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Proteste gegen Polizeigewalt in den USAWut, Mut und wilde Hunde

Kommentar von Stefan Schaaf

Nach dem Tod des Schwarzen George Floyd weiten sich die Proteste in den USA aus. Zwischen Pfefferspray und Plünderungen beweisen einige Leute Haltung.

Proteste gegen Polizeigewalt und Rassismus am Pfingstsonntag in Michigan Foto: John Sibeley/reuters

I n 75 Städten der USA gab es am Pfingstwochenende Proteste, vier Menschen verloren dabei ihr Leben. Der Tod des 46-jährigen Afroamerikaners George Floyd durch Polizeigewalt in Minneapolis hat das Land aufgewühlt wie keine der früheren Gewalttaten gegen unbewaffnete Schwarze. Trayvon Martin in Florida, Michael Brown in Ferguson, Missouri, oder Eric Garner in New York wären da zu nennen. Vor allem diese drei Todesfälle waren der Auslöser für die Black Lives Matter-Bewegung, die seit 2013 gegen systematische Gewalt und Diskriminierung von AfroamerikanerInnen protestiert.

Die Szene, wie George Floyd vom Knie eines Polizisten minutenlang die Luft abgedrückt wird, während Umstehende den Beamten drängen innezuhalten, wurde auf Video dokumentiert. Die Washington Post hat nun den gesamten Ablauf der Festnahme aus verschiedenen Blickwinkeln rekonstruiert. Es sind verstörende Bilder, die das Ausmaß der Wut, die sich in den vergangenen Nächten entlud, nachvollziehbar machen.

Brandstiftungen und Plünderungen gingen mit überwiegend friedlichen Protesten einher, auch Polizei und Nationalgarde überschritten die Grenzen des Erträglichen, wenn sie mit Gummigeschossen auf JournalistInnen feuerten oder mit ihren Einsatzfahrzeugen in die Protestierenden fuhren. Aber Demonstranten attackierten ebenso die Presse, wie hier die CBS-Reporterin Briana Whitney in Phoenix, und Einrichtungen wie den Sitz von CNN in Atlanta. Der Berufsverband der Medienleute veröffentlichte einen offenen Brief, in dem an beide Seiten appelliert wurde, die Medien bitte ihren Job machen zu lassen.

Wer sich durch die Websites der US-Medien und die Twitter-Accounts zum Thema klickt, stößt auf viele Grautöne, die überraschen, wenn man die Ereignisse nur zwischen berechtigtem Zorn und brutaler Staatsgewalt unterteilen will. Es gibt Polizeikräfte, die sich mit dem Protest solidarisieren, etwa in Kansas City oder in Flint, Michigan. Es gibt Menschen, die mit vielen anderen anpacken, um die Spuren der nächtlichen Gewalt zu beseitigen.

Trump droht mit „wilden Hunden“

Oder Menschen, die großen Mut beweisen, wie die 17-jährige Darnella Frazier, die die Festnahme George Floyds mit dem Handy filmte und nun online geschmäht wird. Oder andere, die uns berühren, wie der 12-jährige Keedron Bryant mit seinem Gospelsong für George Floyd, der x-fach auf Youtube geteilt wird.

Und Präsident Trump? Er drohte den DemonstrantInnen vor dem Weißen Haus, „wilde Hunde“ auf sie zu hetzen. Aber er hat tatsächlich die Familie Floyds angerufen. George Floyds jüngerer Bruder Philonise berichtete hinterher: „Es ging so schnell. Ich hatte gar keine Chance, auch etwas zu sagen. So schwierig. Ich versuchte, ein Wort dazwischen zu bekommen, aber er hat mich irgendwie abgewimmelt, als ob er es gar nicht hören wollte.“ Was des Kommentars genug ist.

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19 Kommentare

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  • Der seit Jahrhunderten bestehende und fortwährende Rassismus in den USA ist abscheulich.

    Der Horrorclown im Weißen Haus versucht dies für sich auszuschlachten.

    Wer sich - zu Recht - über die zahlreichen Videobeweise über fortwährende Polizeigewalt in den USA empört sollte nicht vergessen, dass wir in Deutschland auch ein solches Problem haben: Inhaftierte ersticken unter polizeilicher Gewaltanwendung oder verbrennen - obgleich gefesselt - in einer Arrestzelle und deutsche Staatsanwälte stellen Ermittlungen ein.

    Auch bei uns gibt es keine echte Fehlerkultur innerhalb der Polizei. Allzu oft geht Korpsgeist vor Ehrlichkeit, riskiert die Mehrheit der "Freunde und Helfer" das Ansehen der Polizei für die kleine Zahl gewalttätiger "Bullen".

  • Will man die Brisanz der Tatsache, dass Polizisten in den USA Reporter beschossen, damit kleiner machen, dass auch Demonstranten die Vertreter von Mainstream-Medien angriffen? (Das Video zeigt allerdings nur eine aggressive Störung). Was ist mit den Polizei-Wagen, die in Menschenmengen fuhren? Würde das alles in Russland passieren, würde man bei der taz viel mehr von der unheimlichen Staatsmacht sprechen, habe ich das Gefühl.

