Präsidentschaftswahlen in den USA: Erst Euphorie, jetzt Panik
Nicht einmal zwei Wochen vor der US-Wahl liegen Kamala Harris und Donald Trump wieder gleichauf. Harris' leichter Vorsprung ist futsch – und auf demokratischer Seite wächst die Unruhe.
Nachdem US-Präsident Joe Biden am 21. Juli seinen Rückzug verkündet hatte und die Demokrat*innen sich schnell und relativ geräuschlos auf Kamala Harris als neue Spitzenfrau geeinigt hatten, begann zunächst ein rasanter Aufstieg.
Der war auch bitter nötig, um überhaupt konkurrenzfähig zu sein. Denn schon seit Herbst 2023 hatte Trump – damals noch nicht einmal offizieller republikanischer Kandidat – in allen Umfragen in den Swing States konstant mit 4 bis 8 Prozentpunkten vor Joe Biden gelegen.
Die rasch und entscheidend von Trump gewonnenen republikanischen Vorwahlen, die ihn schon im Februar als Kandidaten bestätigten, verstärkten das Momentum für den Ex-Präsidenten. Die TV-Debatte zwischen Biden und Trump, ausdrücklich vom Biden-Lager noch vor die Nominierungsparteitage terminiert, brachte dann das Aus für den 81-Jährigen, auch wenn es noch quälende drei Wochen brauchte, bis er das auch einsah.
Seit Anfang Oktober kehrt sich der Trend um
Seitdem schien Euphorie bei den Demokrat*innen zu herrschen. Harris brachte wenige inhaltliche Klarheit und noch weniger Neuigkeiten, aber viel neuen Schwung in den Wahlkampf. Allein die Erleichterung darüber, nunmehr eine Spitzenkandidatin zu haben, die nicht mitten im Satz vergisst, worüber sie gerade gesprochen hat und die dynamisch und unfallfrei Treppen hinauf- und hinuntersteigen kann, setzte auf demokratischer Seite ungeahnte Energien frei.
Das wurde zunächst auch von steigenden Umfragewerten begleitet. Die Auswahl von Minnesotas Gouverneur Tim Walz als Vizekandidaten, die gelungene Show des demokratischen Nominierungsparteitags, schließlich die ganz andere TV-Debatte gegen Donald Trump, die Harris klar für sich entscheiden konnte: Mitte September lag Harris plötzlich in allen Umfragen vorn, national und in den Swing States.
Seitdem aber geht nichts mehr voran – und seit Anfang Oktober vieles rückwärts, wenn auch nicht in die Aussichtslosigkeit der Biden-Kandidatur. Aber gerade in diesen Tagen, an denen in allen sieben Swing States die Möglichkeit der frühen Stimmabgabe eröffnet ist und die Kampagnen eigentlich nur noch darauf aus sind, ihre potenziellen Wähler*innen tatsächlich zum Urnengang zu bringen, sorgt der leichte Abwärtstrend für Panik auf demokratischer Seite.
Und in manchen Meinungssektionen US-amerikanischer Medien wird schon nach Gründen und Schuldigen geforstet, sollte am 20. Januar 2025 Donald Trump wieder ins Weiße Haus einziehen.
Trump triggert die Demokraten
Der seinerseits macht fortlaufend, was er am besten und zuverlässigsten kann: Er produziert Schlagzeilen. Mal zeigt er erratisches, leicht in den Irrsinn abgleitendes Verhalten – etwa am vergangenen Wochenende in Latrobe, Pennsylvania, als er zehn Minuten lang über den Golfer Arnold Palmer erzählte, der ein besonders großes Genital gehabt habe.
Oder fünf Tage zuvor in Oaks, ebenfalls Pennsylvania, als er ein Town Hall Meeting, also ein Format, in dem das Publikum Fragen stellen kann, frühzeitig mit den Worten „Fragen! Wer will schon Fragen?“ abbrach und stattdessen Musik spielen ließ, zu der er auf der Bühne unter den ungläubigen Blicken der versammelten republikanischen Entourage eine halbe Stunde lang hin- und herwippte.
Oder er erzürnt mit krassen Lügen wie der, dass illegale Migranten Hilfsgelder für von Hurrikan „Helene“ betroffene Geschädigte abgezogen hätten.
Oder er schlägt Maßnahmen vor, die alle Warnungen, Trump sei eine Bedrohung für die Demokratie, geradezu verharmlosend wirken lassen. Etwa, wenn er sagt, gegen „linksradikale Verrückte“ müsse wenn nötig das Militär eingesetzt werden, etwa gegen die frühere Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi oder den langjährigen demokratischen Abgeordneten Adam Schiff. Schiff war als Vorsitzender des Geheimdienstausschusses maßgeblich an den Ermittlungen für das erste Amtsenthebungsverfahren gegen Trump beteiligt gewesen.
All das triggert – und so fokussiert sich ein Großteil des demokratischen Wahlkampfes wieder darauf, vor Trump zu warnen, statt eigene Vorschläge zu pushen.
Letzteres fällt Harris bis heute schwer, und das ist nachvollziehbar: Denn inhaltlich hat sie kaum etwas anzubieten, was nicht als Fortsetzung der nicht einmal erfolglosen, aber sehr unpopulären Biden-Politik gedeutet werden könnte. Im Interview mit dem konservativen Sender Fox News betonte sie vor wenigen Tagen, ihre Präsidentschaft wäre keine Fortsetzung der Biden-Jahre – aber viel mehr, als dass sie eben nicht Joe Biden sei, fiel ihr zur Begründung auch nicht ein.
Eine weitere Chance, im direkten Vergleich zu punkten, bekommt Harris nicht – aus für ihn guten Gründen lehnt Trump eine weitere TV-Debatte ab. Es liegt jetzt an Harris allein, in den letzten Tagen noch den Weg zu finden, um die letzten entscheidenden paar Zehntausend Wähler*innen von sich zu überzeugen.
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