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Pro und Contra BrexitSchaden die Briten sich selbst?

Am Mittwoch reicht Premierministerin Theresa May die Scheidung von der EU ein. Ob das den Wählern dient, ist umstritten.

Mit oder ohne EU – den Briten bleibt auf jeden Fall ihre Küche Foto: imago/robertharding

Ja, die Briten schaden sich selbst

E motionen entscheiden in der Politik, nicht Fakten. Der Brexit ist widersinnig und nur möglich, weil die britischen Wähler an windige Illusionen glauben. Die Versprechen der Brexiteers lauteten: mehr Freiheit, mehr Geld, weniger Einwanderer. Nichts davon wird eintreten. Die normalen Briten werden keinesfalls reicher, sondern vielleicht sogar ärmer. Profitieren wird höchstens eine kleine Elite, die das Brexit-Chaos nutzt, um weitere Steuererleichterungen für die Reichen durchzusetzen.

Die Brexiteers haben stets mit Lügen operiert. Dazu gehörte die Legende, dass Großbritannien keine Demokratie mehr sei – sondern alles in Brüssel entschieden würde. Doch in Wahrheit konnten die Briten über alle wichtigen Gesetze selbst bestimmen. Die Steuer-, Lohn-, Bildungs- oder Gesundheitspolitik wurde in Westminster beschlossen, nicht im EU-Parlament.

Natürlich gibt es Verordnungen, die aus Brüssel kommen. Aber diese Vorgaben werden auch künftig in Großbritannien gelten – weil sie fast immer den Handel berühren. Handel kann ohne Regeln nicht funktionieren, und da die Europäer die wichtigsten Kunden der Briten sind, wird sich an der Grundstruktur nichts ändern: Die Briten müssen sich weiterhin mit den 27 anderen EU-Staaten einigen.

Mehr Freiheit, mehr Geld, weniger Einwanderer – nichts davon wird eintreten

Genauso absurd ist die Hoffnung vieler Briten, sie könnten Geld sparen, wenn sie die EU verlassen. Bisher zahlen die Briten etwa 11 Milliarden Euro netto in den Brüsseler Haushalt ein, und die Brexiteers würden diese Summe gern ins heimische Gesundheitssystem umleiten. Dies wird ein Traum bleiben.

Es ist nämlich nur fair, dass die Briten die ärmeren EU-Staaten unterstützen. Auch Deutschland ist ein großer Nettozahler. Denn vom europaweiten Handel profitieren vor allem die wettbewerbsfähigen Staaten, während die armen Länder tendenziell verlieren. Um diese Ungerechtigkeit auszugleichen, zahlt sogar Norwegen in die EU-Kassen ein, obwohl es gar kein Mitglied ist. Dieses Schicksal dürfte auch auf die Briten warten.

Auch die Einwanderer waren bisher kein Problem für Großbritannien, sondern haben sogar mehr in die Sozialkassen eingezahlt, als sie von dort bekommen haben.

Der Brexit bekämpft Scheinprobleme, wird aber leider nicht folgenlos bleiben. Denn die britische Elite hat verstanden, dass sich eine einzigartige Chance auftut, um Steuersenkungen durchzudrücken. Typisch sind die Kampagnen von UKCity, einer Lobbytruppe, die die Londoner Banken vertritt: Man bestärkt das Volk in seinem Irrglauben, dass der Brexit die totale Wende sei – und verlangt Kompensationen für die angeblichen Schäden. Das britische Volk wird den Betrug gar nicht bemerken, denn es will ja partout nicht wahrnehmen, dass sich nach einem Brexit wenig ändert – und wird daher den Banken gern entgegenkommen. Nichts macht so blind wie Nationalismus. (Ulrike Herrmann)

Nein, die Briten schaden sich nicht selbst

„Take Back Control“ lautete die Parole, die beim britischen Brexit-Referendum vom 23. Juni 2016 den Befürwortern des EU-Austritts die Mehrheit bescherte. Es war ein ganz einfacher Appell an den demokratischen Urinstinkt: Politische Entscheidungen müssen demokratisch kontrolliert und revidiert werden können.

