Proteste in Georgien: „Russisches Kriegsschiff, f… dich!“
Russland habe die Region Abchasien nicht besetzt, sondern von Georgien befreit, behaupten russische Touristen. Das führt in Batumi und Tbilissi zu Protesten.
Grund dafür war die Auskunftsfreude einiger Reisender gegenüber Journalist*innen georgischer Medien. Das Webportal JaMnews zitiert eine Russin, die von der Besatzung Abchasiens – eine autonome Region, die völkerrechtlich zu Georgien gehört – durch russische Truppen nichts weiß. Russland sei keine Besatzungsmacht, sondern habe Abchasien von Georgien befreit. Die Menschen dort hätten um Hilfe gebeten, da Georgien Panzer geschickt habe. Sie habe das alles selbst in Abchasien gesehen.
Eine andere russische Touristin berichtet, das letzte Mal 1978 in Batumi gewesen zu sein. Jetzt wolle sie die historischen Stätten wiedersehen. Russland sei kein Besatzer. Und: „Wir sind alle die Sowjetunion, ein großes und schönes Land.“
Die Region Abchasien hatte sich 1993 nach einem Krieg gegen Georgien für unabhängig erklärt. Nach bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Russland und Georgien um die zweite abtrünnige Region Südossetien im August 2008 erkannte Moskau beide Gebiete als unabhängig an. Heute sind 20 Prozent des georgischen Territoriums von russischen Truppen besetzt.
Fahne verbrannt
Die Kommentare der russischen Tourist*innen verfehlten ihre Wirkung nicht. In der Hauptstadt Tbilissi versammelten sich wütende Aktivist*innen vor dem Parlamentsgebäude, eine russische Fahne wurde verbrannt. In Batumi hielten Protestierende Plakate in die Höhe. Dort waren Parolen zu lesen wie: „Russland hat uns unsere Heimat, unsere Leben und unsere Zukunft weggenommen“ und „Die georgische Regierung kann aus dem georgischen Volk keine Russ*innen machen!“
Berichten der georgischen Webseite Batumelebi zufolge hätten Demonstrant*innen in Batumi „Abchasien ist Georgien“ skandiert und dabei Bilder aus den Kriegen in den Händen gehalten. Auch Rufe wie „Russisches Kriegsschiff, f… dich!“ waren zu hören.
Besagten Satz, den in der Ukraine mittlerweile jedes Kind kennt, hatte ein ukrainischer Soldat auf der Schlangeninsel am 24. Februar 2022, dem ersten Tag von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, als Funkspruch abgesetzt. Er war eine Antwort an die Forderung der russischen Besatzung eines Kriegsschiffes, das kleine Eiland im Schwarzen Meer zu räumen. Die Schlangeninsel ist, nach mehrmonatiger russischer Besatzung, seit Ende Juni 2022 wieder unter ukrainischer Kontrolle.
Im Zuge der Protestaktionen meldete sich auch der georgische Verband junger Jurist*innen zu Wort. An das Innenministerium erging die Aufforderung, gegenüber Personen, die in Abchasien gewesen seien, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Denn das stelle „einen Verstoß gegen die Gesetze über besetzte Gebiete dar“.
Die „Astoria Grande“ hatte am 22. Juli im russischen Sotschi abgelegt. Laut der georgischen Schifffahrtsagentur, die die oppositionelle russischsprachige Novaya Gazeta Europe zitiert, fahre das Kreuzfahrtschiff unter der Flagge von Palau, einem Inselstaat im Pazifik, und gehöre zur türkischen Kreuzfahrtgesellschaft Miray Cruises International. Es sei auf den Seychellen registriert und unterliege keinen internationalen Sanktionen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW