Protest der Letzten Generation in Berlin: Die Polizei weiß Bescheid
Die Beamten rücken in Berlin schnell an – mit Pinsel und Speiseöl. Zuletzt gab es Kritik an Äußerungen der Polizeisprecherin.
Doch der angekündigte Plan der Gruppe ab Donnerstag, die Stadt mit bis zu 1.000 Aktivist:innen zum Stillstand zu bringen, mit womöglich Dutzenden parallel stattfindenden Blockaden, stellt auch die Polizei vor ganz neue Herausforderungen. Auf Anfrage teilt sie mit, im Stadtgebiet eine „Vielzahl von Polizistinnen und Polizisten“ bereitzuhalten, die „Verkehrsknotenpunkte sowie Zu- und Abfahrten zur Stadtautobahn im Blick behalten“. Auch Parlaments- und Regierungsgebäude, Medienhäuser und andere symbolträchtige Orte möchte die Polizei nach eigenen Angaben besonders schützen. Zusätzliche Einsatzkräfte aus anderen Bundesländern haben die Behörden aber nicht angefordert.
Sogenannte Gefährderansprachen bei bekannten Aktivist:innen der Letzten Generation seien nicht wiederholt worden, heißt es weiter. Dagegen kündigt die Polizei an: „Wir werden Straftäterinnen und Straftäter konsequent zwecks richterlicher Anordnung eines Gewahrsams zur Gefahrenabwehr oder von Untersuchungshaft vorführen.“
Eine Kontroverse gibt es indes um eine Aussage der Polizei-Sprecherin Beate Ostertag. Diese hatte am Dienstag der RBB-Abendschau gesagt: „Im Idealfall können wir die Blockaden und Aktionen verhindern.“ In Reaktion darauf hat der rechtspolitische Sprecher der Berliner Linksfraktion, Sebastian Schlüsselburg, einen Brief an Innensenatorin Iris Spranger (SPD) geschrieben, der der taz vorliegt. Schlüsselburg argumentiert darin, diese Äußerung stehe „nicht im Einklang mit den gesetzlichen Festlegungen im Versammlungsfreiheitsgesetz“, das die Polizei dazu verpflichtet, „friedliche Versammlungen zu schützen“.
Klebeverbot nicht rechtmäßig
Ob die Protestform etwa wegen einer „verwerflichen Nötigung“ ihren Grundrechtsschutz der Versammlungsfreiheit im Einzelfall verliert, müssen, so Schlüsselburg, „Gerichte und am Ende wahrscheinlich wieder Verfassungsgerichte entscheiden“. Bis dahin jedoch gelte, dass der „Versammlungsbegriff in der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes offen auch für provokante und non-verbale Demonstrationsformen ist“.
Um Proteste von vornherein zu verhindern, hatte die Berliner Polizei zuletzt gegen 17 Menschen, bei denen sie davon ausgeht, dass sie erneut Straftaten begehen könnten, halbjährige Klebeverbote erteilt. Bei Verstößen gegen diese Anordnung drohte sie den Aktivist:innen Zwangsgelder in Höhe von je 2.000 Euro an. Doch am Montag musste die Polizei in einem Fall eine Schlappe vor dem Berliner Verwaltungsgericht erleiden, bei der sich eine Aktivistin gegen die Androhung per Eilantrag zur Wehr gesetzt hatte.
Das Gericht entschied: Der Anfang Dezember ergangene Verbotsbescheid, sich im Stadtgebiet „festzukleben, einzubetonieren oder in ähnlicher Weise dauerhaft mit der Fahrbahn zu verbinden“, wird aufgehoben, denn er sei „nicht hinreichend bestimmt“. Die Betroffene könne nicht sicher entnehmen, was von ihr verlangt werde, etwa für welche Straßen das Verbot gelte. Die Polizei hat gegen den Beschluss Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht eingelegt; das Verbot gilt damit vorerst weiter.
Nach aktuellen Zahlen, die zuerst die Welt veröffentlichte, waren Polizist:innen in der Hauptstadt seit Beginn der Klebeaktionen Anfang 2022 insgesamt rund 302.000 Stunden wegen Blockaden und ähnlichen Aktionen von Klimaschützer:innen im Einsatz. Dabei wurden insgesamt 3.000 Strafanzeigen gegen 805 Tatverdächtige gefertigt, darunter gegen 67 Personen, die mehrfach auffielen. 57 Mal wurde Gewahrsam angeordnet, der in Berlin derzeit maximal zwei Tage betragen darf. Die Hälfte der Anzeigen betrifft „Nötigung im Straßenverkehr“.
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