Auf EU-Ebene wird Politik zwischen Regierungen ausgedealt oder von der nicht gewählten Kommission ausgedacht, und die in EU-Verträgen festgehaltenen Richtungsentscheidungen sind nicht rückholbar. Besser, das entschieden die Briten, ist ein gewähltes Parlament mit der Möglichkeit der Kontrolle und Sanktionen durch das Wahlvolk. Dann obliegt es den Wählerinnen und Wählern allein, welche Politik sie in ihrem Land wollen und wem sie wofür eine parlamentarische Mehrheit erteilen.

Dieser demokratische Instinkt war und ist deshalb in Großbritannien mehrheitsfähig, weil er keine politische Richtungsentscheidung beinhaltete. Der Brexit war kein Wahlsieg für Nigel Farage, sondern der Erfolg eines breiten überparteilichen Bündnisses, geführt von einer deutschstämmigen Labour-Abgeordneten, das alle Bevölkerungsschichten und politischen Sensibilitäten ansprach.

Finanziell ist die EU der Verlierer des Brexit und Großbritannien der Gewinner. Sonst würde die EU ja nicht von der britischen Regierung gigantische Geldsummen als Ausgleich für den Austritt verlangen. Die spannende Frage ist aber nicht, wie hoch der Beitrag am Ende sein wird, mit dem sich London von Brüssel freikauft, sondern was Großbritannien mit der neu gewonnenen Entscheidungsfreiheit anstellt.

Den Brexit wählen hieß eben nicht, für oder auch gegen Steuersenkungen für britische Reiche zu stimmen. Es hieß auch nicht, die britischen Grenzen zu schließen oder sie offen zu halten. Es hieß, solche Entscheidungen ausschließlich Großbritannien selbst zu überlassen.

Die Leute wollen mehr mitreden, auf allen Ebenen. Demokraten sollten das begrüßen

Das Paradebeispiel ist die Migrationspolitik. Die Labour-Regierung von Tony Blair öffnete 2004 früher als jedes andere EU-Land den eigenen Arbeitsmarkt für Arbeitsmigranten aus den osteuropäischen Beitrittsländern. Dass sich Millionen auf den Weg machten, hatte sie nicht gedacht, wie Blair selbst später eingestand. Als die konservative Regierung Cameron dem ein Ende setzen wollte, durfte sie das nicht – wegen der EU. Auf den Folgen der vorherigen Fehlplanung – überlastete öffentliche Dienstleistungen in den Brennpunkten der Immigration und ein Erstarken des Rechtspopulismus – blieb sie aber sitzen. So wird jedes Regierungshandeln unmöglich.

Der Brexit war somit ein Warnsignal der britischen Wähler nicht nur an Brüssel, sondern auch an London. Die Leute wollen mehr mitreden, auf allen Ebenen. Das ist überaus heilsam sowohl für Großbritannien als auch für die EU. Der Brexit bedeutet: Wählen gehen kann etwas verändern. Demokraten sollten das begrüßen. (Dominic Johnson)

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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36 Kommentare

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  • Der Brexit ist sicherlich nicht schlecht für die Briten, denn die Geschäftsbeziehungen sollen ja angeblich bestehen bleiben. Für die Briten hat das ganze somit nur Vorteile. Weitere Länder werden diesem Beispiel sicherlich bald folgen.

  • Ja natürlich schaden die Briten, die so abstimmten, sich selbst und allen anderen.

    Man darf niemals so plumpe dumme Fragen zur Abstimmung geben, da kommt dann so was raus.

    Oder gleich: Ungarn: wer ist für und wer ist gegen Ungarn?

  • Das Herumreiten auf mangelnder Demokratie in der EU ist doch nur ein Marketing-Gag. Die EU hat zwar ein strukturelles Demokratiedefizit, aber das ist nicht primär die Macht der Kommission sondern die Ohnmacht des Parlaments. Genau gegen die hatten aber bezeichnenderweise weder die Briten noch irgendwelche anderen zu nationaler Interessenpolitik neigende EU-Mitglieder je irgendwas einzuwenden - mit gutem Grund.

