nur weil es ein so großes Ereignis ist. Ich kann nicht jeden Tag aufwachen und sehen, wie meine Gemeinschaft leidet. Ich werde der Welt zeigen, dass etwas getan werden muss.
Emmanuel Kiptoo Ng'olepus (27), Mitgründer von „Pads 4 Education“, einer NGO aus Kenia, die zu Armut und Klimagerechtigkeit arbeitet
Von fossilen Energien abkoppeln
Ich fahre zur COP nach Dubai, um mich für mehr internationalen Klimaschutz einzusetzen. Die Klimakrise sorgt schon jetzt für massives Leid und große Schäden weltweit, besonders bei armen Menschen, die diese Krise am wenigsten verursacht haben. Damit die Krise endlich gerecht gelöst wird, braucht es eine starke Zivilgesellschaft, für die ich arbeite. Gemeinsam mit den Mitgliedern der Klima-Allianz will ich die deutsche Bundesregierung dazu bewegen, sich für gute Ergebnisse der Klimakonferenz einzusetzen.
Deutschland als reichem Land mit einer historischen Verantwortung für die Klimakrise kommt dabei eine besondere Rolle zu. Wir müssen zeigen, dass eine Industrienation es schafft, ihre Wirtschaft von fossilen Energien zu entkoppeln. Wir müssen ärmere Länder auch finanziell dabei unterstützen, dasselbe zu tun, ohne mit den Folgen der Klimakrise alleingelassen zu werden.
Mir ist besonders wichtig, dass die Regierungen endlich die gewaltige Lücke schließen zwischen dem, was beim Klimaschutz nötig ist, und dem, was aktuelle Klimaschutzpläne vorsehen. Bis 2030 müssten wir die weltweiten Treibhausgasemissionen laut Weltklimarat um 43 Prozent senken, um die Erderhitzung bis 2100 bei 1,5 Grad zu stoppen, aktuell liegen wir bei gerade mal 2 Prozent.
Die Regierungen müssen also jetzt aus fossilen Brennstoffen aussteigen und erneuerbare Energien massiv ausbauen. Dabei müssen sie auch mehr Menschen Energiezugang ermöglichen – damit alle von der globalen Energiewende profitieren.
Lisa Jörke, Referentin für europäische und internationale Klimapolitik bei der Klima-Allianz in Deutschland
Nicht auf Greenwashing hereinfallen
Ich reise mit der internationalen Greenpeace Delegation zur COP 28, um dazu beizutragen, dass der notwendige Beschluss gefasst wird, aus Kohle, Öl und Gas auszusteigen. Unser Ziel ist es, der zu erwartenden übermächtigen Lobby der Öl- und Gasindustrie etwas entgegenzusetzen und auch die deutsche Regierung und den Bundeskanzler Olaf Scholz zu einem Bekenntnis zum Ausstieg aus den fossilen Energieträgern zu bewegen.
Ich denke auch, dass die Konferenz erfolgreich sein kann. Sonst würde ich ja nicht hinfahren. Die COP ist die einmalige Chance, dass die politischen Entscheidungsträger die Stimmen der Opfer der Klimakrise hören und mit den am härtesten betroffenen Menschen zusammenkommen.
Die Klimakrise ist inzwischen in so vielen Ländern angekommen, dass die Politiker jetzt endlich handeln müssen. Besonders wichtig ist mir, dass die deutsche Regierung jetzt nicht auf das Greenwashing der Gasindustrie reinfällt und noch mehr Gasinfrastruktur für Bohrungen baut, wohl wissend, dass fossiles Gas die Klimakrise weiter verschärfen wird.
Martin Kaiser, Vorstand von Greenpeace Deutschland
Fortschritte bei der Finanzierung
Ich nehme an den Verhandlungen teil, um den Verhandlungsprozess, seine Qualität, das Tempo, seine Sackgassen, die Ergebnisse zu analysieren. Es geht auf der COP28 um die globale Bestandsaufnahme der Erfolge unter dem Pariser Übereinkommen und den dringenden Bedarf an Finanzhilfen zur Bewältigung der bereits akuten Klimawandelfolgen in den am stärksten betroffenen und ärmsten Ländern des Globalen Südens. Und tatsächlich erwarte ich in Dubai Fortschritte bei der Klimafinanzierung auf allen Ebenen.
