piwik no script img

Pressefreiheit in IsraelRegierung will Aufklärung von Kriegsverbrechen bestrafen

Dem Internationalen Strafgerichtshof Ressourcen zu liefern, soll in Israel strafbar sein. Verfassungsrechtler sind besorgt über die Pläne.

Foto: Nasser Ishtayeh/imago

Vergangene Woche hat Israels Regierung einen Gesetzesentwurf in der Knesset präsentiert: Er soll es unter Strafe stellen, dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) Dienstleistungen oder Ressourcen zur Verfügung zu stellen – das gilt auch für Privatpersonen. Weiter soll die Zusammenarbeit von Behörden und staatlichen Institutionen mit dem IStGH verboten werden. Bis zu fünf Jahre Haft drohen bei Verstößen. Und wer für den Strafgerichtshof arbeitet, soll künftig weder nach Israel einreisen noch sich dort aufhalten oder Vermögen im Land besitzen dürfen.

Der Entwurf schlägt außerdem vor, dass der Justizminister einen Posten schaffen soll, dem jede Kommunikation von öffentlichen Einrichtungen Israels mit dem IStGH vorgelegt werden muss, und der diese dann genehmigt.

Mit 28 Für- und 5 Gegenstimmen, so berichtet es die Knesset in einem Pressestatement, ist der Entwurf in erster Lesung durchgegangen und wird nun dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und Verteidigung vorgelegt.

Kritiker bemängeln Gesetz

Kritiker bemängeln, ein solches Gesetz hätte weitreichende Folgen. Die israelische Zeitung Haaretz zitiert dazu Tamar Megiddo, Rechtsexpertin an der Hebräischen Universität Jerusalem: „Die Definitionen in diesem gefährlichen Gesetzentwurf sind so weit gefasst, dass selbst jemand, der in den sozialen Medien ein Foto oder ein Video von einem Soldaten teilt, der sich selbst dabei dokumentiert, wie er ein scheinbares Kriegsverbrechen begeht, mit einer Haftstrafe rechnen muss.“

Auch die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten wäre von dem Gesetz beeinträchtigt: Recherchen, etwa von Haaretz oder +972Mag, haben in den vergangenen fünfzehn Monaten immer wieder Vorwürfe gegen Israel für seine Kriegsführung im Gazastreifen hervorgebracht. So veröffentlichte Haaretz zudem immer wieder Meinungsstücke, in denen die Autoren Israel Kriegsverbrechen in Gaza vorwarfen, dafür Argumente nannten – und damit, so könnte Israels Justiz künftig darauf blicken, dem Strafgerichtshof Ressourcen zur Verfügung gestellt haben.

Dass die Dokumentation möglicher Kriegsverbrechen zu einer Straftat werden könnte, wenn sie ihren Weg zu internationalen Gerichten finde, bemängelt auch Itamar Mann, Verfassungsrechtler an der Universität Haifa. Er sieht die Wissenschaftsfreiheit in Gefahr: „Wissenschaftler, die sich mit potenziellen Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht befassen, stehen vor einer unmöglichen Wahl: Entweder sie führen ihre Forschung unter der ständigen Bedrohung einer strafrechtlichen Verfolgung durch oder sie geben wichtige Bereiche ihrer juristischen Untersuchungen ganz auf.“

Israel und der IStGH: Ein schwieriges Verhältnis

Dass der Staat Israel und der Internationale Strafgerichtshof kein gutes Verhältnis haben, ist bekannt. Israel ist kein Mitgliedsstaat des IStGH, das international nicht von allen Ländern als Staat anerkannte Palästina aber schon. Und so ist der IStGH nach eigener Auslegung zuständig für sowohl von palästinensischen Militanten auf israelischem Boden als auch vom israelischen Militär auf palästinensischem Boden begangene Taten.

Seitdem der IStGH unter Chefankläger Karim Khan im November 2024 einen Haftbefehl für Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ausgestellt hat, ist das Verhältnis noch schlechter geworden. Der IStGH untersucht bereits seit 2019 mögliche Kriegsverbrechen unter Beteiligung von Palästinensern wie Israelis auf palästinensischem Gebiet. Vorgeworfen werden Netanjahu selbst derzeit das Kriegsverbrechen des Aushungerns als Methode der Kriegsführung, sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit – Mord, Verfolgung und andere unmenschliche Handlungen.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Ohne einen Regierungswechsel wird sich Israel immer weiter von allgemeinen Menschenrechten entfernen. Dafür braucht es aber wohl vor allem ein Umdenken in der Armee..

  • Und Israel wird immer noch als die einzige Demokratie in der Region bezeichnet. Das ist allerdings längst nur noch Fassade. Und nein: ich bin KEIN Antisemit!

  • Unterstützen wir bedingungslos. Weil ist so.

  • Das würde ja praktisch die Arbeit so ziemlich jeder Menschenrechtsorganisation sei sie nun palästinensisch, israelisch oder international unmöglich machen. Etliche von denen liefern seit Jahren Beweise an den ICC, das hatte ja auch dazu geführt das einige palästinensische NGO‘s zu Terrororganisationen erklärt wurden. Und wie sieht es dann mit den Soldaten selbst aus? Etliche Videos die einige von ihnen hochgeladen haben wurden definitiv bereits beim ICC eingereicht. Soweit mir bekannt ist hat die Hind Rajab Foundation bereits letztes Jahr Beweismittel (v.a. Social Media Posts und Videos) gegen 1000 israelische Soldaten eingereicht. Zudem basieren die brisantesten Reportagen von Haaretz und +972 Magazine auf Aussagen von israelischen Soldaten aber auch politischen Insidern!



    Für mich zeigt dies das man in Israel nicht daran interessiert ist Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie andere Völkerrechtsbrüche aufzuklären. Damit erübrigt sich dann der Einspruch vieler Länder wie Deutschland, dass der ICC keine Zuständigkeit für die besetzten Gebiete haben sollte, weil Israel ein Rechtsstaat mit unabhängiger Justiz ist der selbst Verbrechen aufklärt!

  • Da sind wohl einige der Proteste gegen die Israelische Regierung berechtigt. Wir müssen lernen zwischen den Regierenden und den Menschen in einem Land zu unterscheiden.