     

    Wenn man mal die Entscheidungsstrukturen der EU betrachtet (der EU-Rat ist das ultimative Entscheidungsorgan; nicht wirklich "Brüssel" regiert, sondern Berlin, Paris, Prag, Talinn...) und den Briten aufs Maul schaut, was sie wirklich zum Brexit bewegt hat, dann ging es nämlich nicht darum, wie demokratisch die EU insgesamt ist. Das Problem war, inwieweit sie die Wünsche konkret der BRITISCHEN Wähler und ihrer Vertreter (im Zweifel auch gegen die Wünsche der anderen Völker bzw. DEREN Vertreter) umsetzt. Letztlich stand also das Konzept einer supranationalen Organisation, in der jedes Land nur einer unter vielen Bestimmern ist, die aber jedem Land in die "eigenen" Angelegenheiten reinreden kann, insgesamt am Pranger.

     

    Gleiches gilt übrigens für die meisten gehandelten Austrittskandidaten. Auch bei denen geht es im Kern mehr um nationale Souveränität als um mangelnde Demokratie auf EU-Ebene. Viele Leute dort verstehen sich (noch) nicht als Teil eines großen europäischen Volkes, das insgesamt herrscht und dabei die in Europa bestehenden Mehrheitsverhältnisse zu akzeptieren bereit ist. Sie fühlen sich fremdbestimmt, wenn das was sie national beschließen, von Rest-Europa überstimmt werden kann - siehe Griechenland, das "demokratisch" gegen die Austeritätspolitik der EU aufbegehrte und sich dann wunderte, dass seines Volkes mächtige Stimme die Vertreter ANDERER Völker nicht binden konnte.

     

    Um solche Leute bei der europäischen Stange zu halten, darf man vor allem Eines NICHT machen: Die EU merklich demokratischer. Dann kriegen die erst recht Angst.

    • @Normalo:

      Hola - Wat issen nu ditte - wa!

      Les das erst jetzt. Chapeau.

       

      "...Eines NICHT machen: Die EU merklich demokratischer. Dann kriegen die erst recht Angst."

       

      Nu. Das - Nennt frauman ja wohl zu recht -

      "Von hinten - Durch die Brust - Ins Auge!"

      Oh. Voll Normal.

       

      Jau. Das atmet ja noch den Odem des -

      Ludergeruchs der Revolution von 1948 -

      Um dem mal ne Krone aufzusetzen!

      Fehlt nur noch der "Kartätschen-Prinz" -

      Mit seinem Denkmal in HH-Altona!

      Voll der Pferdearsch. http://www.taz.de/!5051683/

  • Die EU wird versuchen, an GB ein Exempel zu statuieren und da ist die Forderung der 60 Mrd nur ein kleiner Stich. Der Brexit ist eine demokratische Entscheidung, auch wenn sie nicht vernünftig ist, aber sie ist mindestens ein Regulativ für die Demokratiedefizite, wie die Macht der Kommissare in der EU. Als das sollten die europäischen Gegner von Brexit die Entscheidung auch sehen, als jetzt die Muckis zu zeigen. Das ist doch gerade das, was einige EU-Länder so nervös macht - Dominanz. Die Angst vor dem, was sich die EU für GB in Zukunft wohl wünscht, das abschreckende Beispiel, ist keine gute Basis für ein EU- Miteinander auf Augenhöhe. Doch leider ist es die bis jetzt einzig wirksame Grundlage der EU. Das zeigt, woran EU- Mitglieder noch arbeiten müssen.

    • @lions:

      Inwiefern ist der Brexit „ein Regulativ für die Demokratiedefizite, wie die Macht der Kommissare in der EU“?

       

      An der grundlegenden Struktur der EU ändert sich durch den Brexit überhaupt nichts.

       

      Ich kann auch nicht erkennen, dass „an GB ein Exempel“ statuiert werden soll. Die 60 Mrd. sind eine Einstiegsforderung. Sie werden verhandelt werden und am Ende wird ein Kompromiss stehen.

       

      Wie der künftige Status von GB sein wird, ist abzuwarten. Theoretisch wäre z.B. ein Status vergleichbar mit Norwegen oder der Schweiz möglich.

       

      Das Problem ist nur: Norwegen zahlt z.B. pro Kopf etwa genauso viel an die EU wie GB jetzt (kann aber nicht mitbestimmen). Und die Brexiteers wollen ja gar nichts mehr zahlen. Dazu kommt, dass sowohl Norwegen als auch die Schweiz die Freizügigkeit akzeptiert haben. Das ist für die Brexiteers der Gottseibeiuns.

       

      Wenn die Briten aber Zahlungen an die EU und die Freizügigkeit ablehnen, dann müssen sie in den Verhandlungen schon etwas anderes anbieten. Die bisher geäußerten Drohungen, GB zu einem Steuerparadies zu machen und Mays Versuch, die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich mit den Exitverhandlungen zu verknüpfen, sind ein Zeichen dafür, dass sie das jetzt langsam gemerkt haben.

      • @Zwieblinger:

        "An der grundlegenden Struktur der EU ändert sich durch den Brexit überhaupt nichts."

        Ja, das könnte so sein, mit all seinen Folgen.

         

        Was glauben Sie denn, könnte passieren, wenn GB erfolgreich in seinem Alleingang würde? Enger schweißt das die EU- Mitglieder nicht zusammen. Ich denke da hauptsächlich nicht an die Südländer, sondern eher an die nördlich von uns.

        Sie vergessen, Norwegen und Schweiz gehörten nie zur EU. Das Abtrünnige macht einen gewaltigen Unterschied und Abkommen mit Vorgenannten sind mit einer anderen Feder geschrieben worden. Zudem ist Norwegen großer Rohstofflieferant und weniger auf Marktbedingungen angewiesen. GB wird dahingehend am Verhandlungstisch gut erpressbar sein. In die Vorzüge Norwegens, quasi EU- Mitglied zu sein, werden die Insulaner nicht kommen.

        • @lions:

          „Was glauben Sie denn, könnte passieren, wenn GB erfolgreich in seinem Alleingang würde?“

           

          Dann wäre es vielleicht wirklich an der Zeit, den Laden zu schließen und durch etwas Neues zu ersetzen. Es deutet aber wenig darauf hin, dass es so kommen wird.

           

          Es ist mir klar, dass N und CH nur bedingt mit GB vergleichbar sind. Mein Punkt ist, dass GB sich keine Hoffnungen darauf machen sollte, besser als diese gestellt zu werden. Iinsbesondere wird kein Freihandel ohne Freizügigkeit zu haben sein. Das ist aber keine Bestrafung, sondern nur eine konsequente Fortführung der bisherigen EU-Politik.

           

          Die Brexiteers werden allerdings trotzdem versuchen, die böse EU zum Sündenbock für die absehbaren Probleme zu machen.

    • @lions:

      "… Das zeigt, woran EU- Mitglieder noch arbeiten müssen."

       

      Jau. Habe nur den Verdacht - daß der EU-Job - Great Britain ~>

      "Bester Libero der Gegenmannschaft in den eigenen Reihen!"

      Längst - ab Grexit allerspätestens -

      Vom Gröfimaz " wer anderes von mir verlangt, dann tret ich zurück!" &

      Unser aller Comecon geschädigtes

      FDJ-Winkelement beerbt ist!

      Dijssbloem-Abwahl reicht nicht!

      • @Lowandorder:

        Ja, der gegnerische Stürmer rechts außen beklatscht schon unsere Eigentorjägerin.

        Bei einer Neuausrichtung der EU würde einiges Faules zutage treten.

  • Das ist produktiv: Eine wirklich konträre Debatte zwischen U H und D J. Die beiden scheinen Welten zu trennen, aber ich vermute, sie sind von ähnlichen Neigungen bzgl. Gerechtigkeit und Demokratie motiviert. Eine Debatte, die auf vielen Foren geführt werden sollte, denn die EU hat wirklich große Demokratiedefizite, hat u.a. das Mittelmeer in einen großen Friedhof verwandelt, verstößt die Schwächsten, U.H. vertritt ja nicht Schäubele (das Europa der Rechtspopulisten ist der größte Horror).

    Sehen mir mal von der Häme ab, die bei manchen blogs durchscheinen, oder von Hoffnungen, die auf die große Anglo-Umkehr hoffen: Schwingt nicht auch die heimliche Erleichterung mit, dass England wieder Insel sein kann? Small is beautiful. Empire's all gone. I want a club of my own. Create one, two, many safe harbours and hide away.

    Krise und Regression.

  • Theresas Motto: "Make England small again!" :-)

  • GB "first" - wird eher GB flop

     

    Der Londoner Finanzmarkt wird arg bluten und ausländische Investoren mit dem Focus auf den EU Markt werden der Insel den Rücken kehren.

  • 6G
    6474 (Profil gelöscht)

    "Es war ein ganz einfacher Appell an den demokratischen Urinstinkt: Politische Entscheidungen müssen demokratisch kontrolliert und revidiert werden können."

     

    -Wenn politische Entscheidungen revidiert werden können und die meisten Briten mittlerweile den bevorstehenden Brexit eher befürchten als bejubeln, weil tatsächlich einige der Brexit-Wähler, einfach mal "F... You" zur etablierten Politik sagen wollten, aber keinesfalls einen harten Brexit-Kurs von Theresa May befürworten; Nun, dann sollten Neuwahlen ja eigentlich kein Problem sein, oder?

     

    "Dann obliegt es den Wählerinnen und Wählern allein, welche Politik sie in ihrem Land wollen und wem sie wofür eine parlamentarische Mehrheit erteilen."

     

    ^^-Was ist eigentlich mit den Schotten und Nordiren, bei dieser tollen (hauchdünnen) superdemokratischen Entscheidung der Engländer und Waliser?

    Die Schotten haben mit deutlicher Mehrheit gegen den Brexit gestimmt und wollen ein neues Unabhängikeitsreferendum, gegen das sich Theresa May momentan noch sperrt-demokratisch?

    Was ist mit den Nordiren, die sowohl kulturell als auch geographisch zu Irland gehören und bei einem harten Brexit eine EU-Ausengenze zu Irland bekommen?-Demokratisch?...Hm....

     

    und was wäre wenn schottland tatsächlich unabhängig werden würde? Wollten das die Engländer so, in dieser Konsequenz?

    • @6474 (Profil gelöscht):

      Roi: In ein, zwei Jahren kann viel passieren, aber im Moment feiern viele Briten noch den Brexit, der zum Lexit (long exit) wird. Auch drei Millionen sollen gegen Blairs Invasion im Irak auf die Straße gegangen sein, was hat es gebracht? Der englische Chauvinismus ist ungebrochen, auch dank wirklich fürchterlicher, käuflicher Medien. Die meisten Probleme sind hausgemacht, haben mit EU nichts zu tun. Ein Land, dessen uralte ökologische Bewegung null Chancen hat, jemals zur Regierungspolitik zu werden und wo jede Hundehütte zu Privateigentum verkommt.

    • @6474 (Profil gelöscht):

      Kommen sie mal raus aus der Traumwelt mein Guter:

      Mehr "Europa" bedeutet bei ihnen wohl automatisch, dass was rauskommt was sie sich so vorstellen.

       

      Wenn sie schon Zäune ansprechen - was meinen sie kommt bei "mehr Europa" raus?

      Dass Deutschland auf einmal auch Zäune baut oder dass sich Deutschland den restlichen EU-Staaten anschließt?

