Automesse in Shanghai: Kehrtwende auf Chinas Straßen

Auf dem chinesischen E-Auto-Markt überholen heimische Hersteller die deutschen. VW bleibt locker. Zumindest auf der Automesse in Shanghai.

3D-Animation eines Elektroautos vor Publikum

VW-Präsentation auf der Automesse in Shanghai Foto: Aly Song/reuters

SHANGHAI taz | Auf der „Auto Shanghai“ gibt sich Volkswagen nach wie vor als Platzhirsch auf dem weltweit größten Automarkt: Mit perfekt choreografierter Lichtshow präsentiert der eingereiste Vorstand auf der Branchenmesse sein neues Premiummodell ID.7, das die Aufholjagd auf dem heiß umkämpften Elektromarkt einläuten soll.

Influencer belagern die Limousine. VW-Vorstand Thomas Schäfer, ein großgewachsener Managertyp mit perfekt sitzendem Anzug und Einstecktuch, zeigt sich selbstbewusst: „Wir haben eine starke Palette und sind eigentlich sehr zufrieden. Ich glaube nicht, dass wir die Entwicklung verschlafen haben“, sagt der 53-Jährige.

Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Gleich zu Beginn der am Dienstag eröffneten Automesse trudelte eine Eilnachricht ein, die die Branche nachhaltig erschütterte: Der chinesische Hersteller BYD (Build Your Dreams) ist im ersten Quartal am traditionellen Spitzenreiter VW vorbeigezogen.

Im Elektrosegment verschiebt sich die Macht bereits seit Längerem: 2022 stammten fast acht von zehn verkauften E-Autos aus heimischer Produktion. Innerhalb des restlichen Anteils spielen die deutschen Anbieter nur eine untergeordnete Rolle.

Paradigmenwechsel mit kulturellem Ursprung

Für den Experten Tu Le hat der Paradigmenwechsel auch einen kulturellen Ursprung: Die deutschen Autoingenieure seien vom Erfolg der letzten Jahrzehnte behäbig und ignorant geworden. Sie seien auf Spaltmaße und Motorik fixiert, hätten jedoch Berührungsangst vor Software und digitaler Veränderung. „Die Software kann dem Auto jedoch längst nicht mehr untergeordnet sein, die Software ist das künftige Auto“, sagt Tu Le.

Bereits jetzt ist ein Viertel der verkauften Neuwagen in China E-Autos, Tendenz steigend. Denn die Regierung hat bereits vor Jahren damit begonnen, die Lizenzvergabe für Verbrennungsmotoren stark zu drosseln. Bei E-Autos und selbstfahrenden Pkws kann die Volksrepublik aus dem Vollen schöpfen: China verfügt über ausreichend Lithium, das für die Produktion von Batterien notwendig ist.

Das Land hat zudem im Gegensatz zu Europa lasche Regulierungen für Datenschutz und Privatsphäre. Hinzu kommen die bereits hoch entwickelten Tech-Unternehmen, welche die Software für die Autos der Zukunft bereitstellen. Schon jetzt werden in China mehr E-Autos verkauft als im ganzen Rest der Welt zusammen.

Kaum ein Produzent schreibt schwarze Zahlen

Doch die chinesische E-Auto-Branche ist keineswegs eine einzige Erfolgsgeschichte. Aufgrund von Regierungssubventionen sind derart viele Unternehmen angezogen worden, dass sich die meisten von ihnen selbst kannibalisieren: Kaum ein Produzent schreibt bislang schwarze Zahlen. Hinzu kommt seit Jahresbeginn ein erbitterter Preiskampf.

Volkswagen versucht nun, mit weiteren Investitionen eine Aufholjagd zu forcieren. Allein während der Automesse in Shanghai kündigten die Wolfsburger an, 1 Milliarde Euro in ein neues Innovationszentrum für Elektroautos zu stecken.

Zuletzt sprach VW zudem von einem Joint Venture mit Horizon Robotics, einem der vielversprechendsten chinesischen Start-ups für Computerchips, künstliche Intelligenz und autonomes Fahren. Der Markt im Reich der Mitte ist so wichtig geworden, dass politische Risiken zumindest in öffentlichen Statements des Konzerns kaum Thema sind.

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