Allerdings könnten symbolische Gefechte um den Kopftext eines möglichen Dubai-Abkommens das verhindern – zumindest gab es dafür im Vorfeld für dieses Szenario etliche Anzeichen. Mein persönlicher Höhepunkt wird sicherlich ein Nebenevent im Pavillon der Ukraine sein, auf dem ich wegen unseres Projekts ViaMUN eingeladen bin, dem Viadrina Model United Nations: Es geht dabei um Ausbildung in Sachen internationaler Verhandlungen, denn wir brauchen Nachwuchs, junge Verhandlerinnen und Verhandler.
Reimund Schwarze, Professor für Internationale Umweltökonomie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder)
Dialog über Kultur und Klimapolitik
2022 war ich bei einem Camp für Klimagerechtigkeit in Tunesien, wo ich Kontakte zu Greenpeacemitarbeiter*innen knüpfte. Diese luden mich ein, der Jugenddelegation für die COP27 beizutreten. Jugendliche aus dem Nahen Osten und Nordafrika (Mena) sind in der Klimapolitik erheblich unterrepräsentiert. Mein Ziel ist es, dieses Ungleichgewicht zu beseitigen.
Wir sind in der Mena-Region nicht aufmerksam genug für die Klimakrise. Das wird dadurch verstärkt, dass in Diskussionen oft Begriffe verwendet werden, die nicht direkt ins Arabische übersetzt werden können – wie „just transition“ („gerechter Wandel“) oder „loss and damage“ („Verluste und Schäden“). Das macht die Kommunikation schwieriger.
Auf der COP28 hoffe ich, einen Dialog in Bewegung setzen zu können, der die Klimapolitik mit unserem kulturellen Kontext verbindet. Ich möchte mich mit der Verbindung zwischen Klimaschutz und Religion beschäftigen und dem mobilisierenden Potenzial des Glaubens auf die Spur kommen. Ich will Menschen aus der Mena-Region befähigen, Veränderungen anzuschieben, statt auf externes Eingreifen zu warten.
Fatima-Zahrae Tarib, Klima- und Greenpeace-Aktivistin aus Marokko
Einigung bei Loss and Damages
Dubai ist nicht meine erste UN-Klimakonferenz. Meine erste COP war im Jahr 2003 in Mailand. Seitdem habe ich fast keines der UN-Klimatreffen ausgelassen. Als studierter Forstwissenschaftler war ich unter anderem zehn Jahre für die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) tätig und beriet dabei unter anderem die indonesische Regierung bei klimapolitischen Fragen.
Nun bin ich seit 2017 wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Klimapolitik beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Der Schwerpunkt meiner Arbeit liegt in der Frage, wie der globale Süden und der globale Norden beim Klimaschutz zusammenarbeiten.
Für die COP in Dubai hoffe ich, dass es beim Thema Loss and Damages eine Einigung gibt. Dabei geht es um den gerechten Umgang mit den Schäden und Verlusten im Rahmen des Klimawandels – und um sehr viel Geld.
Denn die Hauptlast tragen die Länder des globalen Südens, während die größten Verursacher des Klimawandels die reichen Industrieländer im Norden sind. Auf der vergangenen Konferenz einigte man sich deswegen darauf, dass es einen speziellen Fonds geben soll, mit dem arme Länder für ihre Klimaschäden entschädigt werden sollen. Doch bisher wurden diesbezüglich noch nicht genügend finanzielle Mittel zugesagt.
Deswegen hoffe ich auch, dass die potentiellen Geberländer Zusagen machen, wie viel sie für die Bekämpfung des Klimawandels geben wollen. Am Ende sollten für den Fonds deutlich mehr als die 100 Milliarden US-Dollar zusammenkommen, die bisher pro Jahr fließen sollen. Doch bis der Fonds für Schäden und Verluste endgültig steht, wird noch etwas mehr Zeit vergehen. Damit werden sich auch die Teilnehmer*innen der COP29 im kommenden Jahr beschäftigen.
Heiner von Lüpke, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)
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