      Ist ja nicht so, dass Deutschland 2015 soviel Flüchtlinge aufgenommen hat wie der komplette Rest der EU zusammen.

       

      Ich finde es langsam lächerlich, dass man links der Mitte hofft in Europa eine Politik zu etablieren für die es nichtmal in Deutschland eine Mehrheit findet.

  • 6G
    6474 (Profil gelöscht)

    "Auf EU-Ebene wird Politik zwischen Regierungen ausgedealt oder von der nicht gewählten Kommission ausgedacht, und die in EU-Verträgen festgehaltenen Richtungsentscheidungen sind nicht rückholbar. Besser, das entschieden die Briten, ist ein gewähltes Parlament mit der Möglichkeit der Kontrolle und Sanktionen durch das Wahlvolk. "

     

    -Ja, und warum sanktionieren die Briten ihre doofen Politiker, von New Labour bis zu den Tories, dann nicht mal?

     

    Klar, wird auf EU-Ebene, Politik zwischen den veschiedenen Ländern ausgedealt, und jetzt? Das selbe geschieht auch auf Nicht-EU-Ebene zwischen den Ländern.

     

    Wie es mit der nicht gewählten EU-Komission so läuft, gefällt mir auch nicht, aber es gibt sehr wohl EU-Wahlen. Würden die Leute dort diejenigen Politker wählen und unterstützen, die Lust darauf haben, die EU demokratischer und gerechter zu strukturieren, wäre die EU-Komission auch nicht dieser Haufen Bürokraten und das ganze schon längst anders organisert. Dazu bräuchte es aber eine linke pro-europäische Bewegung und keinen Nationalismus. Stattdessen wählen die Leute nationalistische Politiker die gegen Europa arbeiten und wundern sich dann, das der Laden nicht funktionert. Super Logik: "Weil mir die Demokratie zu undemokratisch ist, wähle ich Antidemokraten um die Demokratie zu stärken."

     

    Die EU hat nicht zu viel, sondern zu wenig Einfluss, oder wie kann es sonst sein, das rechtsradikale Ungarn als EU-Mitglied ungestraft einen Zaun um ihr Land bauen können?

  • Der Brexit ist das Ergebnis einer (in Europa) bis dato beispiellosen Schmutz- und Lügenkampagne. Deshalb haben sich ja auch die Lügner und Selbstbereicherer, wie Farange, sogleich aus dem Staub zu machen versucht. Boris "Blitzbirne" Johnson, dessen Intellekt es unbesehen mit einem Trump oder Kim Jong-un aufnehmen kann, fand nicht schnell genug ein passendes Versteck auf seinem Golfplatz und muss jetzt, wenn auch äußerst unfreiwillig, wenigstens ein bisschen, den britischen Niedergang begleiten.

     

    Noch immer versuchen Menschen auf der Flucht vor Hunger und rassistischer Verfolgung AUF die britischen Inseln zu gelangen. Eigentlich müssten ihnen im Kanaltunnel bald die ersten Flüchtlinge VON den Inseln entgegenkommen.

  • Das Brexit-Votum hatte NICHTS mit dem Drang nach mehr Demokratie zu tun. Es ging um nationale Eigenbrötlerei, Inselmentalität und mehr nicht.

     

    Denn eins sollte auch den Johnsons dieser Welt klar sein: Wenn irgendwer in der Vergangenheit die EU mal wirklich demokratischer machen - also die Befugnisse des EU-Parlaments auf- und die der nationalen Regierungen und der Kommission abwerten - wollte, dann war es immer die jeweilige britische Regierung, die am lautesten aufschrieh und sich am hartnäckigsten querstellte. Was sie übrigens auch musste, wenn sie nicht die nächste Wahl daheim gleich abschreiben wollte.

