Protest gegen Abschiebeknast Glückstadt: Hungerstreik beendet Abschiebehaft
Nach neuntägigem Hungerstreik wurde Hossein N. aus der Abschiebehaft in Glückstadt in Schleswig-Holstein entlassen. Seine Perspektive ist schlecht.

Derzeit fühle er sich „sehr schwach“. Er brauche Zeit, gesundheitlich wieder zurechtzukommen. Doch die Freude über die wiedererlangte Freiheit ist groß: „Es ist eine schwierige Zeit für mich, aber heute bin ich wieder frei“, sagte er am Tag nach seiner Entlassung. Jetzt müsse er den nächsten Termin bei der Ausländerbehörde abwarten. Was dann passiert, wisse er nicht. „Ich hoffe aber, dass ich endlich ein Bleiberecht bekomme.“
Hossein N., weiter von Abschiebung bedroht
Die Antwort der Kieler Behörde klingt jedoch nicht sehr vielversprechend: Sein Asylantrag sei 2017 abgelehnt worden, der Rechtsweg ausgeschöpft, das Urteil seit 2018 rechtskräftig. Seither bestehe Ausreisepflicht, und das ändere sich auch durch die Entlassung nicht. „Über das weitere Vorgehen wird in den nächsten Wochen beraten.“
Am 11. Mai wurde Hossein N. von der Polizei in die Abschiebehaft gebracht. Denn beim Abschiebeversuch kurz zuvor habe er Widerstand geleistet und die Abschiebung dadurch verhindert, schreibt die Kieler Sprecherin. Kurz darauf tritt er in den Hungerstreik. Seine Abschiebung nach Griechenland, wo er 2003 erstmals einen Asylantrag gestellt hatte, ist zu dem Zeitpunkt für den heutigen Freitag angesetzt.
Die Arbeitserlaubnis fehlte
N. ist Iraner mit kurdischen Wurzeln, floh 1999 über die Türkei nach Griechenland. Nachdem er dort festgehalten wurde, ging es weiter über die Schweiz nach Deutschland. Hier will er bleiben. Seit neun Jahren lebt er in Kiel. Er spricht Deutsch, möchte arbeiten. Doch die Ausländerbehörde weigerte sich bislang, dies zu erlauben – fehlte doch der iranische Pass von N. Aus Angst, dass seine Familienmitglieder im Iran vom dortigen Regime bestraft würden, könne er sich jedoch nicht an die Botschaft wenden, um einen Pass zu beantragen, erklärte er.
Das Abschiebegefängnis in Glückstadt wurde im Sommer vergangenen Jahres in Betrieb genommen. Es dient den Ländern Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern und bietet Platz für bis zu 60 Menschen. Von außen sieht die Ex-Kaserne aus wie ein Hochsicherheitsgefängnis. Aber die Sicherung diene dazu, „dass sich die Menschen innerhalb ihrer Bereiche frei bewegen können“, sagte der Sprecher des schleswig-holsteinischen Landesamtes für Zuwanderung und Flüchtlinge damals der taz. Denn das Motto der Einrichtung lautet: „Wohnen minus Freiheit“.
Damit habe das Gefängnis aber wenig zu tun, sagt Ela Hazem, Sprecherin der Kampagne „Kein Abschiebegefängnis in Glückstadt und anderswo!“, die Hossein N. unterstützt. Er selbst sagte am Mittwoch wenig zu den Bedingungen vor Ort. Aber: „Wenn man eingesperrt ist, egal ob das Gebäude modern oder alt ist, geht es einem nicht gut. Ein unklares Schicksal wartet auf die Menschen, die dort sind.“
Die Initiative kündigt nun eine Demo in Kiel an. Denn ihre Forderung ist mit der Freilassung von Hossein N. noch lange nicht erfüllt: das Abschiebegefängnis in Glückstadt zu schließen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alles zur Bundestagswahl
Lindner und die FDP verabschieden sich aus der Politik
Sauerland als Wahlwerbung
Seine Heimat
Pragmatismus in der Krise
Fatalismus ist keine Option
Erstwähler:innen und Klimakrise
Worauf es für die Jugend bei der Bundestagswahl ankommt
Totalausfall von Friedrich Merz
Scharfe Kritik an „Judenfahne“-Äußerungen
Wahlergebnis der AfD
Höchstes Ergebnis für extrem Rechte seit 1945