Pro und Contra: Müssen wir die Bundeswehr feiern?

Der rot-grüne Senat in Hamburg plant zum 69. Geburtstag der Bundeswehr eine Feier – zusätzlich zum Veteranentag im Juni 2025. Ist das gut so?

Eine Mutter mit zwei Kinder steht vor einem Luftlandepanzer der Bundeswehr.

Es ist nicht so, dass die Streitkräfte nicht präsent wären in der Öffentlichkeit: Tag der Bundeswehr in Hamburg am 8. Juni 2024 Foto: Markus Scholz/dpa

Ja

Allerdings kann von müssen nicht die Rede sein. Zwang und Jubel wären fehl am Platz. Sie widersprächen der Absicht der rot-grünen Koalition in Hamburg und wären dem Gegenstand auch nicht angemessen. Denn worum es geht, sind Respekt und Wertschätzung. Es geht darum sicherzustellen, dass die Bundeswehr kein Fremdkörper in der Gesellschaft ist.

Mit dem Veteranentag hat der Bundestag die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine festgestellte Zeitenwende auf symbolischer Ebene nachvollzogen. Er hat deutlich gemacht, was eigentlich schon lange im Bewusstsein der Gesellschaft angekommen sein müsste: dass sich auf eine schlagkräftige Bundeswehr doch nicht verzichten lässt und dass der Soldatenberuf einen besonderen Charakter hat.

Wer „Veteranen“ hört, denkt an grausame Gefechte, an verstümmelte Leiber, gezeichnete Menschen. Das ist gruselig. Die ganz Alten denken an Bombennächte und nie heimgekehrte Väter, die Mittelalten an die apokalyptische Stimmung zur Zeit der Friedensbewegung. Das alles kommt nun mit Wucht zurück. Dem muss sich die Gesellschaft stellen und ihr Verhältnis zur Armee neu justieren.

Der Soldat hält den Kopf hin, auch wenn er damit rechnen muss, dass es ihn selbigen kosten könnte. Bundeswehrsoldaten – und Soldatinnen – müssen bereit sein, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, um unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaft zu verteidigen. Das gilt es zu würdigen. Wer sagt, das lohne sich nicht, der frage sich, wozu wir so aufgeregt über Rassismus, Sexismus, Antidiskriminierung, Gewalt gegen Frauen und Kinder und Gleichstellung diskutieren. Wenn das alles nichts wert ist, können wir uns auch die Bundeswehr schenken.

Klar: Auch ziviler Widerstand ist denkbar. Aber die Voraussetzungen hierfür sind noch weniger entwickelt als die Bundeswehr Stand heute.

Wenn wir also wollen, dass sich jemand bereit findet, in den Streitkräften zu dienen, dann muss dieser jemand zwar nicht gleich bejubelt, aber eben auch nicht entgeistert angeguckt werden.

Um etwas mehr Nähe zwischen der Bevölkerung und ihren Streitkräften zu stiften, ist es sicher eine gute Sache, den Geburtstag der Bundeswehr in Hamburg zu feiern. Etwas seltsam ist es zwar, mit dem 69. Gründungstag anzufangen. Aber die neue Bedrohung durch Russland mag auch hier eine besondere Dringlichkeit schaffen.

Mit der Geburtstagsfeier will Rot-Grün ausdrücklich einer breiten Definition des Veteranenbegriffs Vorschub leisten: Alle, die in den Streitkräften dienen oder gedient haben, sollen sich angesprochen fühlen. Denn beim Feiern des Bundeswehrgeburtstages geht es darum, die Streitkräfte aus der Schmuddelecke zu holen, und auch darum, die Verteidigungsbereitschaft zu stärken. Das ist eine gute Idee. Gernot Knödler

Nein

Der Antrag von SPD und Grünen für die nächste Bürgerschaftssitzung in Hamburg ist unheimlich. Schade genug, dass der Bundestag Ende ­April auch mit den Stimmen der einst pazifistischen Grünen einen „Veteranentag“ beschlossen hat, der ab dem 15. Juni 2025 jährlich alle Menschen ehren soll, die einmal gedient haben. In Hamburg will Rot-Grün zusätzlich ein „Zeichen setzen“ und schon in diesem Jahr am 12. November eine große Feier anlässlich des 69. Gründungstags der Bundeswehr ausrichten.

Man wolle mit der Würdigung „nicht bis 2025 warten“, sagt SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf. Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine habe „schmerzlich gezeigt“, dass wir eine gut aufgestellte Bundeswehr brauchen, ergänzt die Grüne Sina Imhof. In ihrem Antrag lobt Rot-Grün die Hilfe der Bundeswehr bei Katastrophen wie der Hamburger Sturmflut 1962, die tief im kollektiven Gedächtnis verankert sei.

Die Stadt wird nun aufgefordert, das Landeskommando Hamburg der Armee bei seiner Feier zu unterstützen und sich daran zu beteiligen. Das Landeskommando begeht den Tag sonst mit einer Andacht im Michel. Die Feier werde in diesem Jahr „etwas größer“, so ein Sprecher.

Schon der Veteranentag ist überflüssig. Warum sollen wir den Bundeswehrsoldaten plötzlich sagen, dass wir das, was sie tun, toll finden? Zivildienstleistende haben sich nicht weniger verdient gemacht. Doch dieser Doppelwumms beim Feiern macht hellhörig. Soll Stimmung gemacht werden für Wehrpflicht und Kriegsbereitschaft?

Aber wir brauchen keine militärischen Volksfeste, sondern kühle Köpfe, die darüber nachdenken, wie dieser Krieg in der Ukraine beendet werden kann. Wir brauchen einen offenen Diskurs, in dem auch Vorschläge wie die des SPD-Politikers Rolf Mützenich zum Einfrieren des Krieges gehört werden und in dem nicht nur eine Sarah Wagenknecht das Wort Verhandlungen in den Mund nimmt.

Gerade bei den Grünen ist es unverständlich, wie umfassend sie sich von ihrer einst militarismuskritischen Haltung verabschiedet haben. Und mit dem Hinweis auf die Sturmflut von 1962 führt man die Menschen ein wenig in die Irre. Richtig, die Bundeswehr hilft bei Hochwasser. Aber um mit dem Schlauchboot Menschen aus Häusern zu retten, muss man nicht erst lernen, wie ein Gewehr funktioniert. Und an die Flut von 1962 wurde schon x-mal erinnert.

Im kollektiven Gedächtnis der Stadt sind auch die furchtbaren Bombenangriffe während des Hamburger Feuersturms 1943 verankert, denen die Bevölkerung schutzlos ausgeliefert war. Die Generation, die dies miterlebte und aus eigener Erfahrung „Nie wieder Krieg“ forderte und vor der Gefahr eines Atomkrieges warnte, stirbt aus. Die Notwendigkeit einer aktiven Friedenspolitik aber bleibt. Wir sollten nicht feiern. Wir sollten nüchtern diskutieren. Kaija Kutter

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Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.

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