     

    Denn Großbritannien wollte nie eine EU, in der jeder Brite (nur) eine Stimme hat, die genauso viel zählt wie die jedes Deutschen, jedes Griechen, jedes Dänen oder gar jedes Franzosen. Das passte einfach nicht zum Great in "Great Britain". Als Notnagel taugte für einige Zeit noch der Bazar im europäischen Rat, auf dem man sein Vetorecht zu Markte tragen und in überproportionale Zugeständnisse anderer Länder ummünzen konnte. Aber jetzt reichte Farage & Co. auch das nicht mehr. Jetzt war die Tatsache, dass die anderen Länder ÜBERHAUPT mitreden dürfen, schon zu viel für das britische Souveränitätsbedürfnis.

     

    Um sich der Mitschwafler zu entledigen, erfand man dann die wöchentlichen 350 Mio. Pfund und vergaß geflissentlich die Anstrengungen andere Mitgliedsstaaten zur Sicherung der EU-Außengrenzen, um Großbritannien als Opfer ungehemmter Immigration darzustellen - zwei Argumente, die so richtig an die höchsten Ideale der britischen Seele appellieren - und gewann damit vermutlich das Referendum. Nein, Herr Johnson: Sagen Sie, was Sie wollen, aber kommen Sie nicht mit der hehren Demokratie.

  • Eine Sache, die doch sehr merkwürdig anmutet: Es geht immer nur ums Geld.

     

    Selbst hier in der taz werden hauptsächlich die finanziellen Aspekte für Wirtschaft und Sozialsysteme diskutiert. Beim Thema Einwanderung geht es den wenigsten Menschen doch um Ökonomie. Beiden Seiten (mehr/weniger Einwanderung) geht es eher um Fragen der Kultur, Integration und Weltoffenheit. Das ist auch bei anderen Themen nicht anders.

     

    Ich glaube das ist einer der Gründe weshalb die Linke zur Zeit so in der Defensive ist. Sie hat sich auf das Niveau der Neoliberalen hinabgelassen.

     

    Anderer höchst interessanter Punkt im Interview: "Denn vom europaweiten Handel profitieren vor allem die wettbewerbsfähigen Staaten, während die armen Länder tendenziell verlieren."

     

    Platt ausgedrückt: Freihandel ist unsozial und eine Form der Ausbeutung. Und weshalb sind viele Linke nun für die EU? Wenn diese doch eine zutiefst unsoziales Projekt ist?

    • @Yoven:

      "Profitieren vor allem" impliziert, dass auch der andere Teil davon profitiert, was immer noch besser ist als ein Konstrukt, von dem niemand profitiert oder nur die eine (nationale) Seite.

  • "Als die konservative Regierung Cameron dem [der Migration aus Osteuropa] ein Ende setzen wollte, durfte sie das nicht – wegen der EU. Auf den Folgen der vorherigen Fehlplanung – überlastete öffentliche Dienstleistungen in den Brennpunkten der Immigration und ein Erstarken des Rechtspopulismus – blieb sie aber sitzen. So wird jedes Regierungshandeln unmöglich."

     

    Ist das der gleiche Johnson der 2015 schrieb:

    "Flucht vor unzumutbaren Lebensverhältnissen ebenso wie Auswandern zur Gewinnung von Zukunftsperspektiven gehören zum Recht auf Freizügigkeit, zum Kern der Freiheitsrechte. Wer es bekämpfen will, bekämpft das Menschenrecht." ?

    (https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5200489&s=johnson+fl%C3%BCchtlinge/)

    • @jhwh:

      Ich frage mich auch warum Johnson für die Taz schreibt. In seinen Brexit Artikeln scheint er mir immer Tory Positionen zu vertreten. Bei der Welt wäre er damit sicher besser aufgehoben.

       

      Es gibt sicher aus linker Sicht viel an der

      EU zu kritisieren. Hier sollte die Taz ansetzten

  • „Die Leute wollen mehr mitreden, auf allen Ebenen. Demokraten sollten das begrüßen“

     

    Aber nur dann, wenn die „Leute“ tatsächliches informiert sind und nicht von Populisten mit Angstparolen und Halbwissen präpariert wurden. Insofern war die vorjährige Volksabstimmung zum EU-Austritt eher ein Gegenbeispiel.

     

    Inzwischen möchte ich bezweifeln, dass noch eine Mehrheit zum EU-Austritt zusammenkäme. Die Schotten hatten ohnehin mehrheitlich gegen den Austritt gestimmt, weil dieser ihnen mehr Nachteile als Vorteile brächte. Mal sehen was deren bevorstehende Volksabstimmung bringt.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Pfanni:

      "Die Schotten hatten ohnehin mehrheitlich gegen den Austritt gestimmt ..."

      Die auch, aber vor allem die urbanen und informierten Bürger, denen das Referendum massive Kopfschmerzen bereitet, bekommen die "Farage" der Rechtspopulisten noch zu spüren.

  • Natürlich weiß niemand wie die Sache für Großbritannien ausgeht. Sicher ist auf jeden Fall, dass wenn es zu einem wirtschaftlichen Aufschwung kommt noch mehr Länder das scheinbar sinkende Schiff.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Frank Stippel:

      Daher auch die Lockvögel, um die Wirtschaft bei der Stange zu halten.

  • Johnsons Argumente sind nicht stichhaltig. Natürlich könnte und sollte die EU viel demokratischer organisiert sein. Aber den Briten wurde doch nichts gegen ihren Willen aufoktroyiert – im Gegenteil wurden alle Beschlüsse mit Zustimmung der britischen Regierung gefasst oder sie haben sogar Sonderkonditionen für sich herausgehandelt.

    Und die EU verlangt auch nicht „gigantische Geldsummen als Ausgleich für den Austritt“ sondern besteht nur darauf, dass die Briten ihre zuvor eingegangenen Verpflichtungen erfüllen. Darüber, welche das sind und in welcher Höhe, muss und wird verhandelt werden.

  • Wat höbt wi lacht.

    Das - Land Europas - der Klassengesellschaft

    Als Hüter der Demokratie -

    "Geh in's Bett - 'n besseren Witz machste heute nicht mehr!"

    Danke.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      D. Johnson, wie immer mit dem verengten Eurotunnelblick, wenn 's um GB geht.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      ""Geh in's Bett - 'n besseren Witz machste heute nicht mehr!""

      ?

      Copyright by "ming Mouder" - vergessen?

      • @571 (Profil gelöscht):

        Sie war so derartig großartig im Übersehen -

        Der Schandtaten ihrer Rabauken -

        Daß ihr solches nicht erwähnenswert wäre.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Viel wichtiger als diese erscheint mir die Frage, ob der Brexit der europäischen Idee mehr bzw. weniger schadet als der Verbleib der Briten in der EU.

     

    Was die Frage des Beitrags betrifft, sollten wir einfach mal geduldig abwarten und viel Tee dazu trinken...

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @571 (Profil gelöscht):

      Mit den Briten ist eine bremsende Kraft aus der EU ausgeschieden. Im Sinne einer weiteren Vertiefung der Intrgration, ist der Brexit zu begrüßen.

      • @74450 (Profil gelöscht):

        Die Frage ist doch, wofür GB eine "bremsende Kraft" war.

         

        Wenn es darum ging, die neoliberalen Prinzipien Merkels und Schäubles zu unterstützen, hat Cameron nie gebremst - im Gegenteil.

         

        Heute morgen hat der FDP-Graf Lambsdorff sehr bedauert, dass der deutschen Regierung nun der wichtigste europäische Mitstreiter im Kampf für die reine Lehre der Austerität und des möglichst deregulierten Freihandels abhanden gekom1men sei.

         

        Gut so ! Aber wann thematisiert eigentlich jemand mal die Zumutung für die 27 Verbliebenen, dass für die abtrünnigen Briten ein zweijähriger Verhandlungsaufwand getrieben werden muss, der EU-Arbeitskapazitäten verschwendet und ganz sicher "eine weitere Vertiefung der Integration" nur behindert.

    • @571 (Profil gelöscht):

      Genau - Asterix-Leser wissen mehr!

      "Teuer?" - "Mein Teehändler ist reich!"