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Preis für diskriminierenden Journalismus„Goldene Kartoffel“ für Talkshows

Politische Talkshows der Öffentlich-Rechtlichen sind häufig diskriminierend und wenig divers. Dafür haben sie nun einen Preis erhalten.

Immer dieselben Gesichter in deutschen Talkshows Foto: picture alliance/Dirk Borm/WDR/dpa

Berlin taz | Zum zweiten Mal wird der Preis die „Goldene Kartoffel“ vom Netzwerk „Neue deutsche Medienmacher*innen“ (NdM) verliehen. Die Preisträger*innen in diesem Jahr sind vier politische Talkshows im öffentlich-rechtlichen Fernsehen: „Hart aber fair“ (Frank Plasberg, ARD), „Maischberger“ (Sandra Maischberger, ARD), „Anne Will“ (Anne Will, ARD), „Maybrit Illner“ (Maybrit Illner, ZDF).

In einer Pressemitteilung der NdM heißt es, die Jury habe sich für die politischen Talkshows von ARD und ZDF entschieden, „obwohl sie in Inhalt und Ausführung qualitative Unterschiede erkennt“. Entscheidung sei gewesen, „dass alle in den letzten Jahren den oben genannten Kriterien entsprachen“.

Die Jury bezieht sich in ihrer Begründung auf drei Aspekte: Ankündigungen der Sendungen, Inhalt sowie die Auswahl der Gäste.

Oftmals würden die Polittalkshows mit reißerischen Titeln wie „Heimat Deutschland – nur für Deutsche oder offen für alle?“ oder „Bürger verunsichert – Wie umgehen mit kriminellen Zuwanderern?“ werben. Inhaltlich würden auf diese Weise Klischees weiter aufgebaut und nicht gebrochen. Weiter kritisiert die NdM-Jury, dass die Gästeauswahl „häufig diskriminierend“ sei, „der Diverstitätsmangel in vielen Sendungen bestechend“ sei. Dass ein Viertel der Bevölkerung in Deutschland Migrationsbiografien habe, spiegele sich nicht in den Sendungen wider.

„Goldene Kartoffel“ für Julian Reichelt

In der vergangenen Zeit hatten die politischen Talkshows der Öffentlich-Rechtlichen viel Kritik erhalten. Immer wieder wurde dabei der Umgang mit der AfD oder die mangelnde Sensibilität für diverse Perspektiven kritisiert.

Ein Grund zur Freude ist er also nicht, auch wenn der Preis optisch schön ist – klein, golden, rund. Die „Goldene Kartoffel“ ist bei weitem keine Ehrung, sondern vielmehr ein Verweis auf unterirdische Berichterstattung.

Die Preisverleihung der „Goldenen Kartoffel“ 2019 soll am 2. November im Rahmen der Bundeskonferenz der NdM in Berlin stattfinden. Titel der diesjährigen Konferenz ist „Haltung – oder soll man es lassen“. Alle Preisträger*innen sind eingeladen.

Im vergangenen Jahr hatte Bild-Chef Julian Reichelt den Preis erhalten. Er war zur Preisverleihung eingeladen – und kam am Ende tatsächlich. Doch lehnte er die Kartoffel dann ab.

Das Netzwerk der Neuen deutschen Medienmacher*innen gründete sich 2008 als Interessenvertretung für Medienschaffende, vordergründig mit Migrationsgeschichte. Sie setzen sich für eine ausgewogene Berichterstattung und eine für gesellschaftliche Vielfalt in den Medien ein.

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18 Kommentare

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  • Wenn die Wahrheit manchmal diskriminierend erscheint, soll man dann nicht darüber berichten dürfen? Soll man jetzt die Meiningsfreiheit verbieten wenn sie nicht Ideologiekonform ist? Gerade Plasberg ist eigentlich bemüht den Problemen wirklich auf den Grund zu gehen.

    • @Sulki:

      Die "Wahrheit"? Wessen Wahrheit? Wie können Sie Wahrheit erkennen? Wahrheit ist wohl immer subjektiv.



      Genau das ist das Problem, das wir im Prinzip alle haben - auch die Redakteure und Moderatoren/Chefredakteure solcher Shows. "Bemühen" ist daher relativ. Und damit ist auch der Wert von solchen Sendungen relativ. Wer "nur" unterhalten sein will, wird vielleicht ausreichend gut bedient. Wer an einem ernsthaften politischen Diskurs Interesse hat, schaut dagegen buchstäblich in die Röhre. Dafür eignen sich diese Formate einfach nicht - im Gegenteil. Und das bestätigt jetzt nicht erst so ein Preis, der ja ausdrücklich einen politischen Zweck verfolgt. Das wird ständig von allen Seiten moniert - und von den Öffentlich-Rechtlichen genauso ständig ignoriert.



      Gibt es Alternativen? Ja, die gibt es. Die Öffentlich-Rechtlichen versuchen sich daran auch zu orientieren (s. z.B. die Jugendprogramme, wo mittlerweile YouTuber eingekauft werden). Aber das funktioniert alles nicht so richtig, weil die Öffentlich-Rechtlichen nicht mehr aus ihrem Korsett heraus kommen. So ganz (politisch) "unabhängig" sind sie auch nicht, da in den entscheidende Gremien politische Vertreter sitzen.