    • @Katev :

      "Würde das alles in Russland passieren [...]"

      Nö, das Gefühl habe ich nicht.

      Ehrlich gesagt: die Erzählung die-taz-ist-ja-nur-ein-nato-organ geht mir mittlerweile mächtig an die Ketten.

      Die Nato problematisch? Sure. Die CIA hat überall Maulwürfe? Ja klar. In der taz. Und in der Wikipedia und von mir aus auch in der katholischen Badeanstalt Obertaufung. Alle mischen mit, auch das GRU. Dagegen hilft nur (bedingt, ich weiss) kritisch denken. Auch selbstkritisch.

  • Trump im Norden - Bolsenaro im Süden:



    Die rechten Haudegen werden einen ganzen Kontinent in Schutt, Asche und Elend verwandeln.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Als alter Freund der Grautöne nehme ich Nachrichten dieser Art mit Freude auf.

    Nicht, dass es mir am Verständnis für die Wut der Demonstrierenden fehlen würde. Die Impulse teile ich.

    Doch empfiehlt sich stets (ich weiß, ich habe da von hier gut reden) eine funktionierende Impulskontrolle. Erstens als Selbstschutz, vor allem körperlicher Art. Zweitens, um nicht jenen Futter zu geben, die von gewalttätigem Protest profitieren.

    Ich rede von jenen Lautsprechern, die von Ursache-Wirkung-Verdrehungen leben wie Maden im Speck.

    Die Schilderung von Trumps Anruf zeigt mir: dem geht der A**** auf Grundeis.

    Weiter so. Auch wenn 'Sleepy Joe' keine Offenbarung ist: Das gibt Hoffnung für die nahe Zukunft.

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Hofer mit dem Grundeis haben Sie recht.

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Da schließe ich mich gerne an.

  • Erschreckend ist, dass die Revolten nicht zu einer Änderung neoliberaler Politik



    führen werden.Nicht am Virus, sondern



    daran werden wir auf kurz oder lang alle verrecken.

  • Ok, ok der soundsovielste Artikel der TAZ aus USA über Aufregerthema.



    Interessant und zu recherchieren wäre auch die Geschiche aus Diezenbach.



    www.stern.de/panor...ideo--9282208.html

    • @lulu schlawiner:

      Was hat das mit dem hiesigen Artikel zu tun? Worauf wollen Sie hinaus?

      Solange Sie sich diesen Fragen nicht stellen würde ich sagen: thema verfehlt.

      • @tomás zerolo:

        Also der Versuch einer Erklärung:



        Der "soundsovielste" bedeutet, dass sich bestimmte Leser mal wieder als bessere Menschen erleben können, weil sie das Gelesene verurteilen. Man/frau fühlt sich gut, erhaben und überlegen wenn er sich vor den vermeintlich schlechteren Menschen abbilden kann. Das ist gut fürs Ego.



        Und bei Diezenbach mache ich mir einfach Sorgen ob das in unserer Nachbarschaft auch passieren kann. Offensichtlichen Rassismus haben wir hier in meinem Hamburger Alltag nicht. Ein so massiver Angriff auf die Polizei , außer situationsbedingt bei Demos, kenne ich nicht.

        • @lulu schlawiner:

          Danke für den Erklärungsversuch. Dennoch finde ich Ihren Kommentar deplaziert: natürlich ist das, was in Diezenbach passiert ist nicht in Ordnung. Das hat aber nichts mit dem Artikel zu tun und mindert seine Gültigkeit nicht im Geringsten.

          Und wenn Sie hierzulande keinen Rassismus sehen können... dann gucken Sie nicht sehr genau.

  • Die Revolten werden Corona in den USA noch weiter ausbreiten.

    • @Hartz:

      Heute ist aber auch jeder Epidemiologe. Sogar Herr Hartz.

      Können Sie auch ein Konfidenzintervall angeben, werter Herr Kollege?

      • @tomás zerolo:

        Bestreiten Sie etwa meine Aussage?



        Weil nicht sein kann, was nicht sein darf?



        Bitte geben Sie doch ein Konfidenzintervall an. Können Sie doch bestimmt...

        Die Proteste sind natürlich sehr berechtigt.

        • @Hartz:

          "Bestreiten Sie etwa meine Aussage?"

          Aber nein doch. Ich habe nur nach mehr Substanz gefragt, die diese untermauert.

          "Bitte geben Sie doch ein Konfidenzintervall an"

          Ich habe zuerst gefragt ;-P

          • @tomás zerolo:

            Als Konfidenzintervall gebe ich mal 2,450887721^576ß39 an. Weil Sie zuerst gefragt haben.



            Möchten Sie jetzt eine andere Angabe angeben. Ich habe nämlich zuerst angegeben.

    • @Hartz:

      Danke für diesen hilfreichen Kommentar

      • @Max Mutzke:

        Ist einfach so.