Protest von Landwirten: Drei Runden fürs Dorf
Landwirte und Naturschützer reden derzeit beleidigt und gereizt aneinander vorbei. Eine Verständigung ist möglich, aber sie machen es sich zu einfach.
B auern machen sich zu klein. Jene, die nur abwehren, anstatt Zukunft zu entwickeln. Wer mit ihnen wieder ins Gespräch kommen will, muss sie stärken, nicht schwächen. Falsch? Weil die Bauern mit ihren Traktoren vorm Kanzleramt anrücken, grüne Kreuze in ihre Äcker rammen, sich mit vehementer Rhetorik gegen neue Bauernregeln für Dünger und Ackerchemie stellen? Sie sind es, die rauskommen müssen aus ihrer Jammerecke, aus ihrem Mimimi? Nein, so einfach, so einseitig ist es nicht, so kommt niemand weiter. Der Weg zur neuen Verständigung ist ein anderer. Ein Annäherungsversuch in drei Schritten:
Schritt 1: Die Koteletts müssen mehr werden, die Kartoffeln dicker, die Euter praller, die Eier zahlreicher – über Jahre haben sich die Landwirte angehört, dass ihre Ställe und Äcker, ihre Höfe größer werden müssen. Wie sie heute zumeist wirtschaften, war politisch gewollt. Und nun hören sie, dass die Gülle ihrer Tiere das Grundwasser verseucht, ihr Mais den Schmetterlingen das Leben schwer macht. Dass es ohne Bauern nicht geht, dass das niemand will, dass Brüssel darum auch die Landwirte europaweit mit rund 60 Milliarden Euro im Jahr unterstützt, dass dies mehr Wertschätzung ist als für irgendeine Berufsgruppe sonst – das hören sie nicht.
Der Mensch ist eher darauf gepolt, das Negative zu hören. Darum kommt bei vielen Bauern derzeit offenbar nur eins an: Meine Arbeit, abhängig von den Launen der Natur, ausgesetzt dem ruinösen Preiskampf der Discounter, ist eh schon hart – und nun soll sie auch noch für den, nun ja, Arsch sein? Der Frust auf dem Land ist riesig. Der Konflikt zwischen Landwirten und Naturschützern wird sich nicht lösen lassen, ohne diese Enttäuschungen anzuerkennen. So mancher kommt eh kaum noch über die Runden.
Das ist – Schritt 2 – nicht den einzelnen Bauern anzulasten, vielmehr Ministern und Ministerinnen, die den tiefgreifenden Wandel auf dem Lande über Jahre ignoriert, dem Wachsen und Weichen des Deutschen Bauernverbands keine neuen, keine vorausschauenden Ideen entgegengesetzt haben. Die meisten aus der Union. Aber auch Karl-Heinz Funke, SPD-Agrarminister um die Jahrtausendwende, reimte lieber Sprüche wie „Oldenburger Butter hilft dir rauf auf die Mutter“. Dabei hielten auch zu seiner Zeit schon viele Bauern nicht mehr mit, sie konnten nicht immer mehr und billiger produzieren. Allein in den vergangenen zwanzig Jahren haben rund 205.000 ihren Hof dichtgemacht. Für ein Kalb gibt es heute weniger Geld als für ein Meerschweinchen.
Vielleicht würde es helfen, wenn die Bundesregierung eingestehen würde: Es tut uns leid, wir haben die Grenzen der Rationalisierungen auf dem Lande zu spät erkannt. Was wir da jetzt auf einmal von euch verlangen, ist viel. Es könnte das Reden über eine bessere, langfristige Strategie für das Leben auf dem Lande leichter machen.
Zunächst braucht es überhaupt mal eine Vision, wo es hingehen soll. Ein oder zwei Agrargipfel im Kanzleramt mit 40 Profis, die für Verbände, Länder und so fort sprechen, reichen für eine Verständigung über die Zukunft auf dem Lande aber nicht aus. Warum nicht Schritt 3 und eine, wie die Franzosen sagen, große Debatte, ermöglicht von Bundes- oder Landesregierung?
Die wird in der derzeit so gereizten Gesellschaft natürlich nicht leicht. Wer die Auseinandersetzungen zur Agrarpolitik auf Twitter, Facebook oder Instagram anschaut, mag sich fragen, ob das funktionieren kann. Einer ätzte dort vor wenigen Tagen erst in einem Video-Selfie über das „ganze Gesülze und Geseiere“ der Politiker. Die zögen doch nur „weiter ihren Stiefel durch, und was mit uns Bauern passiert, ist denen letzten Endes scheißegal“. Ein anderer erklärte, „wir werden gerade ohne Verhandlungen und ohne Mitspracherecht zum Schafott geführt“. Und weiter: „Wir müssen der Politik zeigen, dass man die Hand, die einen füttert, nicht straflos beißen kann.“ Beide gehören zur Initiative „Land schafft Verbindung“, schaffen aber das Gegenteil.
Doch kleine Videos, in denen die „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu“-Regel aufgehoben zu sein scheint, sind schnell gedreht. Diskussionen im Netz haben ihre eigene Dynamik einer respektlosen Rhetorik. Wer dort seine Wut rausrotzt, spricht noch lange nicht für alle. Viele ticken anders auf dem Land. Das zeigt sich in den Internetkommentaren auch, nur dringen die Gemäßigten seltener durch.
Im besten Fall Respekt
Politikvertreter müssen darum andere Räume suchen, wenn sie einen „nationalen Dialog“, wie ihn CDU-Bundesagrarministerin Julia Klöckner angekündigt hat, ernst meinen. Das Feuerwehrhaus etwa, die Turnhalle, das Rathaus, das Landratsamt vor Ort, wo sich die Menschen austauschen können, die unterschiedlich mit dem Land zu tun haben, und einander tatsächlich zuhören. Wo sich im besten Fall alle als Fachleute respektieren: Umweltverbände die Bauern als Experten für Nahrungsmittelproduktion, Bauern die Umweltschützer als Kenner von Klima, Wasser, Boden, beide die Politiker als Fachleute für nötige Regelungen, die Städter als Verbraucher und jeden als Steuerzahler. Wo das „Ich mache alles richtig, die anderen spinnen“-Denken aufbricht.
Erste Runde: Verständnis. Denn natürlich lässt sich niemand gerne reinreden, und in kaum einen Beruf wird so viel reingeredet wie in den eines Bauern. Nur: Um was geht es genau? Sie stört der Begriff „Massentierhaltung“? Okay. Welches Wort dann? Und: Warum gehen Verbraucher zum Discounter, aber fordern Umweltauflagen, die die Landwirte Geld kosten? Oder: Der Schwund der Biodiversität ist eindeutig, wissenschaftlich abgesichert wie der menschengemachte Klimawandel, doch wie groß ist der Anteil der Nahrungsmittelproduktion? Zweite Runde: Zukunft. Wo soll es hingehen? Dritte Runde: Umbau. Wer kann was leisten und wo sind die Grenzen?
Es wäre ein Angebot, Politik mitzumachen, Ideen einzubringen, Projekte zu entwickeln und sich nicht klein zu machen, sondern: groß.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen