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Pro und Contra zu CoronamaßnahmenQuarantäne-Verweigerer wegsperren?

Bisherige Maßnahmen gegen hohe Infektionszahlen wirken kaum. Schleswig-Holstein will Uneinsichtige in den Jugendknast sperren.

Hier könnten bald Quarantäne-Verweigerer einsitzen: Arrestanstalt bei Neumünster Foto: Carsten Rehder/dpa
Inhaltsverzeichnis

H eute treffen sich Kanzlerin Merkel und die Länderspitzen zum vorgezogenen Corona­gipfel. Aber die Infektionszahlen, die trotz der Einschränkungen nicht nennenswert sinken, sorgen auch in den Ländern für Debatten. Schleswig-Holstein will nun zu einem drastischen Mittel greifen. Ist es richtig, Quarantäne-Verweigerer wegzusperren?

Ja,

denn das ist ein Gebot der Mitmenschlichkeit. Bei wenigen Ereignissen lässt sich so wenig behaupten, es handele sich um eine Erfindung wie bei der Coronapandemie. Weltweit, in den verschiedensten Kulturen und unter den verschiedensten Regierungsformen wird wahrgenommen, dass ungewöhnlich viele Menschen erkranken und sterben. So viele Zeugen gab es selten.

Dazu kommt der seltene Fall, dass sich während der Pandemie live vergleichende Regierungsforschung betreiben lässt. Die Basis hierfür ist die statistische Übersterblichkeit in verschiedenen Ländern, in denen die Epidemie mehr oder weniger unter Kontrolle gehalten wurde. In Deutschland war sie moderat, in Belgien exorbitant, wie sich auf der Website des Statistischen Bundesamts nachschauen lässt.

Wenn also das Risiko, jemanden tödlich anzustecken, bei Corona wesentlich höher ist als bei einer normalen Grippe, dann ist es geboten, sich so zu verhalten, dass man andere Menschen nicht mutwillig ansteckt. Was beim Aids-Virus als selbstverständlich angesehen wird, sollte auch bei Corona gelten.

Mag in dem einen oder anderen Kopf auch das Wort Schutzhaft aus der Nazi-Zeit aufploppen, so ist das ein Reflex, der in die völlig falsche Richtung führt.

Nun steckt man sich mit Corona viel leichter an als mit Aids: Wo im einen Fall ein Kondom genügt, ist im anderen Falle eben eine Quarantäne erforderlich. Diese ergibt nur Sinn, wenn sie auch durchgesetzt wird. Das heißt: Wer nicht das Moralgefühl besitzt oder den Anstand, andere von sich aus zu schützen, muss gezwungen werden.

Nach den Regeln, die hierzulande gelten, ist das auch möglich, ja sogar zwingend. Mag in dem einen oder anderen Kopf auch das Wort „Schutzhaft“ aus der Nazi-Zeit aufploppen, so ist das ein Reflex, der in die völlig falsche Richtung führt.

Das Grundgesetz wägt die Freiheit des Einzeln fein gegen die Rechte der anderen ab. „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt“, heißt es in Artikel 2. Zu den Rechten anderer gehört „das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“. Weigert sich jemand, der als ansteckend zu gelten hat, in Quarantäne zu bleiben, muss er deshalb als letztes Mittel festgesetzt werden. Darüber muss im Übrigen ein Richter entscheiden; steht auch im Grundgesetz. Gernot Knödler

Nein,

denn das wäre eine vollkommen überzogene Reaktion eines autoritär anmutenden Staates. Es ist der Versuch, von den bislang recht erfolglosen Maßnahmen der Landesregierungen, die Virusausbreitung zu mindern, abzulenken. Statt Menschen wegzuknasten sollte die Politik anfangen, das Problem mit wirksamen Maßnahmen anzugehen.

Es ist unbestritten, dass es sich bei den Quarantänebrecher:innen um idiotische Schwurbler:innen handelt. Auf die muss der Staat reagieren, damit sie nicht andere Menschen anstecken. Das kann er und macht es bislang auch, ohne dass dafür ein Knast nötig wäre.

So viele sinnvolle Maßnahmen liegen auf dem Tisch, wie die Zahlen wieder durch nicht-autoritäre politische Maßnahmen nach unten gedrückt werden können – von Massentestungen über kostenlose FFP2-Masken bis hin zum umfassenden Recht von Büro-Beschäftigten auf Homeoffice.

Stattdessen wird überlegt, als letzte Maßnahme des Strafenkatalogs eine Art Knast für die ohnehin wenigen Menschen einzurichten. Für ein paar Personen kostet das unnötig viel Arbeitskraft. Die wäre besser in der Kontaktverfolgung der Gesundheitsämter aufgehoben.

Es ist bezeichnend, wie locker leicht Menschen nun weggesperrt werden sollen und wie die Politik gleichzeitig fast schon zärtliche und demütige Appelle an die Wirtschaft stellt, doch bitte für ein klein wenig mehr Homeoffice-Möglichkeiten der Beschäftigten zu sorgen.

Wir brauchen jetzt keinen strafenden, sondern einen schützenden Staat.

Auch hier ist zu fragen: Warum soll nun viel Energie in den Betrieb eines Knastes gesteckt werden statt energisch das Einhalten des Arbeitsschutzes in Büros und Betrieben zu überprüfen? Es muss daher über eine Schließung von Arbeitsstätten nachgedacht werden, in denen es nicht möglich ist, Abstand zu halten. Wir brauchen jetzt keinen strafenden, sondern einen schützenden Staat.

Neu ist es nicht, dass sich die politischen Entscheidungsträger:innen nur allzu gern gegen kluge und stattdessen für autoritäre Problemlösungen entscheiden, deren Ergebnis dürftig sein wird. Das war schon mit dieser kaum verständlichen 15-Kilometer-Radius-Regelung der Fall, das wird die bald kommende nächtliche Ausgangssperre, und das ist auch ein Knast für ein paar Quarantäne-Verweiger:innen. Dennoch ist es einmal mehr ärgerlich. André Zuschlag

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Gernot Knödler
Hamburg-Redakteur
André Zuschlag
Redakteur taz nord
Jahrgang 1991, hat Politik und Geschichte in Göttingen, Bologna und Hamburg studiert. Von 2020 bis August 2022 Volontär der taz nord in Hamburg, seither dort Redakteur und Chef vom Dienst. Schreibt meist über Politik und Soziales in Hamburg und Norddeutschland.
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13 Kommentare

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  • Könnte man denen nicht eine elektronische Fußfessel verpassen?

    Und somit Hausarrest, wie man es mit anderen Rotzlöffeln auch manchmal macht.

  • Covid-19 hat zwei politische Lebenslügen entlarvt:

    Erstens, der Deutsche an sich sei "obrigkeitshörig" (linke Interpretation) bzw. "diszipliniert" (rechte Interpretation). Offensichtlich sind die Deutschen sehr viel anarchischer, als angenommen.

    Zweitens, man könne eigentlich fast alle Menschen mittels guter Argumente davon überzeugen, das richtige zu tun (links-liberale Interpretation). Auch das ist falsch.

    Leider hat Covid-19 uns gelehrt: ohne Sanktionen und Strafen funktioniert kann man einen leider zu Großen Teil der Menschen in Deutschland eben nicht dazu bringen, das Richtige zu tun. Denn letzten Endes sind es ja die Menschen, die sich nicht an die Regeln halten, die Schuld sind an der Pandemie. Nach mittlerweile fast einem Jahr kann man unmöglich noch "den Politikern" die Verantwortung zuschieben oder gar Unwissenheit und mangelnde Information vorschützen.

    • @Suryo:

      Ihre Stellungnahme ist eigentlich zu bedrückend, um sie ohne weiteres zu akzeptieren.

      Aber was leider dafür spricht, ist dass viele Leute -- die Stolz darauf äußern würden, eigenständig denken zu können -- vollkommen sinnvolle und sogar dringend notwendige Dinge erst tun, wenn sie von der Bundeskanzlerin vorgeschlagen und und Ministerpräsidenten Landeskabinett so beschlossen wurden.

  • Tja, auch wenn Gefängnis hier eher symbolisch gemeint ist: alle die nun zum „nein“ neigen, werden auch verstehen müssen, dass diese liberale Haltung alle Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus unterläuft.



    Der Virus nutzt einfach die Gelegenheiten die ihm die vielen Verstöße bieten.

  • Die Durchsetzung der häuslichen Quarantäne mit Knast(-androhung) bringt zur Viruseindämmung nichts. Denn di wenigen Menschen die wegen überforderter Gesundheitsämter überhaupt beim Bruch der Quarantäneregeln erwischt werden haben ja dann bereits mehrfach die Quarantäne verlassen - eingewiesen wird nur wer mindestens zwei Mal erwischt wurde. Nach allen bisherigen Erkenntnissen sind positiv getestete ein paar Tage VOR und NACH Auftreten von Symptomen am ansteckendsten diese Phase ist zum Zeitpunkt der Knastquarantäne dann also eh schon vorbei. Australien und Neuseeland entschieden sich von vornherein für eine überwachte Quarantäne in Hotels UND zugleich für die Versorgung der Menschen wie in einem normalen Hotel auch mit W-Lan und der Möglichkeit zu bestimmten Zeiten alleine raus zu gehen in den Hotelaußenanlagen. Diese Regel ist in der Zero Covid Strategie vermittelbar da logisch nachvollziehbar und hilft außerdem all jenen die aus der Not ihre Wohnung verlassen weil sie niemanden haben der sich um sie kümmert und Einkäufe etc. erledigt. Es nützt außerdem in WGs und Familien dass die anderen nicht unnötig lange ebenfalls als Kontakt 1 in Quarantäne müssen.

  • Aufgrund einer Meinung oder Überzeugung jemanden einsperren? Das kennen wir doch von anderswo auch und protestieren immer scharf. Und jetzt bei uns? Bin kein "Querdenker" aber diese Idee finde ich sehr bedenklich!

    • @joaquim:

      Sie können meinen, Corona sei eine Erfindung und Masken nützten nichts. Dafür wird Sie niemand einsperren. Aber wenn Sie hartnäckig die Maske nicht tragen, wo Sie sie tragen müssen, gibt es eben Sanktionen. Nicht für Ihre Meinung, sondern für Ihre Taten.

    • @joaquim:

      Es geht hier aber nicht um eine Meinung oder eine Überzeugung. Es geht um Menschen, die sich nicht an die Regeln des Seuchenschutzgesetzes halten. Und da kann man schon darüber nachdenken, ob man jemanden, der sich wiederholt nicht an die Gesetze hält, ins Gefängnis sperren sollte. Das passiert bei anderen Gesetzesübertretungen ja auch.

  • Ja, bitte Regeln sind nicht nur für die da, die sich freiwillig daran halten. Und bitte auch möglichkeiten für infizierte Familienangehörige ausserhalb der Familie sich isolieren zu können. Die Hotels stehen doch alle leer und bekommen Unterstützung. warum wird das nicht genutzt. Die Versorgung mit Essen könnte gleich mitübernommen werden.

  • Positiv getestete, die andere nicht schützen wollen, solange einzusperren, bis sie negativ sind, scheint mir jetzt nicht allzu autoritär. Nur wie sollen denn die Behörden wissen, wer positiv getestet wurde, man bekommt ja kein Tattoo auf die Nase. Mich hat auch seit letztem Winter kein Polizist auf der Straße gefragt, wer ich bin, ob ich positiv getestet wurde und wieso ich nicht zuhause in Quarantäne bin.

    Oder geht es nur um Leute, die mit einem Schild "Ich habe Corona!" und ohne Maske draußen rumrennen und andere anhusten? Ja die sollte man vielleicht sogar auf Dauer in der Psychiatrie unterbringen.

    Ein Mensch, der das HI-Virus trägt, wird nicht weggesperrt, nur weil er Sex hat. Erst, wenn jemand geschädigt (unwissentlich gefährdet oder gar infiziert) wurde und ihn anzeigt, handelt der Staat.

    Auf den Nachweis, dass genau _dieser_ eine unvernünftige Mensch jemanden mit dem neuen SARS-Virus infiziert hat, bin ich gespannt.



    Fazit: In meinen Augen ist diese Idee unausgegoren, nicht umsetzbar und dient wohl zuvorderst der allgemeinen Disziplinierung.

    • @Fabian Wetzel:

      Hiv - überträgt sich aber nicht durch die Luft. Ich stecke mich nicht an, wenn ich neben einem hiv-infizierten im bus sitze, den Fahrstuhl nach ihm benutze, an der Kasse stehe, einen Raum nach ihm betrete und seine Aerosole einatme. Quarantänwn müssen überprüft und durchgesetzt werden. Es gibt zu viele Leute, denen es einfach schnurz ist.

      • @marusja meyer:

        "Hiv - überträgt sich aber nicht durch die Luft."



        Deswegen schrieb ich ja auch von Geschlechtsverkehr und nicht vom Busfahren.



        Der Vergleich mit HIV ist nicht von mir, sondern aus dem obigen Text. Vielleicht war es nicht deutlich genug, aber ich finde den Vergleich auch unpassend.

        Und dann nochmals meine Frage: Woher sollen die Behörden wissen, wer eigentlich zu Hause sein müsste?

        Lese ich Ihren Beitrag richtig, wenn ich annehme, Sie wollen, dass die Polizei jeden Tag alle Quarantänewohnungen abklappert? Und wenn niemand öffnet, gibt's ne Fahndung? Dafür gibt es sicherlich keine Kapazitäten.

    • 0G
      01068 (Profil gelöscht)
      @Fabian Wetzel:

      "Nur wie sollen denn die Behörden wissen, wer positiv getestet wurde"

      die Daten vom Gesundheitsamt werden zur Polizei weitergeleitet, Niedersachsen, Bremen. . .