Postpunk und Wave aus Berlin: Phantomschmerz im Tanzbein
Der neue Sampler vom Kassetten-Label Kollektiv Flennen bietet richtig gutes Zeug – die Erlöse gehen an Opfer rassistischer Polizeigewalt.
D ass das Medium Kompaktkassette – gerade in Berlin – eine beachtliche Renaissance gefeiert hat, dürfte kein Geheimnis mehr sein. Auf Labels wie etwa Static Age Musik, Kitchen Leg Records, Beatbude oder Billo Records ließ sich immer mal wieder „Richtig Gutes Zeug“ auf Tapes entdecken, um mit Deichkind zu sprechen.
Besonders hervorgetan hat sich diesbezüglich das Kollektiv Flennen, das zu normalen Zeiten darüber hinaus auch Shows veranstaltet. Postpunk-Bands wie Pigeon und Liiek, die in dieser Kolumne auch schon gewürdigt wurden, entstammen dem Flennen-Umfeld.
Nun ist ein neuer Labelsampler erschienen, der zehnte seiner Art, mit 30 Songs, dessen Erlöse allesamt an die Kampagne für die Opfer rassistischer Polizeigewalt fließen. Schon deshalb: gute Sache das. Wer sich aber für Synthpunk/-Pop, Noise und Wave interessiert, wird auch musikalisch reich beschenkt.
Der 2020-Faktor schwingt dabei manchmal mit, so weiß eine Band namens Isolationsgemeinschaft (I.G.) mit dem Song „Gelände“ zu überzeugen – eingängiger Düster-Wavepop in Synthie-Schleifen mit guten Lyrics ist da zu hören. Von Joy Division und Oggersheim gleichermaßen beeinflusst zeigt sich dagegen die Band Blühende Landschaften, in „Gries“ erklingen zäh mäandernde Gitarren.
Gegen Ende des Seuchenjahres fühlt man sich hier gut verstanden: „Ich bin die Krise/ Du bist die Krise/ Wir sind die Krise/ Die Krise in der Krise“, heißt es da.
Etwas flotter geht es zuvor – wie der Bandname vermuten lässt – bei Go Lamborghini Go zur Sache: Das Berliner Quintett hat die Gang-Of-Four-Schule mit Bestnoten abgeschlossen, da kann man schon mal Phantomschmerzen im Tanzbein verspüren („Repetition Of High“).
Various Artists: „Flennen No.10“ (Flennen), flennen.bandcamp.com
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So hört man sich sehr interessiert durch Synthie-Experimente (Staxl), feinen Weirdo-Dada-Pop (Flaccid Knob, ICE), Jazz-Noisepunk (ÖPNV) und freut sich, wenn zum Ende hin die großartigen Leipziger Planets Are On It den Bass slappen lassen und polyrhytmisch-funky zu Werke gehen. Sehr vielseitig, sehr gut, diese Kompilation.
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