      Deshalb sind Plasbergs Bemühungen auch nur für den unkritischen Zuschauer ausreichend. Konstruktive politische Diskussionen finden mittlerweile auch ganz woanders statt.

      • @ProfRichErv:

        In Ihrer Begründung warten Sie aber auch mit sehr viel Subjektivitäten auf. Jury-Entscheidung sind ja gerade ein Hort für subjektive Entscheidungen. Sie führen an, dass Sendungsformate wie Plasberg, Will und Maischberger nur einen "Unterhaltungswert" besitzen. Können Sie das belegen oder ist das nur die Jury-Meinung? Was definieren Sie eigentlich unter einem ernsthaften politischen Diskurs? Machen Sie das ausschließlich an den Head-Lines der Sendungen oder deren Gäste fest? Woher genau wissen Sie, dass der Journalismus im Offentlich-Rechtlichen Fernsehen ein Korsett hat, weil in Entscheidungsgremien Vertreter der Politik sitzen? Mit welchen Fakten könne Sie das belegen? Plasbergs Zuschauer sind also alle unkritisch? Davon ist die Jury ernsthaft überzeugt? Zusammenfassend kann ich für mich nur konstatieren, dass die Goldene Kartoffel keinen Bewertungswert besitzt, solange man auf einer so unspezifischen Argumentationsebene verbleibt.

  • Oh, doch - wer mindestens einen Elternteil hat, der nach 1949 aus dem Ausland nach Deutschland zugewandert ist, hat per definitionem Migrationshintergrund. So z. B. meine in Hamburg geborene und daselbst aufgewachsene Tochter, einfach deshalb, weil ihre Mutter aus Chile stammt. Auch in Deutschland Geborene ohne deutschen Pass haben Migrationshintergrund.

    • @Volker Scheunert:

      Selbst wenn man nur einen Elternteil hat, der als Kind deutscher Auswanderer im Ausland geboren wurde, hat man offiziell Migrationshintergrund.

      Mal davon abgesehen, dass landläufig natürlich niemand bei z.B. einer Deutschen, deren Mutter aus Schweden kommt, "Migrantin" denkt, obwohl auch sie offiziell als Migrihu geführt wird. Letzten Endes assoziiert die Mehrheit dann eben doch wenigstens dunkle Haare und einen "komischen" Nachnamen mit "Migrationshintergrund"...

    • @Volker Scheunert:

      Diese Definition von Migrationshintergrund ist schlicht Quatsch. Bei Migranten der 3. Generation und solchen Konstruktionen hört es dann ganz bei mir auf.

  • 9G
    91491 (Profil gelöscht)

    BRAVO!



    Die "ausgezeichneten " Talksendungen haben die AfD erst richtig "hochgetalkt ".



    Ich will da keine Absicht unterstellen, nur absolute Inkompetenz.

  • Wer in Deutschland geboren und hier aufgewachsen ist hat keinen Migrationshintergrund.

    • @FancyBeard:

      Der Hintergrund ergibt sich bei migrierten Eltern daraus, dass diese einen anders gearteten Bezug zu Deutschland haben und mit einer anderen Sprache und oft auch sehr anderen Kultur großgeworden sind. Auch deren Kinder haben oft mit der Sprache mehr zu kämpfen als Kinder aus seit Längerem deutschsprachigen Familien.

    • @FancyBeard:

      Offiziell eben schon. Selbst hundertprozentige "Biodeutsche" werden als Migrationshintergründler geführt. Es muss nur ein Elternteil als Kind deutscher Auswanderer in z.B. Brasilien geboren sein.

      • @Suryo:

        Ich sagte ja, dass das offizieller Quatsch ist.

    • @FancyBeard:

      Sagen Sie das mal der Epigenetik.

      • @Volker Maerz:

        Die hat was genau mit Migration zu tun? Wer hier geboren wurde, ist nicht gewandert. Ist das so schwer zu verstehen? Mit der Epigenetik kann man nicht sprechen.

        • @Hampelstielz:

          Man kann mit vielem nicht sprechen, das relevante Auswirkungen hat. Man nennt die Leute ja auch nicht Migranten, sondern verweist darauf, dass in ihrer Biografie Migration eine Rolle spielt, z. B. die der Eltern. Das hat durchaus Auswirkungen. Bei den einen mehr, bei den anderen weniger. Wenn man damit nichts anfangen kann, mag das daran liegen, dass man mit Migration auch nicht sprechen kann.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Lustig, auf dem Bild sind drei Leute mit Migrationshintergrund.

  • Seit der Sendung zur Wahl un Thüringen ist Anne Will auf jeden Fall ein heißer Kandidat.

  • 8G
    80336 (Profil gelöscht)

    Bravo! Die genannten Sendungen haben sich auch redlich bemüht, diesen Preis endlich zu bekommen.

  • Gerade mit Plasberg hat der Preis einen sehr passenden Adressaten gefunden.